24.3.2021
Wir wollen bald nachts an Bord der „Tiger von Maraskan“ den Hafen zu verlassen. Der berüchtigte Kapitän, immerhin steckbrieflich gesucht, will versuchen die Hafenblockade zu durchbrechen. Doch zuerst treffen wir Magister Rakorium Muntagonus, der gerade von einer Expedition zurückgekehrt war, ein ausgewiesener Fachmann für Saurologie. Vielleicht kann er uns etwas über Seeschlangen und den Friedhof erzählen. Er kann! Dafür soll ich ihn über den Verlauf der Queste, speziell über den Friedhof der Seeschlangen, berichten, adressiert an die „Halle des Quecksilbers“ in Festum. Er schenkt uns ein magisches Artefakt, das mit drei Ladungen des Zaubers Xenographus (Schriftenkunde) ausgestattet ist. Auf meine persönliche Bitte untersucht mich Muntagonus. Er entdeckt, dass meine Amnesie von einem wirklich mächtigen Wesen wie einem Drachen verursacht wurde.
Nachdem wir ohne große Probleme dank nächtlicher Dunkelheit und schlechter Sicht bei schlechtem Wetter den Hafen von Boran ungesehen verlassen konnten, benötigen wir vier Tage um den Friedhof der Seeschlangen zu erreichen. Vor einem Labyrinth aus Mangroven geht der „Tiger“ vor Anker. Nur mit dem Beiboot lässt sich diese Wildnis durchsuchen. Der Kapitän gibt uns drei Tage, um einen Zahn zu finden.
Diese Landschaft ist alles andere als einladend. Ein Irrgarten gefüllt mit tödlichen Kreaturen, alle Kaltblüter, Warmblüter werden geopfert. Mit an den Mangroven gebundenen Stofffetzen markieren wir den Rückweg. Nur langsam kommen wir voran in Richtung einer Erhebung, die Pedder zuvor entdeckt hatte. Nach zwei Stunden Suche liegt vor uns plötzlich das Skelett einer Seeschlange. Doch selbst das Beiboot hat zu viel Tiefgang, um die Knochen zu erreichen. Gefolgt von Eldgrimma stürzt sich Amrei als erste ins dunkle Wasser, muss ihre Ungeduld aber mit dem Biss einer Wasserschlange bezahlen. Sie hat Glück, das Gift betrifft nur ihren rechten Arm, die Lähmung und die Taubheit werden in ein paar Tagen abklingen. Ruslaf springt als nächster in den Sumpf. Durch eine Mischung aus tiefem Schlick und einer dünnen Schicht Wasser darüber gelingt es ihnen, den Kopf des lang verstorbenen Tieres zu erreichen. Doch kaum reckt Ruslaf den Schädel triumphierend in die Höhe, kommt die Enttäuschung. Alle Zähne wurden aus den Kiefern heraus gebrochen. Das gleiche gilt für zwei weitere Skelette, die wir entdecken. Also bahnen wir uns weiter den Weg in Richtung der Kuppe.
Unter einem großen Bogen fährt das Boot in eine große Höhle hinein. Das Licht der Fackeln entlarvt den Berg als von Menschen erschaffen, allerdings in einem nicht mehr so guten Zustand. Überall dringen dicke Wurzeln durch die aufgeschichteten Steine. Am Ende erwartet uns eine Mole wo wir anlegen. Auf der Treppe nach oben finden wir einen toten Echsenmenschen. Er wurde erst vor wenigen Tagen getötet. Die Stufen führen in eine Halle, die mit in den Stein gehauenen Symbolen überzogen ist. Hier teilt sich der Weg in drei Richtungen. Mit Hilfe des Artefakts von Magister Muntagonus kann ich die Zeichen durch eine Linse betrachtet auch entziffern. Der mittlere Durchgang führt zum Heiligtum der Tiefen, wohin Diener den Schatz der Tiefe bringen, der linke ist der Weg des Kriegers und der rechte führt zu den Hohen. Also ab durch die Mitte.
