Der Ruf des Abenteuers

Für Diskussionen zur Mittelerde-Kampagen
Macalla
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Der Ruf des Abenteuers

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14.2.2023 Verfolgung in der Wildnis
Die Spur, die der Flüchtende hinterlassen hat, führt eindeutig nach Norden. Es ist nicht schwierig, sie wieder aufzunehmen und ihr zu folgen. Trotzdem fragen wir auch auf jedem Hof, den wir finden, ob die Bewohner Hinweise haben. Doch ohne Erfolg. Bei einem Gebäude sieht die Sache dagegen völlig anders aus. Zum einen weisen Fußabdrücke und platt getretene Gräser genau dorthin, zum anderen handelt es sich um den Hof von Carragons Familie. Nun sind wir aus anderen Gründen sehr aufmerksam.
Zugegeben, das Verhältnis zu meinen Eltern könnte auch besser sein, es ist aber auf jeden Fall besser als das, was ich hier beobachte. Zwei Hunde stürmen mit lautem Bellen auf uns zu, doch als sie Carragon wahrnehmen, begrüßen sie ihn mit offensichtlich großer spielerischer Freude. Ganz anders als die groß gewachsene Frau, die mit verschränkten Armen vor dem Haus steht. „Hallo Frau Mutter“ ist alles, was Carragon zustande bringt. „Lässt Du Dich auch mal wieder zu Hause blicken?“ Eine dermaßen emotionslose Begrüßung hatte ich nicht erwartet. Keine Umarmungen, keine herzlichen Küsse oder anderen Rituale. Schließlich ist es die Schwester Corren, die das Eis bricht und uns hinein bittet. Ihr Ehemann Gerwulf hält sich vornehm zurück, Mutter Brytta beobachtet die Szene mit Distanz. Zur Begrüßung werden leckere Dinge aufgetischt, der berühmte Honigkuchen der Beorninger, dazu frische Erdbeeren und Sahne. Die Menschen im Tal wissen, wie man sich und anderen das Leben versüßt!
Bryttas Laune wird auch im Laufe des Abends nicht besser. Für gewährte Gastfreundschaft erwartet sie eine Gegenleistung, dass wir uns im Haushalt nützlich machen, was wir auch bereitwillig tun. Eitri hackt Holz, Merwyn kümmert sich um die Tiere, ich nehme den Besen in die Hand und Tarannon kommt mit erlegtem Geflügel zurück. Als wir später gemeinsam am Feuer sitzen und von unseren Abenteuern im Düsterwald und auf dem Hohen Pass erzählen, zieht sich Brytta demonstrativ zurück. Wir erfahren, warum sie so verbittert ist. Uns ist längst aufgefallen, dass in diesem Haus kein Vater anwesend ist. Der hatte als Abenteurer zu oft die Familie alleine gelassen und kehrte irgendwann nicht mehr zurück. Nur einige Schwerter, die noch immer an der Wand hängen, sind übrig geblieben.
Am kommenden Morgen erzählt Brytta, dass tatsächlich ein Fremder hier war. Jemand der noch Manieren hatte, was sie in aller Deutlichkeit erwähnt. Er nannte sich Turin, die Beschreibung passt. Gerwulf ergänzt, dass der ihm bereits vor langer Zeit in Steinfurt aufgefallen war. Nach einem guten Frühstück setzen wir unsere Suche fort. Nicht nur ich bin froh, dieses Haus zu verlassen.
Noch am gleichen Tag erreichen wir Steinfurt. Wir hatten bisher nur einzelne Höfe im Tal gesehen, das hier ist dagegen die erste größere Siedlung. Sie ist von einer Palisade umgeben, die sechs Langhäuser einschließt in denen etwa fünfzig Menschen leben. Es ist die letzte Ortschaft, die man noch zum Einflussbereich der Beorninger zählen kann bevor weiter nördlich das Land der Viglundinger beginnt. Drei Personen kommen zielstrebig auf uns zu, eine Frau in Begleitung eines älteren Mannes sowie eines Bewaffneten. Carragon übernimmt wie selbstverständlich die Begrüßung, „Carragon von Bryttas Hof und im Auftrag von Beorn“. Dabei wendet er, nicht nur zu meiner großen Überraschung, Magie an. Er wirkt plötzlich größer und beeindruckender, seine Stimme dröhnt tiefer und durchdringender, insgesamt wird seine Gestalt der von Beorn ähnlich. Er steckt voller Überraschungen. Doch der Auftritt wäre nicht nötig gewesen. Ava heißt uns willkommen und zeigt dabei keinerlei Anzeichen von Feindseligkeit, nur gesunde Skepsis. Nachdem Carragon sich und uns vorgestellt sowie unser Anliegen vorgetragen hat, bittet sie uns in ihr Haus. Der ältere Mann, ihr Vater Hartwulf, sowie Willifert der Bewaffnete halten sich zurück während sie redet. Sie ist so etwas wie die Bürgermeisterin, sie spricht für den Ort. Die Unterhaltung ist ungezwungen, sie dreht sich hauptsächlich um unseren Auftrag und Ava ist erleichtert, dass sich jemand um die Sache kümmert. Dabei erfahren wir Neuigkeiten. Der Name des Flüchtenden ist Oderic, er ist Fallensteller und Jäger wie sein Stiefvater Helmgut. Im Streit soll er Rathic, den Ehemann seiner Stiefschwester Brunhilde erschlagen haben. Oderic war vor drei Tagen hier und ist dann am Westufer in der Wildnis verschwunden. Unsere Suche kann also weiter gehen.
Merwyn ist wesentlich neugieriger als wir. Oder ist es weibliche Intuition? Sie geht zu Helmguts Haus. Die Tür ist zwar geschlossen aber nicht verriegelt, also eine Gelegenheit, hinein zu schleichen. Es ist beinahe totenstill, nur ein Schnarchen ist zu hören. Es stammt von einem Mann, der in der Stube liegt, offensichtlich sturzbetrunken. Der Geruch nach Alkohol und der am Boden liegende leere Krug lassen nichts anderes vermuten. Das muss Helmgut sein. Wer kann es ihm verdenken nach so einer Tragödie. Wieder draußen schaut Merwyn sich unauffällig um und wartet auf Brunhilde, die bald darauf zurück kehrt. Das Gespräch der beiden ist unterkühlt und Brunhilde sehr zurückhaltend, fast so als hätte sie etwas zu verbergen. Was tatsächlich auch der Fall ist. Merwyn kann ihr zwar keine Beweise entlocken, doch sie ist davon überzeugt, dass Brunhilde dem Flüchtenden geholfen hat. In dieser Familie gibt es viel Unausgesprochenes. Ob dort jemals wieder Frieden einkehrt?
Da es am Westufer keine Wege gibt, lassen wir die Ponys zurück. Nachdem der Fischer Feric uns abgesetzt hat beginnt erneut die Spurensuche. Der Waldläufer kann die Wildnis lesen wie sonst keiner. Er bemerkt, dass die Stiefelabdrücke sich geändert haben. Das bestätigt Merwyns Verdacht. Diesmal hat sich Oderic allerdings nach Süden gewandt. Manchmal können wir Wildwechseln folgen, doch die meiste Zeit gehen wir querfeldein und kommen dabei den Bergen immer näher. Nach drei Tagen erreichen wir eine Stelle, die Spuren von mehreren Personen aufweist. Hier muss es eine Auseinandersetzung gegeben haben, das Bruchstück eines Schildes weist darauf hin. Zum Glück kein Orkschild. Oderic scheint sich kurz gewehrt zu haben, wurde aber anscheinend schnell überwältigt. Kein vertrocknetes Blut ist auf dem Waldboden zu sehen.
Ab hier ist es kein Problem der Fährte zu folgen. Schon bald treffen wir auf eine Patrouille von vier Bewaffneten. Ihr Anführer Auric grüßt uns zwar, ist aber alles andere als freundlich. Dabei liegen seine Hände und die seiner Begleiter demonstrativ auf den Waffen. Da wir es nicht auf eine Auseinandersetzung angelegt haben folgen wir ihnen. Bald erreichen wir ein gut verstecktes Lager mitten im Wald. Etwa drei Dutzend Personen leben hier zwischen großen und kleinen Zelten sowie einer zentralen Feuerstelle, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Aus dem größten Zelt kommt uns ein großer bereits etwas älterer Mann mit grauem Bart entgegen, Valgorn der Anführer. Ohne Umschweife kommen wir auf den Punkt, dass wir Oderic suchen. Der stehe jetzt unter seinem Schutz, meint dagegen Valgorn. Als er seinen Namen hört, kommt auch der Gesuchte aus dem großen Zelt. Demonstrativ legt ihm der Anführer den Arm auf die Schulter. Valgorns Worte sind scheinheilig. Er sagt zwar, dass wir seine Gäste sind, meint aber Gefangene. Mir gefällt die Sache ganz und gar nicht. Schneller als er reagieren kann könnte ich ihn mit einem Pfeil spicken. Doch die anderen deuten mir, mich ruhig zu verhalten. Spielen wir also fürs Erste mit.
Als das große Feuer lodert nutzt Tarannon die Gelegenheit für einen Test. Im Schein der Flammen stimmt er ein Lied an, singt auf Sindarin ein Lied über das Leben der Dúnedain. Aufmerksam hört Valgorn zu. Es ist nicht die Stimme des Waldläufers die ihn fasziniert. Es sind die Worte, die Sprache und die Geschichten. Es ist so, wie Tarannon vermutet hatte. Dieser Mann ist oder war einst mit den Dúnedain verbunden. Merwyn holt ihr Zwergenspielzeug hervor. Die mechanischen Wildgänse verfehlen nicht ihre Wirkung. Schnell kommt sie den Kindern näher. Die meisten von ihnen stammen aus dem Westen jenseits der Berge oder aus dem Süden. Fast immer war es so, dass Valgorn und seine Leute die Häuser und Siedlungen überfielen und beraubten, jeden der sich wehrt umbrachten sowie Frauen und Kinder als Beute mitnahmen. Ich schleiche mich in der Dunkelheit hinter das große Zelt und lausche. Die Stimme des Anführers ist unverkennbar. Ich hatte mit dem gerechnet, was ich da höre. Doch die Deutlichkeit der Worte erschrecken mich trotzdem. Er sei für Höheres geboren, sagt er. Er sei zum Herrscher, zum König bestimmt, sagt er. Er werde bald den Fluss überqueren und nehmen was ihm zusteht, sagt er. Solange sind wir seine Gefangenen, sagt er. Schurken! Verbrecher! Mörder! Ich muss mich zurückhalten.
Die Nacht ist alles andere als ruhig und erholsam. Nicht wegen eines Zwischenfalls im Lager. Schlimmer! In unseren Träumen versucht der Schatten auf uns einzuwirken. Er flüstert uns Dinge ein, die unsere tiefsten Begehren wecken sollen. Tarannon sei ein mächtiger Mann, auserwählt um Untergebene, Heere, ja sogar ein Königreich zu lenken und zu führen. Merwyn erinnert sich dagegen an etwas völlig anderes, dass sie sich nicht so sehr um das Schicksal Anderer kümmern und stattdessen egoistischer handeln solle. Ich sehe in meinen Träumen Schätze und Reichtümer die auf mich warten, wenn ich mich Valgorn anschließe. Nur Carragon kann widerstehen. Wir sind allesamt davon überzeugt, dass irgendein verfluchter Gegenstand wie Belgos Anhänger dafür verantwortlich ist. Den müssen wir unbedingt finden und den Schatten entlarven.
