Der Traum von der Welt
Als die Sterne noch jung waren träumte das Universum von der Welt. Mutter Erde erschuf den Wilden Wald und machte ihn dem Volk der Elfen zum Geschenk und zum Gelübde. Fortan hegten und pflegten sie jeden Baum, jede Blume, jeden Grashalm. Achteten und respektierten jedes Tier, sei es groß und mächtig wie der Bär oder klein und unscheinbar wie die Ameisen. Dankten den Quellen und Bornen für ihre Wässer. Und ehrten die Mutter für all das Leben, das sie ihnen schenkte. Viele Generationen ließen Wald und Tiere stark werden, und die Chroniker sangen ihre Lieder.
Die Tochter des Lebens
Doch die Elfen sahen nicht die Veränderungen jenseits ihrer Heimat. Sie erkannten nicht, dass die Mächtigen eine andere Welt hinter dem Wald geformt hatten. Dass sich fremde Völker erhoben und ihr grünes Reich bedrohten. Und Angst erfüllte ihre Herzen. Da schenkte ihnen der Wald Iníon an saoil, die Tochter des Lebens, und die Chroniker verkündeten ihre Ankunft.
Sie kennt alle Geheimnisse der Welt. Das Geschenk der Geburt wie das Mysterium des Todes. Die Rätsel der Zeit. Die Namen aller Götter und sogar den Namen der Mutter. Sie ist die Auserwählte. Sie weiß und versteht, weil sie ist!
Iníon an saoil ist ihr Titel in der Sprache der Elfen, Tochter des Lebens oder Tochter des Waldes übersetzt in die Sprache der Menschen. Bei den Elfen haben Wald und Leben die gleiche Bedeutung, nur das eine Wort lebt in ihrer Sprache. Für die anderen Völker außerhalb der Wälder ist sie die Hochdruidin. Ihr Geburtsname war Éirí Na Gréine, Sonnenaufgang, ihr jetziger Name lautet Saoirse An Glas, Grüne Freiheit, was mehr als nur ein Name ist.
Die Hochdruidin ist mehr als nur eine Person. Sie ist mehr als ihre Namen. Sie ist mehr als ihr Titel. Sie ist die Inkarnation des Waldes. Sie ist die Manifestation der ungezähmten, wilden Natur. Sie ist die Natur. Éirí Na Gréine war das erste neugeborene Kind nach dem Tod von Fiáin Cosantóir, Wilder Verteidiger, Mac an saoil, Sohn des Lebens. Die Macht der Mutter und des Waldes ging auf sie über.
Regan an Sruth, Königin vom Fluss, war Die Erste, geboren lange vor den Zeitaltern und Göttern. Sie war zugleich die mächtigste unter allen Töchtern und Söhnen die ihr folgten. Nie wieder gab es eine wie sie. Manche Lieder singen, sie sei die Mutter selbst.
Der Kampf gegen die Boshaften
Lange bevor die Welt begann sich zu wandeln, verließen die Mailíseach, die Boshaften, die Tiefen. Widerliche Kreaturen verseuchten das Land, abscheuliche Bestien brachten Tod und Verzweiflung, Stahl und Magie vergossen Blut und Tränen. Kein Leben konnte ihnen standhalten, keine Macht schien ihnen gewachsen. Doch dann erhob sich Iníon an saoil! Lauter als alle Stürme ertönte ihre Stimme über das Land und verkündete das Schicksal. Heilige Rituale entfesselten die mächtigen Kräfte der Natur. Fürchterlich war ihre Rache, entsetzlich übte sie Vergeltung. Feinde verzagten und Widersacher verzweifelten. Schilde zersplitterten, Schwerter barsten und Lanzen brachen. Wahnsinn überkam ihre Gegner.
Mut verdrängte Angst als die Elfen die Worte der Tochter vernahmen. Tapferkeit und Zorn erwachten in ihnen, sie sprachen mit einer Stimme und kämpften Seite an Seite. Wie ein gewaltiger Orkan warfen sie alles Böse zurück in die Düsternis der Abgründe. Viele ließen ihre Unsterblichkeit zurück, wählten den Tod für das Leben der anderen. Und die Chroniker preisen ihre Namen.
Tuath Mór Na Mairbh Cróga, Großes Land der tapferen Toten, nannten sie fortan diesen Ort. Die Tochter ließ ihn erblühen und gedeihen, tilgte die verdorbenen Leiber der toten Bestien und ihr schmutziges Blut vom Antlitz des Bodens. Jedem gefallenen Elfen aber schenkte sie einen Baum. Sie wuchsen in den Himmel und überstanden Wandel und Zeitalter. Colún an déithe, Säulen der Götter werden sie heute genannt. Weit in den Norden muss der Wanderer reisen um sie zu erblicken.