Außer tropfendem Wasser und unserem Atmen sind keine Geräusche zu hören. Es geht abwärts. Ein grüner Schimmer liegt vor uns, es ist kein Sonnenlicht. Wurzeln bilden eine Art Vorhang. Dahinter überall Knochen und Skelette von dutzenden Seeschlangen, aber keine Zähne. In der Mitte dieser riesigen Halle liegt ein See, von dem das Leuchten ausgeht. Höchst wahrscheinlich bietet er einen Zugang zum Meer, das Wasser riecht und schmeckt jedenfalls brackig Die Skelette scheinen alle aus dem Wasser in Richtung eines Podests mit einem Altar zu streben. Noch weiter dahinter noch mehr Treppen, die alle nach oben führen. Hier liegen neun tote Echsenmenschen, teilweise mit Brandspuren gezeichnet. Beorn! Er hat eine Zauberin in seiner Gruppe, die Feuerbälle schleudern kann. Die Truppe hat hier regelrecht gewütet. Zwischen den teilweise verbrannten Holzbalken von eingestürzten Regalen und Podesten liegen die Reste hunderter Zähne, aber alle wurden zerschlagen, zerbrochen, zerstört. Auch eine aufmerksame Suche bringt nicht einen einzigen unversehrten Zahn zum Vorschein. Ich packe eine Handvoll der Bruchstücke in meine Tasche.
Auf einem Podest entdeckt Amrei eine Bewegung. Ein Echsenmensch hat das Massaker hier verletzt überlebt und versteckt sich. Mit sauberem Wasser und Behandlung seiner Wunden versuchen wir sein Vertrauen zu gewinnen, als plötzlich der grüne See regelrecht zu brodeln beginnt. Eine offensichtlich sehr alte Seeschlange schleppt sich mit letzter Kraft aus dem Wasser und bricht auf dem Weg zum Altar regungslos zusammen.
7.4.2021
Eine zweifelhafte Ruhe ist eingekehrt. Doch wie lange wird sie noch andauern?
Es ist erstaunlich, dass der schwer verletzte Echsenmensch unsere Sprache immerhin gebrochen spricht. Und was er sagt, ist nicht wirklich verwunderlich, Mörder und Diebe schimpft er uns. Das haben wir ganz sicher Beorns Truppe zu verdanken. Die Spuren, die sie hinterlassen haben, sind eindeutig. Dem aber widerspricht Eldgrimma vehement. Sie redet unaufhörlich auf den Verletzten ein, trägt ihn sogar zu der sterbenden Seeschlange, um ihn von unseren guten Absichten zu überzeugen.
Da ist es mit der Ruhe auch schon wieder vorbei! Einer nach dem anderen tauchen immer mehr Kreaturen aus den Schatten auf. Sie sehen aus wie Krokodile, die auf den Hinterbeinen stehen. Groß, gepanzert, bewaffnet, gefährlich. Es sind Maru. Unter ihnen ist einer mit bunten Kleidern und buntem Schmuck, offenbar ein Schamane, den eine weitere Besonderheit auszeichnet, es ist der Schwarz-Geschuppte! Und wenn man den Erzählungen des alten Fischers glauben schenkt, sollen wir nun geopfert werden.
Nicht mit mir! Magie schafft zwar viele Probleme, sie vermag manche aber auch zu lösen. Und Leben zu retten. Nicht nur mein eigenes, nein, auch das meiner Gefährten. Nur eine kurze Botschaft, hinterlassen im Kopf des Schwarz-Geschuppten: „Verlass diesen Ort. Niemand muss hier heute sterben!“ Den ersten Teil hat er verstanden, umgehend verschwindet er in der Dunkelheit. Nicht aber den zweiten, auch nicht seine Anhänger. Sie dringen weiter in die Höhle vor, rücken uns auf die Pelle. Zeit den Kopf einzuziehen und in Deckung zu gehen. Für den handfesten Nahkampf sind die anderen zuständig.
Pedder setzt den ersten Schlag an, doch der Maru wehrt sich mit den zwei Äxten, die er bei sich trägt. Eldgrimma ist erfolgreicher. Unter der Wucht ihres Streitkolbens zerbersten die Rippen ihres Gegners, trotz der dicken Rüstung. Mit dem nächsten Hieb ist ihr Gegner ausgeschaltet. Amrei braucht nur einen einzigen Pfeil, den sie von der Sehne ihres magischen Bogens schnellen lässt. Der Getroffene verliert den Halt auf der Leiter, die er gerade hinunter steigt, und stürzt in die Tiefe. Pedder bekommt derweil Unterstützung von Phileasson. Die hat er auch bitter nötig. Wie von Sinnen um sich schlagend und brüllend rennt ein Angreifer auf die beiden zu. Dieser scheint sich in einem Kampfrausch zu befinden. Wer weiß schon, was diese Wildnis so alles an Drogen zu bieten hat. Die zwei gestandenen, mit allen Wassern gewaschenen Seeleute müssen auch Treffer einstecken, doch lebensbedrohlich sind sie am Ende nicht.