Auf Zeit spielen, unsere Bewacher ablenken, herausfinden wie sie reagieren und möglichst viele Informationen zusammen tragen, das ist unsere Devise. Der erste, der damit beginnt, ist Tarannon. Bewaffnet mit Pfeil und Bogen geht er auf die Jagd und wird dabei von Valgorn begleitet. Auric will den beiden folgen, doch Carragon hält ihn davon ab. Unterdessen redet Merwyn weiter auf Oderic ein, versucht ihn zu überzeugen, dass es ein Fehler ist, sich diesen Gesetzlosen anzuschließen. Ihre Worte bewirken etwas in ihm. Sie erfährt, dass Valgorn Steinfurt einnehmen will und Oderic Boote beschaffen soll. Und noch wichtiger, das schlechte Gewissen beginnt bereits an ihm zu nagen. Ich nutze die Gelegenheit, dem großen Zelt einen weiteren Besuch abzustatten. Zwischen zwei Schlafplätzen entdecke ich eine eisenbeschlagene Truhe, deren Schloss schnell geknackt ist. Vorsichtig öffne ich den Lederbeutel, den ich darin finde und schütte den Inhalt auf den Boden. Das Entsetzen packt mich als ein mumifizierter Schädel mit Haut und Haaren über den Boden kullert. Und dann öffnet dieses Ding auch noch die Augen und grinst mich an. Das ist zu viel für mich und ich flüchte ins Freie.
Gerade außer Sicht- und Rufreichweite des Lagers zeigt Valgorn sein wahres Gesicht. Mit angelegtem Bogen bedroht er plötzlich Tarannon. Dabei faselt er davon, dass er sich von seiner Sippe ausgestoßen und um sein Erbrecht betrogen fühlt, das er sich aber bald selbst verdienen wird. Und schießt tatsächlich auf Tarannon. Doch der Pfeil streift nur die Rüstung. Mit gezogenem Schwert kommt er auf ihn zu. Unser Waldläufer flüchtet und lockt ihn somit weiter vom Lager weg. Mit jedem Schritt wird Valgorn langsamer. Er hat keine Chance den flinken Tarannon einzuholen.
Wild gestikulierend und kaum in der Lage einen ganzen Satz zu sprechen komme ich zu Carragon und Merwyn. Es dauert einen Moment bis die beiden mich einigermaßen beruhigen können und ich ihnen erzählen kann, was ich entdeckt habe. Ohne zu zögern stürmen sie auf das große Zelt zu. Auric versucht sie aufzuhalten, aber Oderic hält ihn zurück. Carragon handelt sofort. Mit seiner Axt hackt er den Schädel in Stücke und verbrennt die Reste im Feuer. Mittlerweile haben sich auch die anderen Bewohner des Lagers versammelt. Auric hat längst die Kontrolle über sie verloren. Mit Entsetzen beobachten sie, was vor sich geht. Da taucht plötzlich Tarannon am Rand des Lagers auf. Mit Gesten fordert er uns auf, schnell unsere Sachen zusammen zu packen und ihm zu folgen. So schnell wie die Füße uns tragen flüchten wir hinab ins Tal. Gemeinsam mit Oderic.
Macalla
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28.2.2023 Kampf um Steinfurt
In der Nähe des Lagers können wir noch einem Pfad folgen. Aber der endet bald. Ein Bachlauf gibt nun den Weg vor. Doch dessen Wasser stürzen sich irgendwann über eine Abbruchkante 30 Meter in die Tiefe. Unsere Flucht endet fürs Erste abrupt. Mit Hilfe eines Seils gelingt der schwierige Abstieg bevor die Verfolger uns einholen können. Allerdings müssen wir das Seil zurück lassen. Ganze zwei Stunden lang geht es immer nur abwärts, mal durch lichten Wald, mal durch dichtes Unterholz, mal über offene Lichtungen. Schließlich erreichen wir den Talboden, müssen uns ab hier aber immer wieder durch sumpfige Bereiche, tiefes stehendes Wasser und hohes Schilfgras kämpfen. Zuerst hören wir ihn rauschen, dann sehen wir den Anduin in der Sonne glitzern.
Wir haben keine Zeit, um ein ordentliches Floss zu bauen. Stattdessen versuchen wir zwei Baumstämme zusammen zu binden. An denen wollen wir uns festhalten, während die Strömung Holz und Menschen flussabwärts trägt. Die Arbeit ist mühsam und langwierig und gibt unseren Verfolgern die Möglichkeit, aufzuholen. Was ihnen auch gelingt. Zufällig, aus dem Augenwinkel entdeckt Merwyn einen von ihnen. Noch bevor sie irgendetwas unternehmen oder gar rufen kann wird sie beschossen, doch der Pfeil landet im Wasser. Auch sie zückt umgehend ihren Bogen, hält uns den Rücken frei und verschafft uns Zeit. Sie verfehlt zwar ebenfalls das Ziel, doch der Angreifer muss sich erst einmal zurück ziehen.
Auf vielen verschiedenen Booten und Flössen bin ich bereits über den Langen See gefahren, doch das hier ist mit Abstand das abenteuerlichste und waghalsigste Gefährt, mit dem ich je Wasser überquert habe. Not macht eben erfinderisch, und es musste schnell gehen. Mit letzter Kraft schieben wir unser provisorisches Floss auf den Fluss hinaus. Merwyn deckt uns sowie ihren eigenen Rückzug, indem sie einen Pfeil nach dem anderen von der Sehne schnellen lässt. Sie möchte schließlich auch einen Platz für die wilde Fahrt auf dem Fluss ergattern. Sie schießt so schnell, dass selbst die Bardinger aus Esgaroth vor Neid erblassen würden. Das ist auch unbedingt nötig, denn mittlerweile haben zwei weitere Verfolger aufgeschlossen. Wir kommen nur langsam damit voran, die schweren Baumstämme in Richtung Flussmitte durchs Wasser zu schieben. Schon bald fliegen Pfeile in unsere Richtung gefolgt von Gebrüll und Schreien vom Ufer. Als wir endlich von der schnellen Strömung erfasst werden, wird der Abstand zu unseren Verfolgern endlich größer und wir sind außer Reichweite ihrer Bögen. Aber offensichtlich nicht schnell genug. Alle sind vollkommen außer Atem und schnappen nach Luft. Nur von Oderic hört man ein Stöhnen. Er kann sich gerade eben an Holz und Seilen festklammern. In seinem Rücken steckt ein Pfeil. Merwyn tut was sie kann um ihm zu helfen und ihn davor zu bewahren, in sein kaltes Grab hinab zu gleiten. Wir strampeln und paddeln so gut und so schnell wir können durch das eiskalte Wasser, ignorieren dabei die brennenden Muskeln in den Beinen.
Der Carrock ist bereits in Sichtweite als wir endlich das andere Flussufer erreichen. Oderics Wunde sieht schlimm aus, immer wieder verliert er das Bewusstsein. Carragon versorgt die Verletzung so gut er kann. Es gibt nur einen Ort, wo er vielleicht überleben kann, und das ist Beorns Haus. Wir bauen eine Trage und marschieren in zügigem Schritt, für den Rest des Tages und durch die kommende Nacht. Merwyn bildet allein die Vorhut und eilt mit Nachricht voraus. Am nächsten Morgen ist die Sonne bereits wieder aufgegangen und Beorns Haus noch weit, da weckt ein aufdringliches Wiehern ihre Aufmerksamkeit. Ein großes stattliches Ross reckt die Vorderläufe in die Höhe. Magisch angezogen nähert sie sich ohne Angst dem prächtigen Tier, berührt es sachte, streicht ihm freundlich über das Fell und flüstert die beruhigenden Worte, die sie von den Flusselben gelernt hat. An diesem Tag reitet Merwyn aus Rohan schnell wie der Wind und überglücklich der aufgehenden Sonne entgegen.
Kurze Zeit später erhalten wir Unterstützung. Ennalda und einige Beorninger helfen uns mit der Trage, die von Stunde zu Stunde immer schwerer wurde. Kaum haben wir Beorns Haus erreicht müssen wir uns beratschlagen. Dabei hatte ich von einer ausgedehnten Rast sowie Erholung geträumt, besonders aber von Honigkuchen. Der muss erst einmal warten. Schnell sind wir einer Meinung, dass Valgorn seinen Plan umgehend in die Tat umsetzen und Steinfurt attackieren wird. Eile ist geboten. Die Menschen dort sind nicht in der Lage, sich und ihre kleine Siedlung zu verteidigen. Trotz Palisade. Auch Beorn kann mit Tieren sprechen. Er flüstert einem Pferd etwas ins Ohr und sofort galoppiert es nach Norden, um eine Warnung zu überbringen. Wir brechen ebenfalls auf, zusammen mit den mittlerweile eingetroffenen Beorningern sowie Ennalda als deren Anführerin. Nur der große Hautwechsler macht sich alleine auf den Weg.
Auch ich darf endlich reiten, ebenso wie meine Kameraden. Allerdings ohne Sattel und Zaumzeug. Es hat keinerlei Ähnlichkeiten mit Boot fahren, ist dafür aber um so wackeliger. Beorns Gefolgsleute gehen dagegen zu Fuß. Es ist ein langer Marsch, der eine weitere Nacht ohne Schlaf mit sich bringt. Mit der ersten Morgendämmerung erreichen wir Steinfurt. Dichter Nebel vom Fluss schränkt die Sicht ein. Jeder sucht sich einen Platz zur Verteidigung. Wir warten auf zwei Dinge. Zum einen, dass die Sonne aufgeht und die dunstigen Schleier vertreibt. Zum anderen auf den Angriff von Valgorn und seinen Banditen. Die werden mit großer Wahrscheinlichkeit vom Fluss her kommen, denn dort gibt es keine Palisade, nur einen Steg und viele Meter matschiges, dicht bewachsenes Ufer. Von dort kann man bereits gedämpft Ruderschläge und Stimmen hören, als schließlich das erste Floss anlegt und die Angreifer an Land stürmen. Pfeile fliegen in allen Richtungen durch den Nebel, ohne Schaden anzurichten. Ich halte mich zurück, bis die Sicht besser wird. Offensichtlich zu lange. Ein Pfeil schlägt in den Türrahmen der Scheune ein, in der ich Deckung suche. Ich schieße besser. Der Schütze hätte sich verstecken sollen. Mit einem gezielten Schuss strecke ich ihn nieder.