Die Erste Schlacht blieb nicht unbemerkt. Neugierde verbreitete sich unter den Divinen. Wer erwies sich ihnen als ebenbürtig? Wer besiegte die Bestien der Tiefen? Und Iníon an saoil offenbarte sich ihnen. Respekt verlangend und einen Platz in ihren Reihen fordernd betrat sie voller Stolz die Hohen Hallen. Seite an Seite sitzt sie nun unter Ihresgleichen und hält ihre schützende Hand über den Elfen. Und die Chroniker singen ihren Namen.
Den Sternen entgegen
Schon bald nach der Ersten Schlacht drängte sich etwas Fremdes zwischen die Stimmen, störte die Harmonie der Elfen. Erst schwach, kaum zu vernehmen, dann offensichtlicher, deutlicher. Hatte sie bisher die Stimme der Tochter vereint, sprachen manche fremde Worte. Sie verließen den Wald, den Schoß der Mutter. Nicht in Zorn doch voller Tatendrang machten sie sich auf, eine neue Welt zu entdecken die ihnen bisher verborgen war. Sie trafen Menschen, Zwerge und vielerlei andere Völker. Sie hörten ihre Geschichten und Sagen. Sie lernten ihre Sprache und Gebräuche. Aber auch Neid und und Missgunst wurden ihnen offenbar.
Manche kehrten zurück in die Wälder, den Kopf voll neuer Ideen und fremder Magie. Sie vergaßen die alten Traditionen und begannen Türme aus Stein und Zauberkraft zu errichten, höher als die ältesten Bäume. Sie strebten den Sternen und der Sonne entgegen, den hohen Gefilden, um ihnen näher zu sein. Unbekannte Rituale vollführend zogen sie sich in ihre Gemäuer zurück und wendeten sich ab von ihrem alten Leben. Sie wurden die Hochelfen, und die Chroniker singen ihre Lieder.
Der Wahnsinn der Tiefen
Schon bald nach der Ersten Schlacht verließen manche der Elfen den Wald, den Schoß der Mutter. Sie fragten sich, was sich wohl unter dem Antlitz der Erde verbarg und mächtig genug war, solch tiefe Abgründe aufzutun. Sie begaben sich hinab in die Dunkelheit, nicht ängstlich doch voller Tatendrang, die Geheimnisse zu erkunden. Aber sie erkannten nicht die Gefahr die in den Unterwelten lauerte, wussten nicht um die Bedrohung die sie erwartete. Immer tiefer stießen sie vor und bemerkten nicht die Verseuchung der Unterwelt, und das Gift brachte sie um den Verstand. Nur wenige kehrten zurück in die Wälder, doch der Wahnsinn hatte sie gezeichnet, erkannten sie doch kaum ihre Brüder und Schwestern. Fortan scheuten sie das Licht der Sonne und gruben Höhlen in den Wäldern, ihr Schicksal verbergend. Sie wurden die Dunkelelfen, und die Chroniker singen ihre Lieder.
Die Königin
Kummer überkam das Grauvolk. Zurückgelassen in den Wäldern betrauerten sie ihr Los. Die Harmonie lag im Sterben. Auch ihr grünes Reich spürte den Verlust. Gleich Armen die sehnsüchtig Halt suchen, wucherten wild und ungezügelt die Triebe der Büsche und Sträucher. Gräser und Kräuter sprossen unkontrolliert empor, stahlen zarten Blüten und jungen Pflanzen das Licht der Sonne. Mächtige Bäume ächzten unter der Last der Ranken, die mit starkem Griff Stamm und Ast umklammerten. Rehe scheuten, Keiler verbargen sich, das Lied der Vögel verstummte, die Bären wurden grimmig. Die ganze unbändige Macht von Iníon an saoil wurde offenbar.
Da erschien ihre Schwester, Banríon an Síofra, die Elfenkönigin, und stimmte ein neues Lied an, mitten hinein in ihre traurigen Herzen. Zunächst nur ein Klang so zart und zerbrechlich wie silberner Tau an einem Frühlingsmorgen, bald ein Wind der ihre Stimme zwischen die Horizonte trägt, schließlich ein himmelweites Gewitter, dessen bebendes Grollen die Schwachen und Mutlosen verzagen lässt. Sie ließ die hohen Türme erzittern, drang hinab in die Dunkelheit, und forderte Aller Aufmerksamkeit. Sie öffnete ihnen die Augen und sprach zu ihnen. Da erblickten sie einander und verstanden.
Und die Chroniker singen ihr Lied.
Elfenlieder
Re: Elfenlieder
Ganz toll, ich liebe die Lieder!
Nur als kurze Anmerkung: Die Leute, die Chroniken verfassen, nennt man normalerweise "Chronisten". "Chroniker" sind eher die, die chronisch krank sind.
Nur als kurze Anmerkung: Die Leute, die Chroniken verfassen, nennt man normalerweise "Chronisten". "Chroniker" sind eher die, die chronisch krank sind.
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