Der Rückzug des Schwarz-Geschuppten hat anscheinend doch die Moral die verbliebenen Maru untergraben. Ebenso der Kampfeswille meiner Gefährten! Und die besiegten Gegner, die mittlerweile unübersehbar sind. Die letzten Angreifer ziehen sich zurück, und wieder kehrt Ruhe ein. Unser Einsatz hat den verletzen Echsenmenschen offensichtlich beeindruckt. Er schleppt sich mit Eldgrimmas Hilfe zu der Seeschlange. Das große Auge blickt ihn noch einmal an, er legt seine Hand auf das Tier, das seine letzten Atemzüge tut und stirbt. Diese Beziehung zwischen ihnen ist in der Tat bemerkenswert. Ein weiterer außergewöhnlicher Aspekt, von dem ich Magister Rakorium Muntagonus berichten kann. Bevor wir diesen Ort verlassen, legt der Echsenmensch selbst Hand an das tote Tier. Mit letzter Kraft entfernt er einen von uns so sehr begehrten Reißzahn und macht ihn uns zum Geschenk. An Bord der Tiger von Maraskan klopft man uns auf die Schultern. Die Seeleute haben großen Respekt vor den Heldentaten, die wir vollbracht haben.
Der Kapitän hat entschieden, zu seinem Versteck auf der Insel Beskan zu fahren. Doch schon meldet der Ausguck, dass eine Trireme mit der Flagge des Mittelreichs, die Muräne, den Weg versperrt. Die Besatzung, voller Tatendrang und Optimismus, bereitet sich auf ein Entermanöver vor. Und wir, die Helden? Sollen wir in die Auseinandersetzung eingreifen, Partei ergreifen? Die Entscheidung ist schnell gefällt, schließlich haben wir für die Passage bezahlt und fühlen uns, trotz aller Dankbarkeit für Kapitän Kodnas Han und seine Crew, als Passagiere.
Als unbeteiligte Beobachter verfolgen wir, wie die Trireme den Mast umlegt und die Ruder bemannt. Die Muräne will unser Schiff doch tatsächlich rammen. Die Tiger von Maraskan würde eine solche Konfrontation kaum überstehen, ist dafür aber wesentlich wendiger als das große und schwere Schiff des Mittelreichs. Es dauert nicht lange und beide liegen Seite an Seite. Enterhaken fliegt von Deck zu Deck und bald schlägt Bordwand an Bordwand. Die Seesoldaten des Mittelreichs sind zwar in der Überzahl, aber die Rebellen dafür erfahrener und offensichtlich wesentlich motivierter und mutiger. Unter Verlusten auf beiden Seiten ist die Besatzung der Muräne irgendwann umzingelt und streckt die Waffen. Es ist ein blutiger Kampf, den wir beobachten müssen. Die Mannschaft wird in den Beibooten ausgesetzt, bevor die Muräne in „Flammen der Freiheit“ verbrennt und die verkohlten Reste auf den Grund Meeres sinken.
Die Zuflucht der Rebellen, die Insel Beskan, liegt quasi direkt vor der Nase des Feindes, der Hafenstadt Sidona auf Maraskan. Nur zwanzig Meilen liegen dazwischen, immerhin weit genug, um sich dem direkten Blick der Feinde zu entziehen, aber schon beinahe tollkühn nahe, um diesen Ort als Rebellenversteck auszuwählen. Die Tiger von Maraskan ankert in einer ruhigen, versteckten Bucht. Zwischen den Palmen stehen Hütten, Kinder spielen am Strand und im seichten Wasser. Es ist schon eine traumhafte Idylle. Immerhin sind die Temperaturen höher als noch oben in den Bergen des Nordens. Zur Feier der Rückkehr und dem Sieg wird ein ausgelassenes Fest veranstaltet, mit Rum und Tanz und viel Spaß. Auch die Toten werden nicht vergessen, man gedenkt ihrer. Ein buntes Gemisch verschiedener Völker lebt hier. Wir verbringen ruhige und entspannte Tage, leben und schlafen in einer Hütte, die man uns zur Verfügung stellt. Ein guter Ort und eine gute Zeit, um mit Pedder Schwimmen zu üben. Ob man davon Schwimmhäute bekommt?
Nach einer Woche wird unser Müßiggang von einer neuen Prophezeiung gestört. Mitten in der Nacht spricht Shaya wieder einmal verworrene Sätze. Es ist schwer, Sinn und Inhalt der Worte richtig zu deuten. Nach langer Diskussion steht unser neues Ziel fest, das Sargassomeer.
Noch immer frage ich mich, aus welchen Gründen uns Kapitän Han und die hier lebenden Menschen die Stern von Silz überlassen, eine kleine hochseetaugliche Dau. Noch dazu schleppen sie uns, weil es einfach schneller ist, hinaus aufs Perlenmeer. Bis zu dem Zeitpunkt, als mehrere Segel fremder Schiffe am Horizont erscheinen. Dieser Konfrontation will der Kapitän lieber aus dem Weg gehen. Mit ehrenwerten Worten und Segenswünschen verabschieden wir uns voneinander und nehmen Kurs in Richtung Osten, hinaus aufs offene Meer. Weiter weg von bewohnten Küsten als je zuvor.