Nachdem die ersten Salven von Pfeilen abgeschossen wurden rücken die Angreifer vor und der Nahkampf beginnt. Klingen werden gezückt, Äxte wirbeln durch die Luft, Speere werden drohend erhoben. Einer der Angreifer ist ein Hüne, der sein Gesicht unter einem Helm versteckt. Alle halten ihn für Valgorn. Tarannon stellt sich ihm in den Weg, muss dafür aber bezahlen. Mit dem Speer hat sein Gegner eine wesentlich größere Reichweite und verletzt ihn. Dafür weiß er nun, dass es sich um Auric handelt. Im Duell Auge um Auge sind die Beorninger wackere Kämpfer, doch mit Strategie und Taktik in Gefechten haben sie offensichtlich keine Erfahrung. Ich aber auch nicht. Und die Einwohner erst recht nicht. Trotzdem gelingt es uns, die Eindringlinge aufzuhalten. Daran kann auch die zweite Welle, die von einem weiteren Floss an Land stürmt, nichts ändern. Carragons Schlachtruf verfehlt nicht seine Wirkung. Davon angestachelt stürzt sich Tarannon trotz blutender Wunde erneut auf den Behelmten und schaltet ihn mit schnellen Schwerthieben aus.
Das Blatt scheint sich zu wenden als wir Rufe vom Tor hören. Niemand hat in der Hektik dran gedacht, es zu schließen! Sechs weitere Kämpfer attackieren dort, unter ihnen diesmal auch der echte Valgorn. Jemand schleudert eine brennende Fackel und setzt eines der Dächer in Brand. Umgehend rennt Merwyn zum Tor und stürzt sich in den Kampf mit dem Anführer. Doch der ist gut gerüstet. Da entdeckt sie draußen vor der Palisade das wild schnaubende und wiehernde Ross, das sie getragen hatte. Sie sprintet zu dem Tier. Ennalda hat verstanden und hält ihr den Rücken frei. Ich bin offensichtlich zu unaufmerksam bei der Suche nach weiteren Zielen. Plötzlich steht mir ein Mann mit einem Speer gegenüber, der sich in die Scheune geschlichen hatte. Sofort lasse ich den Bogen fallen und zücke meinen Dolch. Seinem Angriff kann ich geschickt ausweichen. Mit der Klinge bin ich kaum geübt, zerreiße lediglich seine Kleidung.
Mit dem Aufgang der Sonne wendet sich das Blatt abermals, dieses Mal zu unseren Gunsten. Licht und Wärme vertreiben endgültig den Nebel und die Beorninger geraten in einen Wutrausch. Valgorn hat den Zorn der Leofringa geweckt. Nicht nur mit ihrem Speer, sondern auch mit schmähenden Worten attackiert sie den Anführer. Ennalda und andere Beorninger unterstützen sie nach Leibeskräften. Doch Valgorn zeigt sich unbeeindruckt. Auch als sie im Galopp auf ihn zu reitet fällt es ihm nicht schwer, auszuweichen. Die Situation ändert sich schlagartig, als man lautes Brüllen vom Ufer hört. Ein großer schwarzer Bär wütet fürchterlich unter den hilflosen Angreifern. Er bewegt sich schnell und geschickt wie ein Elb, gleichzeitig mit der Kraft des Raubtiers. Bei dessen Anblick flüchten fast alle Eindringlinge. Nicht aber Valgorn und die Männer in seiner Nähe. Doch die geraten mehr und mehr in die Defensive. Erneut greift Merwyn mit dem Speer von hohem Ross aus an. Der Anführer taumelt, kann sich aber auf den Beinen halten. Ein letztes mal galoppiert Merwyn auf ihn zu. Zur Abwehr hebt Valgorn seinen Schwertarm und öffnet damit seine Deckung. In die Achsel lenkt die Leofringa den Stoß ihrer Waffe. Valgorn fällt, seine verbliebenen Männer strecken die Waffen, der Kampf ist vorüber.
Das brennende Dach ist schnell gelöscht. Die Einwohner haben leider größere Verluste als das zu beklagen. Drei von ihnen sind bei der Verteidigung ums Leben gekommen. Es gibt viele Verletzte zu versorgen, unter ihnen auch Tarannon. Zum Glück haben wir Carragon den Schwarzen und seine heilenden Hände. Die sind immer wieder erstaunlich. Anschließend plündern wir Valgorn und seine Männer, die lebenden und die toten. Die haben erstaunlich viele Münzen und Beutestücke dabei. Wollten sie sich etwa umgehend in ihrer Eroberung niederlassen? Bei der Behandlung der Wunden des Anführers entdeckt Carragon dessen Kettenhemd, eine hervorragende Arbeit aus Zwergenstahl. Ich finde ein Diadem, das ich auf Anhieb für elbisch halte, so filigran ist es gefertigt. Die Aufteilung der Beute ist unproblematisch. Die beiden besonderen Stücke sowie die Münzen sind für die Einheimischen kaum von Interesse. Aber Waffen und alle anderen Gegenstände aus Eisen und Stahl dagegen umso mehr. Die können sie bei der Jagd und der täglichen Arbeit gebrauchen oder in der Schmiede weiterverarbeiten.
Das Verhör von Valgorn ist ergebnislos und dementsprechend kurz. Keine Erklärung, was es mit dem mumifizierten Schädel auf sich hat. Der muss sein Herz seit Jahren vergiftet haben, anders kann sich niemand sein Handeln und seine Worte erklären. Und dann habe ich nur noch die Scheune im Kopf, mit ihrem weichen Stroh, in dem man so wunderbar schlafen kann. Drei Tage und zwei Nächte lang sind wir auf den Beinen. Die Müdigkeit kommt plötzlich und überwältigend, ich kann und möchte auch gar nicht widerstehen. Während ich mich meinen Träumen hingebe wird in Steinfurt Recht gesprochen, Valgorn und seine Männer werden verbannt. Die Frauen und Kinder aus ihrem Lager dürfen sich im Tal niederlassen. Oderic darf bleiben, steht aber für Rathics Tod bei Brunhilde in der Schuld und muss diese abarbeiten.
Ein ganz besonderes Geschenk erhält Merwyn. Beorn, der am nächsten Morgen zurückkehrt, spricht mit Haruf dem Pferd, das die Leofringa so bereitwillig trug. Es sieht aus, als würden die beiden sich unterhalten. Es ist wohl die Entscheidung des Vierbeiners, als Begleiter und Gefährte bei ihr bleiben zu wollen.
Bald ist Mittsommer.
Macalla
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14.3.2023 Yule
Dieses ist das beste Mittsommerfest aller Zeiten! Jeden Tag Musik, Gesang und Tanz. So ist es auch in Esgaroth. Jeden Tag bestes Essen und Getränke. Auch das gibt es in Esgaroth, nur mit dem Unterschied, dass ich in der Heimat für jeden Schluck und jeden Bissen bezahlen muss. Und hier? Es gibt ein großes Zelt, wo ich mir nehmen kann was ich möchte. Der Begriff der Gemeinschaft hat bei den Beorningern eine ganz andere, eine intensivere Bedeutung als in der Stadt. Die Verteidigung von Steinfurt sowie die anderen Abenteuer im Tal des Anduin haben uns zu einem Teil dieser Gemeinschaft gemacht. Und berühmt! Selbst mir entgeht nicht, wie die Besucher uns anschauen, über uns reden und tuscheln, wie sie auf uns zeigen und uns ansprechen. In diesen vier Tagen lerne ich mehr Leute und ihre Namen kennen, als ich mir merken kann. Außerdem ist dieses Fest ein großer Markt, wo Menschen und Zwerge ihre Waren und Dienste sowie ihre Kenntnisse anbieten. So erfahren wir von Loni dem Zwerg, dass das Kettenhemd aus Zwergenstahl eine echte Kostbarkeit ist, ein unbezahlbares Erbstück aus der Graubinge. Nachfahre des ehemaligen Besitzers und heutiger Anführer der Sippe ist Frár der Bartlose. Eirti hat keine bessere Idee, als das Stück zurückzugeben zu wollen anstatt es zu verkaufen. Dann soll es eben so sein.
Die letzten Monate waren anstrengend. Für den Körper und den Geist. Die äußeren Wunden verheilen schnell, doch um den Kopf wieder frei zu bekommen, da ist Zeit die beste Medizin. Jeder von uns geht seiner Wege und tut das, was als das Beste erscheint. Ich kehre zurück nach Esgaroth und Thal. Auch um, wie versprochen, den Händler Balgor und seinen Sohn Belgo zu begleiten. Doch viel wichtiger ist, dass wir unserem Auftraggeber Herr Gloin Bericht erstatten. Unser erstes Treffen nach langer Zeit soll an einem wichtigen Termin stattfinden, der mit unserem Auftrag zu tun hatte, dem Jahrestag der Schlacht der Fünf Heere am 25. November.
Die Tage in der Heimat sind ein Quell der Erholung. Verletzungen habe ich keine davon getragen, doch ich spüre die Erschöpfung, besonders die des Geistes. Und wenn ich in Zukunft weiter Abenteuer erleben und vor allem überleben will, dann muss ich mich darum kümmern. Das fällt mir nicht schwer. Wir erfahren auch mehr Einzelheiten zu dem Kettenhemd. Es ist alt, sehr alt, es stammt aus dem Ersten Zeitalter! Niemand sollte es tragen, denn es ist verflucht. Es heißt, das Heim des Trägers werde das gleiche Schicksal erleiden wie die Graubinge. Das möchte niemand. Also ist es in der Tat das Beste, es zurück zu geben. Das Diadem ist tatsächlich elbisch und zum Glück nicht mit einem Fluch belegt. Es stammt aus Eregion und verhilft dem Träger zu besonderem Glanz im Auftreten. Es gelingt uns ebenfalls einen Zwergenschmied zu finden, der die zerbrochene Axt Wolfbeißer reparieren kann. Zu guter Letzt können wir auch noch etwas über den mumifizierten Schädel in Erfahrung bringen. Er war nicht der Ursprung des Bösen, das Valgorn vergiftet hat. Er war nur ein Medium, durch das ein böser Geist gewirkt hat. Der Schädel ist zerstört, doch der Geist, der nicht weit entfernt gewesen sein kann, ist noch da. Diese Information könnte Beorn interessieren.
Und dann ist es endlich soweit. Menschen und Zwerge, Elben und selbst Adler sowie Gandalf der Zauberer kommen nach Thal, um das Ende von Smaug und den Sieg über die Orks zu feiern, aber auch um der Gefallenen zu gedenken. Zusätzlich hat König Bard den Rat des Nordens einberufen. Noch nie habe ich so viele Besucher an einem Ort erlebt, die Stadt platzt beinahe aus allen Nähten. Noch mehr Gesichter und Namen als am Carrock. Die größte Faszination üben auf mich wie immer die Elben aus, obwohl es kaum möglich ist, sich mit ihnen zu unterhalten. Sie finden einfach keinen Gefallen daran, abends in einer Schenke ein bisschen Spaß zu haben oder sonstigen Vergnügungen nachzugehen. Doch schließlich läuft mir ein bekanntes Gesicht über den Weg. Eine Elbin, die ausgesprochen freundlich ist und sich noch dazu an mein Gesicht erinnern kann. Es ist Firiel, die wir am Ufer des Celduin trafen bei der Suche nach Balin und Oin. Sie gehört zum Gefolge ihres Königs Thranduil. Ich kann sie zwar nicht zu einem Besuch in einem Gasthaus überreden, doch wir genießen die Zeit, die wir zusammen verbringen können. Leider hat sie auch schlechte Nachrichten. Die Jagd auf den Eber im Düsterwald blieb nicht unbemerkt. Sie glaubt mir, dass ich das verhindern wollte aber nicht konnte. Doch die Schuld bleibt bestehen. Aber gleichzeitig bietet sie uns die Möglichkeit, die Sache wieder gut zu machen. Am zweiten Neumond sollen wir uns bei Thranduils Hallen einfinden, um die Dame Irimë zum Hohen Pass zu begleiten. Diese Aufgabe können weder ich noch meine Begleiter ablehnen.
Macalla
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28.3.2023 Irimë
Bereits die erste Begegnung mit der Dame Irimë ist... anders. Nicht in Thraduils Hallen ist sie untergebracht, sondern in einem großen Zelt draußen unter den Bäumen. Dort begrüßt uns zunächst kein Geringerer als Legolas, der Sohn des Elbenkönigs. Aus dem Zelt tritt eine große schlanke Person, der Körper von einem strahlend weißen, merkwürdig schimmernden Kleid umhüllt, das Gesicht hinter einem Schleier verborgen, aus der Familie von Gil-Galad, einem der letzten Hochkönige der Elben aus dem Ersten Zeitalter. Diese Person ist einfach nur geheimnisvoll, in allen Facetten ihrer Existenz. Obwohl bereits der Abend dämmert, brechen wir auf. Sie reist ohne viel Gepäck, wird begleitet von Legolas, Firiel und Galion sowie drei weiteren Elben. Es heißt, Elben haben ein besonderes Verhältnis zum Licht und können auch in der Dunkelheit sehen. Daher nehme ich an, dass die Lampen, die sie mit sich führen, hauptsächlich für uns bestimmt sind. Das gilt auch für Rast und Pausen, die machen sie nur wegen uns Menschen.
Die Erfahrungen dieser Reise auf dem Elbenpfad sind ganz andere als im letzten Jahr. Ich habe völlig das Zeitgefühl verloren, bin nicht in der Lage zu sagen, wie lange wir unterwegs sind, Tage oder Wochen. Die Elben scheinen den Wald zu kontrollieren, als gehorche er ihrem Willen, er wirkt auch längst nicht so bedrückend, strahlt seine Kraft und Macht auf eine schon fast freundliche Art und Weise aus. Er ist offensichtlich mehr als ihre Heimat, sie sind ein Teil von ihm, sie sind auf eine geheimnisvolle Art miteinander verbunden. Die Stimmung ist ruhig. Ein bisschen zu ruhig für mich. Ich ziehe die Flöte aus der Tasche und beginne die Melodie von Merwyns Lied zu spielen. Die Kameraden stimmen ein, gutmütig beobachtet von unseren Begleitern. In der ungewöhnlich entspannten Atmosphäre fällt kaum jemandem auf, dass wir irgendwann, ganz unmerklich, den Elbenpfad verlassen. Erst als Irimë beim Anblick von riesigen Spinnweben laut seufzt, kommen wir wieder zu uns. „Als das noch der Große Grünwald war, haben wir uns an diesem Ort, einer Halle unter Bäumen getroffen, gesungen und getanzt.“ Diese Frau muss sehr alt sein. Wir marschieren nun südlich des Pfades, direkt auf die Alte Furt zu, und lassen die Berge des Düsterwalds links liegen. Rauchsäulen wecken die Aufmerksamkeit der Elben. Nach einem Wink von Legolas kundschaften Firiel und Galion die Lage aus. Sie bringen keine guten Nachrichten. Mehr als einhundert Orks haben sich am Fuß der Berge versammelt. Das ist eine kleine Armee, die ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt. Darum müssen sich die Elben kümmern. Sie verlassen uns, nur Irimë bleibt. Wir gehen weiter bis die Dunkelheit uns zur Rast zwingt. In dieser Situation Lampen zu entzünden wäre töricht, ein Feuer in ihrer Gegenwart absolut undenkbar. Was dann passiert, das kann man nicht erklären, das kann nur Magie sein. Erst leise beginnt Irimë zu summen, dann etwas lauter zu singen und wiegt uns damit in einen tiefen Schlaf voller süßer Träume. Und wir erwachen am Rand des Waldes, während die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume dringen und sie in aller Ruhe Frühstück vorbereitet. Eine elbische Zauberin, im Ersten Zeitalter geboren, reist mit vier Menschen und einem Zwerg. Sehr ungewöhnlich. Mein Herz pocht vor Freude, als wir das weite Tal des Anduin erreichen, im Hintergrund das mächtige Nebelgebirge unter einem frischen, kühlen Frühlingshimmel. Auf dem Weg durch die Wiesen hört Merwyn ein vertrautes Geräusch, das Wiehern von Haruf, der sie fortan begleitet. Die Furt hat sich verändert. Der Wasserspiegel ist angestiegen aufgrund der einsetzenden Schneeschmelze. Trotz aller Geschicklichkeit bekommt jeder zumindest nasse Füße, selbst auf Harufs Rücken. Und dann gibt es nur noch eine Richtung, hinauf auf den Hohen Pass.
Schnell haben wir die Schneegrenze erreicht. Ein Zeichen, dass der Frühling noch jung ist. Immer wieder entdeckt Tarannon Fußabdrücke, die Grund zur Sorge bereiten. Sie stammen von Orks, die den Weg beobachten. Mit Sicherheit haben sie uns längst entdeckt. Der Waldläufer wird seinem Namen gerecht und folgt den Spuren, entdeckt einen Treffpunkt von ihnen. Die Kunde, die er schließlich bringt, klingt gefährlich. Auf drei Dutzend schätzt er die Zahl der Gegner, die er gesehen hat. Doch niemand denkt an Rückzug. Außer mir. Pläne werden geschmiedet. Merwyn reitet schnell wie der Wind ins Tal, um bei Osred und seinen Leuten Verstärkung zu holen. Eitri sucht einen Ort, den wir möglichst lange verteidigen können.
Irimë wird gesprächiger und nahbarer, je länger sie alleine mit uns unterwegs ist. Sie sei auf dem Weg nach Westen, zu den Grauen Anfurten, um diese Welt zu verlassen und in die Heimat zurück zu kehren. Ich höre ihre Worte, verstehe was sie sagt, doch ich habe keine Ahnung, was das alles bedeuten soll. Außerdem weiß ich nicht, welche Länder jenseits des Nebelgebirges liegen. Nur von Bruchtal habe ich gehört, einem magischen Ort der Elben. Sie äußert sich auch zu die Liedern, die wir gesungen haben, dass es traurig wäre, wenn sie in Vergessenheit gerieten. Da kann ich sie ein wenig beruhigen. Gemeinsam mit Merwyn habe ich viel niedergeschrieben. Doch was dann? Wohin mit den Schriften? Ich weiß, was ich in Zukunft zu tun habe.
Wir sind eingekesselt. Unsere Verteidigungsposition mag noch so gut sein, Tatsache ist aber, dass Orks überall sind. Vor uns die, aus deren Klauen wir Dodinas und seine Freunde befreit haben, hinter uns die neue Gruppe, die bestimmt mit der im Düsterwald zu tun hat. Alles, was wir tun können, ist auf uns selbst, unseren Fähigkeiten und unsere Waffen zu vertrauen, und hoffen, dass möglichst bald die Verstärkung eintrifft. Es dauert nicht lange, bis die Angreifer eintreffen. Sie fordern die Weiße Hexe. Nun wissen wir, was sie wollen. Das macht Irimë zu einem noch größeren Geheimnis. Noch bevor jemand los stürmt oder ein Pfeil fliegt, stimmt sie einen Gesang an, eine Ballade von den Sternen. Laut doch wunderschön für meine Kameraden und mich, aber offenbar unerträglich für die Orks. Sie krümmen sich und halten sich die Ohren zu. Das hält sie aber nur eine begrenzte Zeit lang auf. Bald reißen sie sich wieder zusammen. Ein Teil von ihnen stürmt vor während Pfeile in beiden Richtungen durch die Luft schwirren. Eines der Ponys wird getroffen. Erneut greift Irimë ein. Sie verwandelt sich in helles, gleißendes Licht, das die Gegner blendet und verharren lässt. Das verschafft unseren Nahkämpfern den Vorteil, dass sie sich in eine gute Position bringen und den ersten Streich führen können. Mit seinem Schwert spaltet Tarannon einen Schädel, während Carragons Axt tief in den Hals eines Gegners dringt. Eitri streckt gleich zwei Gegner nieder. Mein erster Pfeil verfehlt sein Ziel. Keine Minute zu spät tauchen Merwyn und Asgar auf. Gemeinsam reiten sie mehrere Orks über den Haufen als sie unsere Verteidigungsposition erreichen.
Wir sehen uns von einer Übermacht konfrontiert, doch gerade das motiviert uns um so mehr. Verbissen kämpfen wir um unser Leben. Das merken auch die Orks. Die kleineren und schwächeren ziehen sich zurück, die großen Anführer übernehmen die Initiative. Der Ort, den Eitri für unsere Verteidigungsstellung ausgesucht hat, ist gut gewählt. Den Angreifern gelingt es kaum, diese zu überwinden. Doch dann erlangen unsere Gegner einen Vorteil. Es beginnt zu dämmern. Sollte sich dieser Kampf bis in die Dunkelheit ziehen, dann haben wir ein echtes Problem. Die Auseinandersetzung spitzt sich zu. Auf der einen Seite können wir immer wieder einen Angreifer ausschalten, doch auch wir müssen einstecken. Entsetzt schreit Merwyn auf, als Asgar von einem Speer getroffen vom Pferd fällt und regungslos liegen bleibt. Tarannon bemerkt dies, erklimmt seinerseits das Tier und versucht ihn zu beschützen. Doch auch er wird schließlich verwundet. Die Sonne hat sich längst hinter die Berge zurück gezogen, das macht die Sache für uns nicht einfacher. Die Orks gewinnen langsam die Oberhand. Alle meine Kameraden werden mehr oder weniger ernsthaft verletzt und haben zunehmend Probleme, im Zweikampf Stand zu halten. Zwei Gegner überwinden irgendwann unsere Verteidigung, wo sich Irimë und ich verschanzen. Hinter uns die Felswand, vor uns zwei Orks, wir können uns nicht weiter zurück ziehen. Mein Mut kann meine Angst gerade noch verdrängen, ich werde sie nicht im Stich lassen, greife nach meinem Dolch und greife an. Aber vergeblich. Ein brennender Schmerz zuckt durch meinen Körper als die dunkle Klinge tief in die Seite schneidet. Voller Entsetzen und nicht in der Lage etwas zu tun muss ich zusehen, wie sich ein Speer in die Seite von Irimë bohrt. Sie nimmt es einfach hin, zeigt keinerlei Regung. Gerade als alle Hoffnung in mir schwindet ertönt das Donnern von Hufen. Osreds Reiter sind da! In vollem Galopp reitet Merwyn auf uns zu und drängt den Ork, der die Elbin verletzte, zur Seite. Von einem Moment auf den anderen ist der Kampf vorbei. Alle Angreifer suchen das Weite, als sie die gerüsteten und grimmigen Frauen und Männer auf ihren mächtigen Rössern sehen.