14.4.2021
Wo die See, die weder Meer noch Land ist, gierig Schiffe hortet,
sind zwei alte Meister gefangen in des herrenlosen Sklaven Netz.
Schärft der geschuppten Bestie Waffen gegen des Kelches Räuber,
auf dass der Fenvar Erbe Schlüssel zurückkehre in die verlorene Stadt.
Prophezeiungen! Wer hat dieses Konzept erfunden und in die Welt hinaus verbreitet? Sie reichen von fundamental selbsterfüllend, etwas banalem wie „Auf Regen folgt Sonnenschein“, bis hin zu den fantastischsten Ausgeburten der Fantasie, in die jeder seine eigene neue Welt hinein interpretieren mag. Und wir? Nehmen sie als Aufforderung, uns so weit von den letzten Küsten zu entfernen wie nie zuvor. Ich werde auf die Knie fallen und die Götter preisen, wenn ich wieder auf das Festland zurückkehre.
Die Sonne brennt beinahe heißer als in der Wüste. Jeder sucht Schatten. Die stetige Brise, welche die Stern von Silz immer weiter Richtung Osten treibt, verschafft etwas Abkühlung. Hinter Eldgrimmas rauer Fassade verbirgt sich ein wahres künstlerisches Genie. Niemand hätte ihr zugetraut, mich eingeschlossen, aus dem Schlangenzahn einen Krummsäbel zu fertigen, exzellent ausbalanciert und mit wunderschönen Verzierungen versehen. Ein echtes Meisterwerk. Ein Vorschlag wird gemacht, der Waffe einen Namen zu geben, sie ist schließlich etwas Besonderes. Doch wir können uns nicht einigen. Phileasson soll sie führen.
Erste Ansammlungen von Seetang deuten darauf hin, dass das Ziel nahe ist. Und dann sehen wir es selbst, bis zum Horizont so weit das Auge reicht verdrängt eine braune Masse das strahlende Blau des Meeres. Pedder übernimmt das Ruder. Mit seiner Erfahrung will er die Stern von Silz so manövrieren, dass sie nicht Teil der Prophezeiung wird, Wo die See, die weder Meer noch Land ist, gierig Schiffe hortet... Er folgt der Strömung, die hier bemerkenswerte Dinge vollbringt. Die Tangberge, die sich hier und da unterschiedlich hoch aufgetürmt haben, überragen an vielen Stellen die Bordwand. Wir ankern in der Abenddämmerung am Rande eines dichten Seetangfelds. Das tief stehende Licht lässt in einiger Entfernung die Silhouette eines Schiffswracks deutlich werden, jedoch zu weit weg, um Details zu erkennen. Eine Aufgabe für den morgigen Tag.
Die Kühle, die mit der Dunkelheit einhergeht, ist erfrischend. Doch die Lichter, die wir entfachen, bleiben nicht unbemerkt. War da nicht eine Bewegung am Bug? Nein, nichts zu sehen. Aber da! Zwei langen behaarten Beinen folgt eine Spinne, der Leib groß wie ein menschlicher Kopf. Alarm wird gegeben. Irgendwo an Deck höre ich das Wort Wolfsspinne. Immer mehr dieser Biester klettern die Bordwände hinauf, große und kleine, ein Dutzend an der Zahl. Hier wird keine Diplomatie helfen. Das denkt sich auch Eldgrimma, packt eines der Tiere, und zerquetscht den Körper mit ihren bloßen Händen. Der platzt wie reifes Obst. Grüner, ekelhaft stinkender Schleim besudelt die Kämpferin und das Deck. Auch ich will nicht untätig sein. Mit der Macht meiner Gedanken projiziere ich das Bild eines Flammeninfernos in den Geist eines der Tiere. Doch das zeigt sich völlig unbeeindruckt. Die Spinnen sind flink und beweglich, und können geschickt springen. Eine direkt auf mich zu. Mit dem Obsidianmesser versuche ich mich zu verteidigen, doch es bleibt beim Versuch. Schneller als mein Auge sehen kann verschwindet das Tier unter meinen Kleidern. Und dann spüre ich nicht nur ihren Biss, sondern bald auch die Wirkung des Gifts. Mit ihrer Klinge trennt Amrei das Bein einer Spinne ab, doch die reagiert überhaupt nicht auf den Verlust. Dann versucht sie es mit heißer Suppe. Statt es zu füttern übergießt sie das Tier mit der kochenden Brühe, doch die Spinne kann ausweichen. Phileasson spießt eines der Monster mit seinem Säbel auf, Amrei tut es ihm gleich. Eldgrimma ist auf mein aufgeregtes Gezappel aufmerksam geworden. Mit geschickten Händen packt sie die Wolfsspinne und zerquetscht wie die erste. Die Tiere ziehen sich schließlich zurück, als wir die Hälfte von ihnen ausgeschaltet haben.