Augenblicklich bilden sich zwei Gruppen. Eine um Asgar. Ich kann Carragon erkennen, der alles in seiner Macht versucht, um Osreds Sohn zu helfen, am Ende aber einsehen muss, dass er nichts mehr für ihn tun kann. Tiefe Trauer zeigt sich auf den Gesichtern der Hoffenden, Tränen fallen zu Boden. Die anderen scharen sich um Irimë. Ich kann deutlich erkennen, wie rotes Blut durch ihre Kleidung dringt. Doch mein Entsetzen wandelt sich schnell in Überraschung. Zielstrebig geht sie auf den leblosen Körper von Asgar zu. Niemand wagt es, sie anzurühren oder ihr im Weg zu stehen. Sie kniet neben ihm nieder und beugt sich über ihn, flüstert elbische Worte die zwar niemand versteht, doch jeder fühlt. Für einen kurzen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlt, schweben ihre Hände über ihm. Und plötzlich beginnt Asgar wieder zu Atmen. Erstaunte doch glückliche Gesichter beobachten die Szene. Schließlich sinkt auch sie in sich zusammen, auch ihre Verletzung muss behandelt werden.
Nachdem alle Wunden behandelt sind versammeln wir uns am Feuer. Eitri berichtet, dass er einen Gefangenen verhört und ihm sogar einige Worte entlocken konnte, dass der Galgenkönig die Orks geschickt habe, um die Weiße Hexe zu suchen. Von ihm hat noch niemand gehört. Keiner weiß, wer oder was er ist. Da meldet sich Irimë zu Wort, berichtet von ihrem Traum. Sie hat uns gesehen, gemeinsam, auf der Suche nach dem Galgenkönig. Keiner wagt ihr zu widersprechen. Lasst uns Orks jagen.
Macalla
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11.4.2023 Heutal und der Aldermann
Die Suche beginnt ausgerechnet bei den Ruinen hier auf dem Pass, um die wir bereits zuvor einen weiten Bogen geschlagen hatten. Heutal war der Name des Ortes, erzählt Irimë, bis der Schatten in Dol Guldur seine Finger ausstreckte und den Ort verschlang. Damals konnte sie den Galgenkönig besiegen und vertreiben, auch dank der Hilfe mächtiger Elben, die sie damals begleiteten. Ich finde unseren Einwand, dass ihre Eskorte diesmal nur aus vier Menschen und einem Zwerg besteht, berechtigt. Doch sie erzählt wieder von ihrem Traum und dass wir stärker sind, als wir es uns selbst zutrauen. Und auch den Hinweis, dass sie erst gestern von einem Speer durchbohrt wurde, wischt sie beiseite wie eine unbedeutende Bemerkung. Sie fühlt sich stark genug, dem Galgenkönig entgegenzutreten. Sie will die Sache unbedingt jetzt erledigen.
Die Ruinen müssen alt sein, älter als die verlassene Stadt an der Alten Waldstraße, wo noch Holzreste zu sehen waren. Hier stehen lediglich noch ein paar Mauerreste. Umso deutlicher zeichnet sich dagegen eine Treppe nach unten ab. Man kann sie nicht nur sehen, sondern sie strahlt eine unangenehme Dunkelheit und Kälte aus. Niemand möchte wirklich da hinunter steigen, doch es ist der einzige Hinweis den wir haben. Ausgerüstet mit Fackeln und Lampen wagen wir uns in die Tiefe. Es handelt sich eindeutig nicht um die Kellerräume eines ehemaligen Gebäudes, sondern vor uns liegt ein schnurgerader Gang, der in einen großen Raum führt. An dessen Wänden befinden sich in regelmäßigen Abständen Begräbnisnischen, in denen alte Knochen verrotten. In der Mitte steht ein steinernes Podest. Hier liegen wohl die Überreste ehemals wichtiger Menschen von Heutal. Eine Nische ist leer. Am Ende des Raums ist ein weiterer Durchgang. Je näher man diesem kommt, desto dunkler wird die Schwärze und desto eisiger die Kälte, die in dem Korridor lauern. Das Licht der Fackeln wird regelrecht verschluckt. Ein Windhauch aus dem Gang lässt uns an Körper und Geist frösteln. Tarannon ist überzeugt, jemanden gesehen zu haben und schleudert einen Speer hinein. Ein entsetzlich schriller Schrei, der durch Mark und Bein geht, dringt durch die Stille. Tarannon hatte Recht. Die Gestalt kommt heraus. Aber sie geht nicht, sie schwebt. Sie ist eindeutig menschlich, sie war es jedenfalls einmal. Dessen Umrisse sind irgendwie undeutlich, Reste von Kleidung hängen in Fetzen herab. Ein Gesicht kann man nicht erkennen, doch dort wo es sein sollte, leuchten zwei Augen. Irimë rezitiert laut ein elbisches Gedicht und der Geist hat Probleme, seine Form zusammen zu halten. Da schnellt seine Hand hervor und lange Klauen bohren sich in Carragon. Von dem Schlag wird er dermaßen hart getroffen, dass er durch den Raum fliegt und zitternd vor Kälte liegen bleibt. Tarannon zieht sein Schwert und schlägt auf den Geist ein. Der ist schnell und beweglich und versucht dem Hieb auszuweichen, muss aber dennoch einen Treffer einstecken. Nicht nur unsere Klingen verletzen ihn, auch vor Licht weicht er zurück. Irimë motiviert uns aus dem Hintergrund mit elbischen Zaubersprüchen. Doch immer wieder kann er fliegend unseren Angriffen entgehen. Erneut haben wir ihn in eine Ecke zurück gedrängt. Da ich mit Fackel und Dolch nicht erfolgreich bin verschaffe ich mir etwas Platz, indem ich ein paar Schritte nach hinten trete und nehme den Bogen in die Hand. Mein Pfeil trifft mit unerwarteter Wirkung. Die Gestalt des Geistes löst sich auf und die Schattenfetzen verschwinden in der Dunkelheit. Es war der Aldermann, der letzte Bürgermeister von Heutal, nicht der Galgenkönig. Wie lange haust er schon hier unter dem Bann des Bösen? Der Gang führt in eine weitere Begräbnishalle und endet dort genau wie unsere Suche.
Das Tal ist größer als man auf den ersten Blick sieht. Wiesen erstrecken sich weit hinein in die Berge. Daher hat der Ort seinen Namen, das Heutal. Aber nicht ein einziger Hinweis, der uns weiter bringen könnte. Wir beschließen die Nacht hier zu verbringen. Wenn der Galgenkönig Irimë haben will, soll er versuchen, sie sich zu holen. Sie ist einverstanden, wir sind bereit. Wir sammeln ausreichend Holz und schüren ein großes Lagerfeuer, in dessen Nähe wir uns etwas sicherer fühlen. Die Nacht ist unnatürlich kalt, kein Laut eines Tieres ist zu hören. Aufziehende Wolken verbergen den Mond. Die Elbin umgibt eine strahlende Aura so klar wie das Licht der Sterne. Das ist das letzte Bild vor meinen Augen, an das ich mich erinnere, bevor ich einschlafe. Und im Sonnenschein erwache. Um mich herum Trubel, Stimmen, Menschen, die ihren Angelegenheiten und Geschäften nachgehen. Markttag. Auch meine Kameraden sind hier, nicht aber Irimë. Wo sind wir? Was ist passiert? Ist das hier echt oder ein Traum? In einer Sache sind wir uns jedenfalls einig, bloß nicht die Nerven verlieren! Wir verteilen uns in den wenigen Straßen und suchen nach ihr, aber keine Spur. Um sicher zu sein, dass ich kein Geist bin, rempele ich jemanden an und entschuldige mich umgehend für meine Tolpatschigkeit. Wir sind tatsächlich da, die Menschen nehmen uns war und reden so wie wir. Und essen so wie wir, die Pastete ist jedenfalls sehr lecker.
Der beste Ort, um an Informationen zu gelangen, ist das Gasthaus. Aldor der Wirt begrüßt uns freundlich in seiner Herberge „Zur fallenden Ziege“. Eine Irimë gehört nicht zu seinen Gästen, wohl aber eine Elbin draußen im Garten. Einem Menschen möchten wir unsere Geschichte nicht erzählen, die würden uns für verrückt halten, aber bei einer Elbin habe ich keine Bedenken. Sie wird uns hoffentlich glauben. Der Anblick, der sich uns bietet, ist schon irgendwie witzig. Wie ein zu groß geratener Vogel hockt sie auf einem Ast eines Obstbaumes und beobachtet neugierig erstaunt das Treiben auf der Straße. Formvollendet wie immer übernimmt Eitri die Begrüßung. Ihr Name ist Rodwin aus dem Reich von König Thranduil. Den Namen Irimë hat sie noch nie gehört und außer ihr sind keine Elben in Heutal. Sie ist offensichtlich nicht der Grund für unsere Anwesenheit. Als ich unsere Geschichte erzähle und nach Ort und Jahr frage zeigt sie sich ein wenig amüsiert. Ein kurzes Kichern kann sie sich nicht verkneifen, begreift aber schnell, dass wir es ernst meinen. Wir sind immer noch in Heutal und im Dritten Zeitalter, allerdings ungefähr 500 Jahre vor unserer Zeit. Meine Kameraden suchen im Ort weiter nach Hinweisen, ich dagegen klettere zu Rodwin auf den Baum, setze mich neben sie und unterhalte mich mit ihr. Da wird das Stimmengewirr lauter, denn eine Kutsche und mehrere Soldaten nähern sich und passieren das große Tor. Ein Mann springt aus dem Wagen, hebt die Arme und beginnt eine Rede, die ich nicht hören kann. Aber ich sehe ganz eindeutig, dass mit den sechs Stadtsoldaten, die vorangehen, etwas nicht stimmt. Anstatt normal zu gehen schlurfen sie schwerfällig, bewegen sich ungewöhnlich. Sie kommen näher und sehen aus wie Untote. Währenddessen beginnen vier Dutzend in rotes Leder Gerüstete damit, sich langsam zu verteilen und den Marktplatz einzukreisen. Neugierig springe ich auf die Mauer vor mir für bessere Sicht. Von einem Moment auf den anderen beginnt das Gemetzel!
Mit Schwertern und Speeren greifen sie die unbewaffneten Einwohner an, Mann und Frau, jung und alt. Genau so plötzlich, wie er begann, endet der Angriff. Wir sind wieder zurück zwischen den Ruinen. Trotz der Dunkelheit der Nacht erkennen wir Irimë, die von einem Schatten gepackt wird. Undeutliche Worte kommen von ihren Lippen, aber eines kann ich ganz eindeutig verstehen, „Hoffnung“. Und schon tobt der Kampf wieder um uns herum. Laut und fordernd erschallt Carragons Stimme, „Verteidigt die Stadt“. Das totale Chaos ist auf dem Marktplatz ausgebrochen. Laut schreiend und um ihr Leben bangend flüchten diejenigen, die den Roten entkommen können. Andere verstecken sich starr vor Angst unter den Tischen. Der Aldermann scheint die Kontrolle auszuüben, ihm nähern sich meine Kameraden, aber niemand beschützt die Einwohner. In Windeseile sind Pfeil und Bogen parat und ich strecke einen Soldaten nieder. Merwyn springt auf ein Pferd und reitet in die Gruppe hinein, versucht sie auseinander zu drängen. Eitri schafft es kaum, in Richtung der Kutsche vorzudringen und wird von einem Schwert getroffen. Tarannon verpasst dem Aldermann einen wuchtigen Stoß, doch der zeigt sich kaum beeindruckt. Carragon springt auf den Kutschbock und ergreift die Zügel, doch die Tiere gehorchen ihm nicht. Merwyn bekommt ein Schwert zu spüren, bleibt aber sitzen. Carragon wird gepackt und von der Kutsche gezerrt, kann aber mit seinem freien Arm die Axt führen. Die dringt tief in einen Schädel ein, doch der Untote kämpft weiter.
Die Situation bei der Kutsche wird immer kritischer. Mit einem weiten Satz springe ich von der Mauer. Während ich renne tausche ich den Bogen gegen meinen Dolch. Mit aller Geschicklichkeit bahne ich mir einen Weg zwischen den Untoten, immer darauf gefasst, von einer Klinge getroffen zu werden. Mit gezogener Waffe stürme ich in die Kutsche, doch die ist leer. Ein Schwert bohrt sich tief in Carragons Seite und er strauchelt. Tarannons Klinge trifft mit voller Wucht den Kopf eines Untoten. Auch ich kann das Krachen des Schädels unter dem Helm hören, doch auch dieser Soldat kämpft weiter. Merwyn wird gepackt, vom Pferd gerissen und schlägt hart auf den Boden. Ich sehe noch wie ein Speer sich in die Bewusstlose bohrt. Tarannon versucht ihr zu helfen, doch auch er geht getroffen zu Boden. Eitri kann zwar noch einen Soldaten ausschalten, doch die Roten umzingeln uns.
Ein paar Sekunden lang sehen wir Irimë, noch immer im Griff des Schattens, doch sie hat noch nicht aufgegeben. Sie strahlt heller als je zuvor und spricht „Kämpft weiter“. Ich weiß nicht, wie das gehen soll, denn im nächsten Augenblick finden wir uns gefesselt in einer langen Reihe von Gefangenen wieder. Orks zerren uns in die Tiefen von Dol Guldur. Aber ich vertraue ihr.
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25.4. In den Tiefen von Dol Guldur
Auch wenn mittlerweile jeder überzeugt ist, dass alles nur ein Traum ist, so fühlt der sich doch verdammt echt an. Da ist die Angst vor den Qualen, die einen hier unten erwarten. Mir geht die Geschichte des Einsiedlers nicht aus dem Kopf. Die Wunden und das Blut sehen nicht nur echt aus, sie fühlen sich auch echt an. Kann man Schmerzen träumen? Und welcher Teil der Ereignisse ist wessen Traum? Die Ungewissheit ist groß als die schwere Kerkertür hinter uns verriegelt wird. Aber meine Kameraden sind bei mir, ich bin nicht allein. Bei uns sind Aldor der Wirt, Geb der Barde, Haleth, der Junge aus Heutal, der beim Angriff schwer verletzt wurde und Rodwin, die teilnahmslos vor sich hin starrt.
Jeder versinkt in einen Zustand irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit. Da ist dieses kalte Verlies, in das sie uns gesperrt haben, doch am Rande der Wahrnehmung ist auch Irimë, die weiterhin mit dem Schatten kämpft. Ich bin überzeugt, dass wir etwas erleben, in Erfahrung bringen sollen, eine Spur zum Galgenkönig oder gar ihn selbst finden sollen. Carragon dagegen hat einen Weg gefunden, diese Gedankenwelt zu verlassen und erwacht zwischen den Ruinen. Die Kameraden um ihn herum liegen unruhig, zucken und stöhnen auf ihren Lagern. Zuerst schürt er das herunter gebrannte Feuer und sieht die Elbin von Dunkelheit umgeben. Da Waffen gegen einen Geist kaum etwas ausrichten können und hier große Magie am Werk ist, stimmt er ein Lied der Beorninger an. Laut und durchdringend schallt seine Stimme durch die Nacht. Nicht ohne Wirkung. Irimë erhebt sich, der Griff des Schattens wird lockerer und ihr Licht heller.
Das naheliegendste Ziel heißt Flucht. Aus alten Knochen, einem schweren Stein und Gerümpel kann ich etwas bauen, das einem Hammer ähnlich sieht. Eitri gelingt es, damit den Riegel der Tür zu zertrümmern. Auf den Radau folgt umgehend ein Ork, der fluchend nach dem Grund für den Krach sucht. Kaum hat der auch nur den Kopf durch die Tür gesteckt, schlägt ihm Tarannon mit dem Hammer den Schädel ein. Der tote Bewacher hinterlässt uns ein schartiges Schwert, ein Messer sowie eine verkorkte Flasche. Ich packe Rodwin und schleife sie hinter mir her, da sie sonst verzweifelt vor Trauer hier hocken geblieben wäre. Sie kommt langsam wieder zu sich während wir vorsichtig nach einem Ausweg suchen. Die Flucht scheint jäh beendet. Vor uns liegt eine große Höhle mit mehreren Dutzend Orks. Ich will gar nicht wissen, was sie über dem Feuer braten. An denen kommen wir niemals gemeinsam unbemerkt vorbei, also muss ich für eine Ablenkung sorgen. Nur ein paar Meter weiter geht ein weiterer Gang ab. Dort entriegele ich zunächst leise eine weitere Kerkertür. Und finde einen Lagerraum. Ich werfe all den Plunder auf einen Haufen und zünde ihn an. Die Ablenkung. Ich kann noch die Gefangenen aus der Zelle befreien ehe Alarm gegeben wird. Doch ich bin nicht mehr in der Lage, mich den anderen anzuschließen, gelange aber unbemerkt zu einer Treppe.
Eitri und Haleth werden von der Gruppe getrennt. Große grobe Hände packen die zwei und schleifen sie zu einer Grube. Der unverwüstliche Zwerg landet geschickt auf beiden Füßen und kann noch dazu den Jungen auffangen, der wie Abfall in die Dunkelheit geworfen wird. Da öffnet sich ein großes Tor, in dem schlurfend ein riesiger Troll auftaucht. Sofort schlägt er mit seiner mächtigen Pranke nach Eirti, doch der Zwerg hält stand. Mit einem Stein in den Händen rennt Haleth schreiend auf den Troll zu, doch der bemerkt ihn nicht einmal. Eitri ist sich bewusst, dass dieser Kampf nicht gut ausgehen wird. Er spornt den Jungen an, weiter tapfer zu kämpfen.
Der Gruppe gelingt es, in dem Durcheinander zu einem weiteren Tunnel zu gelangen, der sie nur weg von der Höhle führt. Doch die Katakomben sind schier unendlich und die Kameraden verirren sich. Mir geht es auch nicht anders. Mittlerweile habe auch ich jede Orientierung verloren. Da erklingt eine Stimme in meinem Kopf, die mir Hilfe anbietet. Es klingt wie ein wohlwollendes Angebot in einer Situation, da kein Ausweg in Sicht ist und Verzweiflung beginnt, sich einen Weg zu bahnen. Doch die Worte von Irimë sind stärker, an eines erinnere mich ganz besonders, Hoffnung, und ich kann die fremde Stimme schließlich aus meinem Kopf verbannen.
Erneut muss Eitri einen heftigen Schlag des Trolls einstecken, fliegt in hohem Bogen durch die Grube und bleibt hilflos im Dreck liegen. Nicht mehr in der Lage sich zu bewegen, beginnt er die gebrochenen Knochen in seinem zerschundenen Körper zu zählen und wartet auf den letzten Angriff des Riesen. Mit Genugtuung und Stolz sieht er, wie Haleth in wilder Entschlossenheit auf den Troll zustürmt. Der Junge ist die ganze Zeit nicht von seiner Seite gewichen. Mit aller verbliebenen Kraft rammt er dem Troll einen spitzen Gegenstand in den Leib. Schwarzes Blut spritzt aus der Wunde. Das letzte was Eitri sieht ist das zufriedene Gesicht von Haleth, ehe er bewusstlos wird und in den Ruinen aufwacht.
Es ist ein unglaublicher Zufall, aber durch eine glückliche Fügung begegne ich tatsächlich meinen Kameraden. Oder ist es der Zauber von Irimë? Wir haben noch lange nicht aufgegeben und suchen weiter nach einem Ausweg aus diesem Labyrinth. Plötzlich stehen wir in einer lange verlassenen Folterkammer. Käfige, Folterwerkzeuge und Ketten sind übersät mit Skeletten und Knochen, hier und da hängen noch Fetzen von Stoff und Leder. Die bereits gespenstische Szene wird noch gruseliger, als die Gerippe beginnen sich zu bewegen und aufzurichten.
Sofort ist Carragon bei Eitri als der zu sich kommt. Eine Flut von Schmerzen strömt durch seinen Körper, aber er scheint unverletzt. Keine Spur von Haleth. Weit hinter den Wipfeln des Düsterwalds kündet die Dämmerung vom Ende der Nacht. Das Dunkel, das Irimë hält, wird schwächer.
Aus allen Richtungen strömen Schatten in die Höhle und formen sich zu Gestalten, die aussehen wie die des Aldermann. Bald sind wir von Geistern umzingelt. Einer von ihnen spricht zu uns und verlangt, dass wir uns von der weißen Hexe befreien. Doch weiter kommt er nicht mit seiner Rede, denn alle wachen in den Ruinen auf während im Osten die Sonne aufgeht. Die Dunkelheit, welche die ganze Zeit die Elbin mit klammernden Griff hielt, versucht sich noch zu einer Gestalt zu formen. Doch sie verblasst und flüchtet im Morgenlicht nach Süden in die Berge. Schnell sind wir uns einig, der Stimme des Galgenkönigs widerstanden zu haben. Irimë hat den Schleier fallen lassen. Sie scheint durchsichtig, weniger körperlich, der Welt entrückt. Sie sinkt in sich zusammen und atmet schwer, sie ist offensichtlich erschöpft und lässt sich aufhelfen. Dennoch verliert sie keinen Moment, sich zu bedanken.
Wir haben einiges erdulden müssen in Heutal und Dol Guldur. Auch wenn die Wunden nur ein Traum waren, die Schmerzen sind es nicht. Ich frage mich, was sie mitmachen musste, was für einen Kampf sie ausgefochten hat und was sie dabei ertragen musste. Dennoch steigt in mir ein Ärger auf, der mir in dieser Form bisher fremd war. Viel hat der junge Kerl in mir in den letzten Monaten gelernt, von den Kameraden und von ihr. Ganz besonders, dass es sich lohnt, für das Gute in der Welt zu kämpfen und nicht aufzugeben. Ich war bereit dazu, in jeder Sekunde, die ich für sie in ihrem Traum verbracht habe. Ich war sogar bereit dazu, mein Leben für sie aufs Spiel zu setzen! Warum hat sie nicht gesagt, wohin sie uns schickt? Auch wenn die Gefahr noch so groß gewesen wäre, ich wäre ihr überall hin gefolgt! Tief schaut sie mir in die Augen und entschuldigt sich ohne ein Wort sagen zu müssen. Diese Frau ist so unendlich groß.