Auch Volker hat Bekanntschaft mit dem Spinnengift gemacht. Shaya versucht alles, um die Auswirkungen zu lindern. Übelkeit, Schweißausbrüche und Schüttelfrost begleiten uns durch die verbleibenden Nachtstunden. Wie es aussieht habe ich wesentlich weniger Gift abbekommen als Volker. Phileasson lässt die Dau mit größerem Abstand von den Tangfeldern ankern. Ich finde noch etwas Schlaf und kann am nächsten Morgen sogar aufstehen, ganz im Gegensatz zu Volker. In mehrere Lagen Decken eingepackt zittert er weiter vor sich hin.
Pedder steuert die Stern von Silz in Richtung des Schiffswracks, liest die Strömungen und geht den dichtesten, gefährlichsten Tangfeldern aus dem Weg. Als es auf dem Wasser nicht mehr weiter geht verlässt er gemeinsam mit Amrei und Eldgrimma das Schiff. Mühsam bahnen sich die drei einen Weg zu den Resten des Dreimasters. Am Heck entdecken sie einen Namen, Bastrabuns Stolz. Bastrabun ibn Rashtul, vor Generationen legendärer urtulamidischer Scheich und Sultan, diesen Namen kennt jeder tulamidische Magus, mit Ehrfurcht verneige ich mich vor seinem Andenken! Von dem Schiff ist nicht mehr viel übrig. Morsch, verfallen und verrottet liegt der einstige Stolz vor ihnen. Nur der Seetang hindert es daran, endgültig auf den Grund des Meeres zu versinken. Sie finden noch Überreste der Ladung, vor allem längst leck geschlagene Weinfässer, sowie das Logbuch, von dem nur noch die stabilen Buchdeckel übrig sind. Aufgrund der Bauart war Bastrabuns Stolz wohl ein Handelsschiff.
Die drei Kundschafter wollen bereits auf die Stern von Silz zurückkehren, als sie ein ungutes Gefühl überkommt. Sie fühlen sich beobachtet, schärfen ihre Sinne, können aber nichts Konkretes entdecken, nur extrem schnelle Bewegungen, irgendwo im Augenwinkel jenseits greifbarer Wahrnehmung, über dem Seetang und zwischen den Trümmern. Auf wackligen Beinen und mit viel Unterstützung und Hilfe betrete auch ich die morschen Planken des Dreimasters. Magie sei Dank kann ich das Geheimnis lüften. Gleich neben einem der Masten entdecke ich kleine Kugel, die auf Tentakeln steht, bei genauerer Betrachtung ein Augapfel auf Beinen. Es ist ein Difar, ein niederer Dämon, der hier als Beobachter fungiert, vordergründig nicht gefährlich. Erst als ich darauf deute, können auch auch die Anderen ihn sehen. Geistesgegenwärtig opfert Amrei einen Teil ihrer Kleider und wirft einen Stofffetzen über den Difar, der schnell wie in einem Sack verschnürt ist. Eldgrimma holt zu einem mächtigen Hieb mit ihren Streitkolben aus, doch von einem Moment auf den anderen ist der Difar einfach verschwunden, in Luft aufgelöst. Das Gute an der Situation ist, dass sich niemand mehr beobachtet fühlt, das Schlechte ist, wir sind entdeckt.
Pedder steuert die Dau in Richtung Süden. Die Tangfelder werden dichter, und am Horizont entdecken wir mehr und mehr Schiffswracks. Da es dunkel wird ankern wir, diesmal aber in größerer Entfernung von den braunen Massen. Die Nacht ist ruhig, weder Wolfsspinnen noch andere Kreaturen bringen uns um den Schlaf. Während ihrer Nachtwache nimmt Amrei erneut eine schnelle Bewegung wahr. Sie fürchtet schon das Schlimmste, doch alles was sie entdeckt ist eine Schriftrolle. Das Siegel kenne ich, es deutet auf die Schule der variablen Form zu Mirham hin, weit im Süden am Fuße des Regengebirges und an den Ufern des Flusses Chamir gelegen. Anders steht es um den Namen des Unterzeichners, Magister Vermis Gulmaktar, von dem habe ich noch nie gehört. Er bittet darum, ihn morgen Mittag am Wrack der Rahjamund südlich unser jetzigen Position zu treffen.