Das Schlagen von Hufen ertönt von der Passstraße her. Elben kommen auf uns zu. Was für ein Anblick. Verblüfft starrt Merwyn auf die edlen Rösser. Noch nie hat sie solche Pferde gesehen. Ich auch nicht. Sie kennt all die Geschichten, die von den Mearas erzählt werden. Viel mehr begeistern mich die Reiter. Zwei auf den ersten Blick junge Elben stellen sich vor. Elladan und Elrohir, Elronds Söhne sind gekommen, um Irimë nach Bruchtal zu begleiten. Die beiden sind tatsächlich erstaunt als sie erfahren, was in der letzten Nacht passiert ist. Nach vielen Worten ist es dann soweit. Irimë wird nicht nur uns verlassen, sondern diese Welt, für immer. Nachdem sie sich in Bruchtal erholt hat wird sie den Weg in die Heimat antreten, von den Grauen Anfurten aus weit nach Westen fahren. Sie verabschiedet uns mit dem größten Geschenk, das ich je erhalten habe.
Sie nennt uns Elbenfreunde!
Macalla
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9.4.2023 Nach Süden
Nach solch einem Abenteuer braucht jeder von uns Ruhe und Erholung, mehr oder weniger. Im Gasthaus Zum Osten sind wir immer willkommen. Agatha und Dindi begrüßen uns mit großer Freude. Auch Frér ist sichtlich erfreut über unsere Kommen. Wir genießen die Aufmerksamkeit, die uns entgegen gebracht wird. Doch auch wir sind nicht untätig, helfen und unterstützen wo und wie wir können, jeder auf seine Weise. Vorzugsweise bei Arbeiten, die ungefährlicher sind als Orks und böse Geister zu jagen. Dieser Ort ist schon fast wie ein zweites Zuhause.
Irimë hatte vorgeschlagen, den Zauberer Radagast im Süden aufzusuchen. Er könne uns dabei helfen, weiter nach dem Galgenkönig zu suchen. Das Tal des Großen Stroms ist weit, in allen Richtungen. Nach Rhosgobel, dem Zuhause des Braunen Zauberers, sind es über 200 Meilen. Und die Wege dorthin sind eher Pfade, die sich durch das wogende Grasmeer zwischen Fluss und Wald schlängeln. Hinter der Alten Furt beginnt Merwyns Heimat. Wie zur Bestätigung kommen uns Pferde entgegen, die sich als Herde von mehreren Dutzend Tieren herausstellt. Ein Blick der Leofringa genügt um festzustellen, dass es keine wilden Tiere sind. Mit einem Pfiff signalisiert sie ihre Anwesenheit. Prompt ertönt die Antwort und zwei Reiter tauchen am Horizont auf, Amlech und Hara. Während des gemeinsamen Nachtlagers tauschen die drei sich intensiv aus, Merwyn möchte unbedingt wissen, welche Neuigkeiten es gibt. Dabei erfahren wir, dass ein junger Anführer mit dem Namen Caewyn und sein Clan sich auf der Ostseite des Düsterwaldes niederlassen möchten.
Das Vorwärtskommen stellt sich als außerordentlich mühsam heraus. Im Mai schießen die Gräser dermaßen in die Höhe, dass es kaum möglich ist, immer den Pfad zu erkennen, so zugewachsen wie er ist. Verirren ist aber unmöglich, der Anduin führt uns. Eines Abends bei Sonnenuntergang, während Tarannon wie immer die Umgebung des Lagers erkundet, erregt das Licht einer Lampe in der Ferne seine Neugier. Gemeinsam suchen er und ich nach Hinweisen. Wie aus dem Nichts sind wir umgeben von Hunderten Fledermäusen. Doch es ist kein Ort zu entdecken, wo diese sich niederlassen könnten, kein Baum, keine Mauern. Tarannon vermutet ein dunkles Loch im Boden, dementsprechend vorsichtig bewegen wir uns. Doch genauso plötzlich wie die Tiere aufgetaucht waren sind sie auch wieder verschwunden. Dafür sind wir nun von einer unnatürlich dichten Dunkelheit umgeben, in der wir nicht einmal Mond oder Sterne erkennen. Mit Mühe finden wir den Weg zurück ins Lager. Am nächsten Morgen beschließen alle, der Sache auf den Grund zu gehen. Vor uns liegt nur das Grasland, hier und da wachsen Büsche und kleine Bäume. Als hätte uns unsere Wahrnehmung die ganze Zeit getäuscht, erkennen wir in einem Hain die Reste eines schlanken Turms. Ich vermag nicht zu sagen, ob es sich um ein Trugbild handelt oder ob er sich gestern vor meinem Auge verborgen hat. Dichtes Dornengestrüpp erschwert den Zugang, Eitris Axt sorgt für einen Durchgang. Es scheint sich hinter uns gleich wieder zu schließen. Das offensichtlich erst kürzlich errichtete Dach sowie ein Garten weisen darauf hin, dass dieser Ort bewohnt ist. Doch alles andere, was wir erblicken und erleben, ist nicht gerade einladend. In Reih und Glied hat jemand zwölf Gräber ausgehoben, die alle leer sind. Statt eines Rufes hören das Knurren eines großen Hundes hinter den Mauern. Aus der Tür tritt ein älterer Mann, der einen zerrenden Wolfshund am Halsband hält. Seine Worte sind unfreundlich und abweisend, der Hund bedrohlich. Jeden Versuch, mit ihm ins Gespräch zu kommen, lässt er scheitern. Nicht einmal seinen Namen nennt er. Wir sind nicht willkommen und ziehen uns zurück, doch unsere Neugier ist geweckt.
Am nächsten Morgen finden wir einen Pfad, der in südöstliche Richtung vom Turm weg führt. Mittlerweile sind wir weit nach Süden gewandert. Rhosgobel liegt im Osten, der Weg entfernt uns vom ursprünglichen Ziel. Aber wir nehmen den Umweg in Kauf, um Hinweise zu finden. Bald erreichen wir den Düsterwald. Dessen Grenze wird von hohen Fichten gebildet. Sie formen ein Tor dort wo der Pfad in den Wald hinein führt. Dicht stehen die Stämme und dicht sind auch die Wipfel. Kein Lichtstrahl dringt auf den Teppich von Nadeln und Ästen, der den gesamten Boden bedeckt. Keine junge Pflanze reckt sich im Dunkel nach oben. Kein Laut eines Tieres stört die unheimliche Stille. Kein Hauch des Windes bewegt die schwere stehende Luft. Nur Merwyns Lieder heben die bedrückte Stimmung. Bereits eine Stunde lang marschieren wir durch diese Monotonie, denken schon an Umkehr, da kommen wir an eine Kreuzung. Wie ein zu groß geratenes Skelett steht dort der bleiche Rest eines toten Baumes, befreit von Rinde und Nadeln. Zeichen sind in das Holz geritzt, die zwar aussehen wie Wegweiser, die jedoch niemand entziffern kann.
Eben noch herrschte Eintönigkeit, da überschlagen sich die Ereignisse. Japsend nach Luft ringend und mit letzter Kraft um Hilfe rufend kommt ein junger Mann auf uns zu und bricht vor uns zusammen. Er kann noch stotternd die Worte Radagast und Rhosgobel von sich geben ehe er ohnmächtig wird. Der komplette rechte Arm ist schwer verwundet, noch dazu scheint er von einer Vergiftung gezeichnet. Offenbar wurde er von einer Spinne attackiert. Carragon kann ihn stabilisieren. In der verkrampfen Hand hält er eine Karte mit ebenso sonderbaren Symbolen wie auf dem weißen Stamm. Merwyn nimmt sie an sich. Wir sind gerade dabei eine Trage zu bauen, da tauchen weitere Personen auf. Zunächst eine Frau mit Speer und Lederhelm, gleich hinter ihr ein Mann mit einem Bogen, und schließlich noch zwei Bewaffnete, die sich uns aus verschiedenen Richtungen nähern, so als versuchten sie uns zu umzingeln. Das Auftreten der Gruppe soll uns offenbar einschüchtern. Die Frau stellt sich als Dagmar vor. Der Verletzte, den sie verfolgen, sei ein Dieb. Was er gestohlen habe und auch zu den Umständen des Diebstahls, dazu äußert sie sich nicht. Merwyn lässt die Karte tiefer in ihre Tasche sinken. Die Fremden schlagen vor, den Verletzten zum Tyrannenberg zu bringen, ihre Siedlung. Mogdred ihr Anführer solle über den Verbrecher richten. Sofort muss ich an die Viglundinger denken. Aber Eitri widerspricht vehement. Er ist der Meinung, den Verwundeten in die Hände eines Zauberers zu geben erscheint ihm als die sinnvollste Lösung. Wir erlauben Dagmar, den Dieb zu durchsuchen, was sie auch tut, erfolglos. Eile ist nun geboten. Wir folgen dem Weg, der an der Kreuzung nach Norden führt. Auch wenn die Waldmenschen uns beim Tragen helfen, so machen sie sich doch mit jeder Äußerung und jeder Handlung verdächtig. Alle zielen sie darauf ab, uns zur Umkehr zu bewegen oder uns wenigstens zu verlangsamen. Als sie merken, dass sie mit ihrem Verhalten keinen Erfolg haben, eskaliert die Situation. Unvermittelt greift Dagmar mich an, versucht mich in den abgebrochenen Ast eines Baumes zu stoßen, der wie ein Speer vom Stamm absteht. Da hat sie sich mit dem Falschen angelegt. Mit einer schnellen geschickten Bewegung packe ich sie und schleudere sie von mir weg. Laut schreit sie auf als sich der spitze Ast in ihren Oberkörper bohrt. Umgehend haben meine Kameraden und auch ich die Waffen gezogen. Den Waldmenschen bleibt nichts anderes übrig, als sich geschlagen zurück zu ziehen. Dagmar droht mir noch fluchend, dass sie sich an mir rächen werde. Aber da haben wir uns längst auf den Weg gemacht, um so schnell wie möglich Rhosgobel zu erreichen.
Wir marschieren zügig solange wenigstens etwas diffuses Licht durch die Baumwipfel dringt. Als die Nacht herein bricht ist es schließlich so dunkel, dass man nicht die Hand vor Augen sehen kann. Ein kleines Feuer sorgt für Abhilfe. Es kann aber auch Angreifer anlocken. Eitri und Tarannon halten Wache als ein Geräusch die nächtliche Ruhe stört. Jemand hat in der Dunkelheit auf einen Ast getreten. Das Knacken ist deutlich zu hören, gefolgt von einem unterdrückten Fluchen, das sich sogleich wieder entfernt. Es ist sinnlos das Geräusch zu verfolgen. Das Feuer lockt auch Tiere an. Ein kleiner Kauz schwebt lautlos durch die Nacht, landet neben dem Feuer und schaut sich neugierig um. Es heißt, der Zauberer könne mit Tieren sprechen und sie würden ihm helfen. Daher unternimmt auch niemand etwas gegen den Vogel.