Es ist schon ein skurriler Anblick, der uns am vereinbarten Treffpunkt erwartet. Ein elegant gekleideter Magister hat zwischen den Überresten eines Dreimasters Tisch und Stühle aufgestellt, Geschirr und Besteck, Speisen und Getränke arrangiert, inmitten der unfreundlichen Sargassosee. Er begrüßt uns als seine Gäste, und da es sich nicht gehört, solch ein Angebot einfach abzulehnen, wissen wir nun, wie Seetang schmeckt, der auf unterschiedliche Arten und Weisen zubereitet wurde. Er ist keine Gaumenfreude. Trotz aller Freundlichkeit des Gelehrten, offensichtlich aufgesetzt, sind wir skeptisch ob seiner Absichten. Kurz und bündig nennen wir unsere Namen. Unser Argwohn wird bestätigt, als ich mich als Magus vorstelle. Eine latent unangenehme Reaktion seinerseits ist deutlich erkennbar, damit hatte er nicht gerechnet. Immerhin hat er allerlei zu berichten, von einem mächtigen Artefakt, das von einem mehrfach gehörnten Dämon bewacht wird, von Vespersinius, dessen Lebensinhalt darin besteht, dieses Artefakt zu bergen, davon, dass dieser Ort selbst dafür sorgt, dass ihn niemand verlässt, und dass sich Vespersinius angeblich mit Beorn verbündet hat. Oder unterworfen? Es gibt viel zu beraten!
Die Ereignisse der letzten Tage im Sargassomeer und diese vermaledeite Amnesie haben ganz offensichtliche Fragen in den Vordergrund meines Denkens gerückt. Wer ist Abdul el Mazar wirklich? Was für eine Art von Zauberer ist er? Die Kameraden erheben immer wieder den offensichtlich gerechtfertigten Anspruch, ihnen in dieser Situation oder jener Lage zu helfen, wozu ich ja durchaus bereit bin. Aber wie? Oft kommt es mir vor, als stünde ich mir selbst im Weg. Nein, Vorwürfe macht mir niemand, vielleicht Amrei, die Magier und Gelehrte als nutzlos und nicht hilfreich erachtet, abgehoben und elitär in ihren schicken Roben. Der Großteil der Mannschaft hat jedoch Verständnis für meine Situation. Das Schicksal machte mich zu einem Teil dieses Heldenepos, die Herausforderung gilt es nun zu meistern.
28.4.2021
Die Unterhaltung mit Vermis Gulmaktar ist trügerisch, geprägt von Misstrauen unsererseits und Heuchelei seinerseits. Seine Augen verraten ihn. Immer wieder blickt er schon fast ängstlich zu dem Wrack im Süden, versucht seine Gäste zu ergründen und schaut sich unsicher auf der Suche nach seinen kleinen Helfern um, in der Hoffnung, dass wir sie nicht entdecken. Er sagt viele Worte, aber kaum etwas Konkretes. Dieser hilflose Versuch von Diplomatie ist kaum zu ertragen, also frage ich ihn ganz direkt, ob er dieses Artefakt ebenso begehrt wie Vespersinius. Seine Antwort kommt umgehend aber nicht überzeugend. Alles was er sich wünscht, ist diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Da wir nicht der Meinung sind, dass dieses Gespräch weiter irgendeinen Sinn ergibt, verabschieden wir uns. Höflich.
Mitten in der Diskussion über die nächsten Schritte der Expedition entdeckt jemand einen Vogel, der zielstrebig auf die Stern von Silz zuhält und über unseren Köpfen seine Kreise zieht. Niemand wäre von einer Möwe überrascht, doch dann landet eine Elster auf der Reling, die sich zu guter Letzt in eine Frau verwandelt, die splitternackt an Deck steht. Das muss die Zauberin sein, von der es heißt sie sei eine Gestaltwandlerin. Jemand wirft ihr schnell eine Jacke über die Schultern. Ihr Name ist Belasca Jannerloff. Sie sagt, Beorn bietet ein Bündnis an, um gemeinsam die zwei Magister zu überlisten. Ihrer Meinung nach begehren beide das Artefakt, einen alten Kelch der Elfen. Das Wrack sei komplett in Spinnennetze eingesponnen, und auch der Weg dorthin führt an vielen Nestern vorbei. Vespertilio, wie sie ihn nennt, ist Chimärologe und hat wie Gulmaktar an der Schule der variablen Form zu Mirham studiert. Dass die beiden sich kennen, wirft ein neues Licht auf die Angelegenheit. Warum arbeiten die zwei angesehenen Magister nicht zusammen?
Die erholsame Ruhe der Nacht sowie Shayas Pflege sorgen dafür, dass Volker und ich das Gift der Wolfsspinnen vollständig aus unseren Körpern verbannen können. Wir sind bereit für die Suche nach dem Kelch. Auf Phileassons Befehl gehen alle von Bord. Wir lassen die Stern von Silz ohne Mannschaft zurück, werden uns zu Fuß einen Weg bahnen. Schon bald treffen wir Gulmaktar am vereinbarten Ort. Er wird uns zum Wrack führen, geht ohne einen einzigen Begleiter. Den Rest seiner Mannschaft möchte er keinen weiteren Gefahren mehr aussetzen. Ist das wieder so eine diplomatische Aussage?
Zwei Tage in Richtung Südosten zu Fuß über, durch und im Tang liegen vor uns, begleitet vom unaufhörlichen Gestank von verwesendem Seegras sowie Schwärmen aufdringlicher Fliegen und Stechmücken. Auch eine Elster verfolgt uns, Beorns Truppe ist also wie erhofft hinter uns. Gegen Abend suchen wir Unterschlupf in einem der vielen Schiffswracks. Hier gibt es keinerlei Spinnennetze, aber wer weiß, welche Abscheulichkeiten die Sargassosee für uns bereit hält. Efferd's Stolz prangt gerade noch lesbar auf den morschen Planken. Doch nur sehen reicht mir nicht. Mit ein wenig arkaner Hilfe entdecke ich nicht nur Gulmaktars Begleiter, sondern auch einen an seinen Mantel gebunden Schutzdämon. Das Wrack selbst ist frei von Magie.
Die Nacht vergeht ohne Zwischenfälle, bis zur Wache von Eldgrimma und Volker. Sie entdecken ein kreisrundes Loch im Tang, das zuvor nicht da war. Wer weiß welche Kreaturen in der Dunkelheit dort hinaus kommen werden? Wir erspähen vier weitere Löcher, und eine erste Bewegung. Zwei armlange Scheren sind das erste was wir sehen, ein Art Riesenhummer, doch der Hinterleib hinterlässt eine schleimige Spur, die eines Morfu. Das muss eine weitere Schöpfung von Vespersinius sein. Ohne Zögern schießt Amrei einen Pfeil auf die Kreatur, die sich sofort in den Tang gräbt, um dort Schutz zu suchen. Mit einem zweiten erfolgreichen Treffer macht sie dem Scherenwurm den Garaus. Ein zweites Exemplar schleimt und zieht sich an der Bordwand nach oben. Mit einem Hieb trennt Pedder eine der Scheren ab, bekommt aber eine ganze Salve giftiger Hornsplitter des Tiers zu spüren. Unter Schmerzen schlägt er noch einmal zu, erleichtert die Kreatur auch von der zweiten Schere. Mit kühlender Salbe verschafft Shaya ihm Linderung für den Rest der Nacht.
Als wir am nächsten Morgen aufbrechen, sehen wir eine neue Sorte geflügelter Wesen in der Höhe, die uns beobachten. Gulmaktar bemerkt, dass es sich um Lederschwingen handelt. Noch eines von Vespersinius abartigen Monstern, eine Chimäre aus Mensch und Fledermaus. Es bedarf eines lebenden Menschen, um solch eine Kreatur zu erschaffen! Nicht nur der Kelch sollte unser Ziel sein, sondern auch die perversen Machenschaften dieses Magisters endgültig zu beenden!
Noch vor der Dämmerung erreichen wir unser Ziel. Dieses Schiffswrack ist tatsächlich vollkommen mit Spinnennetzen überzogen, ich konnte mir das bloß nicht vorstellen. Von Weitem sieht es aus, als wäre es mit weißer, funkelnder Farbe angemalt. Pedder kann die Bauart erahnen, aber einen solchen Typ hat er noch nie gesehen. Elfenschiffe sind wohl was Besonderes. Gulmaktar sagt, dass ein Spinnendämon im Schiff lebt und all die Spinnen kontrolliert. Unseren wackeren Kämpfern ist bei der Aussicht auf eine erneute Auseinandersetzung mit denen nicht das Herz in die Hose gerutscht wie mir. Aber richtig mulmig zumute wird mir, als sie ihre Taktik präsentieren, Attacke und sehen was kommt. Von Überraschung kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein.
Es ist bereits sehr mühsam, überhaupt an Deck zu gelangen. Netze wo man nur hin sieht. An vielen Stellen sind sie mit einem dickflüssigen Brei überzogen, der klebriger ist als jedes Harz, das ich kenne. Außerdem können ihnen Stahlwaffen kaum etwas anhaben. Sie sind fest wie Holz. Doch der Säbel aus dem Seeschlangenzahn erweist sich als außerordentlich effizient. Dann sind da auch noch all die Kreaturen, die uns angreifen. Eine neue Art ist die Speispinne. Sie ist kleiner als eine Wolfsspinne, dafür schneller und flinker. Sie speit einen zähflüssigen Klumpen, der an der Luft in wenigen Sekunden trocknet und extrem hart wird. Pedder ist der erste der damit Bekanntschaft macht. Die Masse trifft großflächig seine Schulter, und schon bald kann er den Arm nicht mehr bewegen. Nur mit großen Mühen und fremder Hilfe kann er sich davon befreien. Raluf stürmt beherzt auf eines der Tiere zu, verheddert sich jedoch in den Netzen, die wahllos über das Deck gespannt sind, und ist in ihnen gefangen. Rote Augen bewegen sich in den Schatten, eine Wolfsspinne nähert sich ihm, doch zum Glück ist Phileasson zur Stelle und bohrt ihr den Säbel tief in den Leib.
Nun sind wir an dem Punkt, wo so viele Dinge mehr oder weniger gleichzeitig passieren, auch ohne mein Wissen, und ich beim besten Willen nicht sagen kann, was wann in welcher Reihenfolge vor sich geht, was wie wichtig ist für die folgenden Ereignisse.
Während über das ganze Deck verteilt Kämpfe zwischen Menschen und Monstern wüten, wende ich einen Zauberspruch an, um mir einen Überblick zu verschaffen. Doch damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin von der Magie, die einfach überall ist, regelrecht geblendet und kann kaum etwas Konkretes ausmachen. Doch Vermis sagt, dass wir ins Heck müssen, tiefer nach unten in den Bauch des Schiffs. Aber der Weg dorthin ist alles andere als einfach. Dort kämpfen bereits Phileasson, Eldgrimma und auch der mittlerweile wieder befreite Raluf gegen immer mehr Spinnen.
Schließlich tauchen auch Beorn und Belasca auf. Seine Stimme schallt wie ein schlechtes Omen über das Deck. Amrei braucht länger als erhofft, bis sie sich einen Weg zu den beiden bahnen kann. Aber früh genug um zu sehen, wie Belasca sich in eine kleine Maus verwandelt, die in den Holzspalten verschwindet. Mitteilen kann sich Amrei leider nicht, ihre Warnung kommt bei niemandem rechtzeitig an.
Kapitän Phileasson macht den Eindruck, er sei heute unbesiegbar, und das liegt nicht nur am Säbel den er führt. Doch beim Anblick der Monstrosität des Spinnendämons muss auch er für einen kurzen Moment staunend innehalten. Der riesige Spinnenkörper hat keinen Kopf, dafür recken sich dutzende Tentakeln nach vorne und oben. Nicht nur die körperliche Präsenz dieser Bestie ist angsteinflößend, sondern auch dessen Stimme.
Erneut setze ich den Odem Arcanum-Zauber ein. Diesmal ist mein Blick deutlicher und differenzierter. Das Schiff selbst ist nur noch eine Art Hintergrundstrahlung, wirklich augenfällig sind der Dämon und ein Objekt tiefer unter Deck. Das muss der Kelch sein, aus dem der Dämon seine magischen Kräfte bezieht.
Die Prophezeiung bewahrheitet sich. Mit dem Säbel aus dem Zahn der Seeschlange fügt Phileasson dem Monster hässliche Wunden zu, aus denen grüner stinkender Schleim quillt. Anders als die übrigen Waffen. Ein mächtiger Hieb von Eldgrimmas Streitkolben, unter dem jeder menschliche Knochen in hunderte Trümmer zerbrechen würde, prallt einfach vom Körper des Dämon wieder ab. Der Rückstoß ist so heftig, dass sie ihre Waffe vor Schmerz im Arm fallen lässt. Immerhin kommt das Monster dadurch aus dem Gleichgewicht, was wiederum Phileasson hilft. So kämpfen beide gemeinsam gegen den Dämon, der Kapitän mit dem Säbel und Eldgrimma, indem sie sich immer wieder mit voller Wucht und Kraft gegen den Dämon wirft, um seine Balance zu stören. Dann holt Phileasson zum finalen Schlag aus. Tief stößt er den Säbel zwischen die Tentakeln. Mit einem Schrei aus tausend Kehlen, der durch Mark und Bein geht, bricht die Kreatur leblos zusammen.
Endlich gelingt es mir, den Raum mit dem Kelch zu erreichen. Der präsentiert auf dem Sims eines gemauerten Kamins. Doch nur einen Wimpernschlag später reckt Belasca das Artefakt triumphierend in die Höhe.
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