Früh geht die Sonne auf zu dieser Jahreszeit. Hoffentlich früh genug, um den Verwundeten rechtzeitig nach Rhosgobel zu bringen. Der Anblick der Siedlung erinnert an Beorns Haus. Hinter einer Hecke sieht man ein Dutzend mit Schilf gedeckte Dächer. Bereits von Weitem machen wir auf uns aufmerksam. Nach einem prüfenden Blick kommen die Einwohner zu Hilfe und erkennen den ohnmächtigen Mann auf der Trage. Es ist Beran, ein Kundschafter im Dienste von Radagast. Während die Einwohner den Verletzten zum Zauberer bringen begrüßt uns Gera, die Sprecherin der Siedlung. Im großen Langhaus lassen wir uns erschöpft nieder und werden mit frischem Brot, Käse und Bier bewirtet. Es gilt viele Fragen zu beantworten bis die Ortsvorsteherin sich wieder ihren Aufgaben widmet. Merwyn wird ungeduldig, denn eigentlich sind wir hier um mit Radagast über den Galgenkönig zu sprechen. Ich begleite sie zu seinem Haus. Ein Kiesweg führt in ein kleines Wäldchen, dort sollte sein Haus stehen. Wir gehen zwischen den Bäumen umher und stehen unversehens wieder auf dem Kiesweg. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch geben wir entnervt auf. Der Zauberer möchte offensichtlich nicht gefunden werden. Also richten wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Karte. Mit ein wenig Ruhe und Grübeln können wir Rhosgobel und den Tyrannenberg sowie markante Wegpunkte identifizieren. Im Süden ist ein weiterer Ort eingezeichnet. Ist das Dol Guldur? Daneben sind ein paar Stellen mit einem Kreuz markiert. Ich fertige eine Kopie der Karte an. Der Tag vergeht quälend langsam.
Das Abendessen hebt die Stimmung wieder ein wenig. Ein paar Dorfbewohner leisten uns Gesellschaft. Geduldig beantworten wir ihre neugierigen Fragen. Unvermittelt springt ein rotes Eichhörnchen auf den Tisch. Mit seinem wedelnden buschigen Schwanz macht es auf sich aufmerksam, das ist aber gar nicht notwendig. Es führt uns auf den Kiesweg und verschwindet in einem der Bäume. Diesmal entdecken wir das Haus des Zauberers ohne Probleme. Es ist schon ein merkwürdiges Gebäude. Es sieht nicht aus als wäre es gebaut worden, sondern aus dem Boden gewachsen. Bäume stützen die Konstruktion, auf dem mit Moos bedeckten Dach wachsen Schösslinge. Es sieht beinahe lebendig aus. Durch eine niedrige Tür treten wir ein. Auch hier sind überall Pflanzen zu sehen. Sie wachsen in Töpfen und Schüsseln, in allerlei möglichen und unmöglichen Behältnissen, manche direkt im Boden. Insekten schwirren zwischen den Ästen und Blättern umher. An vielen Ecken sind Bündel von Kräutern zum Trocknen aufgehängt. Unzählige Aromen erfüllen die Luft. „Nur herein, herein spaziert“ schallt es aus dem hinteren Teil des Hauses. Aus einem hohen Sessel erhebt sich der Braune Zauberer zur Begrüßung. Der spitze Hut steht balancierend auf der Lehne. Durch die offenen Fenster und die Tür dringt das Licht der untergehenden Sonne und taucht den Raum in glänzende Farben. Der Garten schimmert wie von Gold bedeckt. Noch nie habe ich so viele verschiedene Pflanzen so üppig an einem Ort wachsen sehen. Mit großen Augen kann ich kaum aufhören, mich staunend umzuschauen.
Zuerst berichten wir vom Zusammentreffen mit Beran und den Waldmenschen vom Tyrannenberg. Radagast bedankt sich für die Rettung seines Helfers. Der werde nun einige Tage schlafen müssen, bis er das Gift in seinem Körper überwunden hat. Dabei haben wir so viele Fragen an ihn, doch so lange möchte niemand warten. Die Erzählung von unseren Abenteuern mit Irimë nimmt mehr Zeit in Anspruch. Dabei haben wir den Eindruck, als würde die Aufmerksamkeit des Magiers ständig schwanken, so als wäre er einmal hier und einmal dort mit seinen Gedanken. Aber ich bin überzeugt, sein Geist ist immer hellwach und er bekommt alles mit. Er ist schließlich ein Zauberer. Bei unserer Jagd nach dem Galgenkönig kann er uns nicht begleiten, hat aber einen guten Rat für uns. Der Geist ist offensichtlich auf Opfer angewiesen, vorzugsweise Menschen. Erst durch sie kann er sprechen und wirken. Außerdem ist er an einen Ort gebunden, an den er immer wieder zurückkehren muss. Den gilt es ausfindig zu machen. In der Berghalle im Nebelgebirge leben Waldmenschen, die uns weiterhelfen können. Am Ende unseres Gesprächs bittet Merwyn um ein helfendes Licht in dunkler Stunde. Radagast schenkt ihr einen Beutel mit Glühwürmchen. Er erlaubt uns im Garten allerlei Kräuter und andere Pflanzen zu pflücken, „Nehmt was ihr braucht.“ Die Nacht verbringen wir in gemütlichen Betten in seinem Haus. Eine Wohltat.
Ein leckeres Frühstück steht bereits auf dem Küchentisch, als Geschenk eine Flasche Düsterwaldschnaps, aber von Radagast keine Spur. Mit diesem hochprozentigen Gebräu kann man sicherlich viele verschiedene Beschwerden kurieren. Vielleicht steckt sogar ein bisschen Magie darin. Dem ruhig schlafenden Beran lassen wir einen Brief zurück. Draußen warten bereits Gera, die uns freundlich verabschiedet und eine gute Reise wünscht sowie Banna, eine junge Frau, die uns bis zum Fluss begleiten wird. Dank ihrer Ortskenntnis erreichen wir den Anduin bereits nach zwei Tagen. Sie kennt wirklich jeden noch so unscheinbaren Pfad. Mit zwei kleinen Booten wollen wir den Fluss überqueren. Freudig erregt beginne ich zu rudern. Es ist lange her, dass ich über den Langen See gefahren bin. Kaum haben wir uns vom Ufer entfernt, da wird das Boot von einem schweren Gegenstand gerammt. Dabei hatte ich mich doch vergewissert, dass kein Treibholz unseren Weg kreuzt. Der Stoß ist so heftig, dass ich im Wasser lande. Doch an Schwimmen ist nicht zu denken. Ein heftiger Schmerz zuckt durch meinen Körper als sich eine Kreatur in den Oberschenkel verbeißt, um das Bein wickelt und mich in die Tiefe zieht. Ich habe großes Glück im Unglück. Carragon kann mich gerade noch packen und ans Ufer schleppen. Hustend und spuckend liege ich im Sand. Auch den anderen bleibt die Luft weg als sie das Monster sehen, das sich immer fester um mein Bein windet und nicht loslässt. Mit einem gezielten Schlag trennt Eitri den Schreckensaal in zwei Teile. Der Anblick ist in der Tat schrecklich. Das Tier ist drei Meter lang, dicker als ein Oberschenkel und mit messerscharfen Zähnen. Einen Schluck Düsterwaldschnaps zur Beruhigung, ein weiterer direkt auf die blutende Wunde. Es hilft. Weiter nördlich, dort wo ein kleiner Nebenfluss von der Berghalle in den Anduin mündet, setzen wir an das andere Ufer über und verabschieden uns von Banna.
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Der Ruf des Abenteuers

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23.5.2023 Berghalle
Wir folgen dem Fluss Eiswasser in die Berge. Mit jeder Meile wird es steiler und steiniger, schließlich dermaßen uneben und holprig, dass wir wegen der Tiere einen Umweg in Kauf nehmen. Nach vier Tagen erreichen wir den Eingang eines Tals, das sich weit in die Berge hinein erstreckt. Dort thronen auf einem Hügel hinter einer Palisade ein Turm und mehrere Häuser. Berghalle. Eine Steinbrücke, nach Eitris Aussage ein Werk der Zwerge, ist der einzige Zugang. Zwei Wachen rufen uns an und wir erklären unseren Wunsch, auf Radagasts Rat hin mit Hartfast sprechen zu wollen. Des Zauberers Name öffnet Türen. In der großen Halle angekommen legen wir unsere Waffen in bereit stehenden Truhen ab. Das Messer steckt noch immer im Stiefel, aber wir hegen keinerlei böse Absichten. Hartfast der Clanführer ist gerade in den Eisenerzminen, wohin wir dem Wachsoldaten bereitwillig folgen. Die Blicke der Einwohner sind nicht unfreundlich aber wachsam.
Die Gänge der Mine verzweigen sich zahlreich, beinahe unübersichtlich. In alle Richtungen wurde geschürft, schon seit Generationen. In einem größeren Raum treffen wir den Anführer, der mit mehreren Arbeitern in ein ernstes Gespräch vertieft ist. Während wir näher kommen und er uns einschätzend beobachtet, verweilt sein Blick bei Eitri. Er begrüßt zwar die ganze Gruppe, doch er lenkt seine Aufmerksamkeit ganz auf den Zwerg. Denn es gibt Probleme in der Mine und er erhofft sich von Eitri eine Lösung, wenigstens einen Ratschlag. „Legt die Ohren hier an den Fels und horcht“ sagt er. In der Entfernung sind eindeutig Geräusche zu hören, es wird gehackt und gegraben. „Die Orks versuchen so in die Mine einzudringen.“ Der Zwerg hat in der Tat einige gute Ratschläge parat, Hartfast zeigt sich zufrieden. Und wechselt das Thema: „Wo sind nur meine Manieren geblieben. Willkommen in Berghalle!“ Bei einem üppigen Abendessen mit gutem Bier im Langhaus verbringen wir einen entspannten Abend. Für ein paar Stunden sind alle Probleme vergessen. Doch wir sind nicht ohne Grund hier. Hartfast berichtet, dass sie Ärger mit ein paar Banditen unten im Wolfswald hatten. Das klingt nach Valgorns Leuten. Als wir speziell nach dunkler Magie fragen lässt er nach Magric rufen, einem Jäger und Fallensteller vom Ufer des Anduin. Seine Berichte sind eher das, was wir suchen: „In den Schwertelfeldern, dort haust ein Schatten. Tief in den Sümpfen liegt das Dwimmerhorn, ein böser Ort, wo sich keine guten Dinge zugetragen haben. Menschen sind dort verschwunden.“ Und der alte Ulf ergänzt: „Ja, da ist eine schwarze Festung, versteckt in den Nebeln. Aber sie ist nicht immer am gleichen Ort. Mal ist sie hier, mal dort. Und es gibt Untote und Nekromanten, jaja. Sogar Helden sind da hin und nicht wieder zurück gekommen. Und jetzt spuken ihre Geister nachts in den Sümpfen.“
Gold ist mächtig. Die Gier lässt die Menschen viele Gefahren vergessen. Trotz all der Spukgeschichten sind wir überrascht, wie schnell sich Magric mit Hilfe einiger Münzen überreden lässt, uns zu diesem unheilvollen Ort zu führen.
Mitten in der Nacht wird Merwyn von einem leisen, ungewöhnlichen Geräusch geweckt. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben entdeckt sie eine Fledermaus, die in ihrer Kammer aufgeregt Kreise zieht. Umgehend muss sie an Radagast denken, dass die Tiere uns helfen werden. Das kleine Tier führt die Leofringa nach draußen. Nicht ohne Grund. Der Nachtwächter geht gerade seine Runde. Doch hinter ihm bewegt sich eine weitere Gestalt, huscht von einer Hausecke zur nächsten, schleicht sich langsam aber stetig an ihn heran. Urplötzlich springt ein Goblin hervor und stürzt sich auf den Wächter. Mervyn schlägt Alarm. Augenblicklich ist die ganze Siedlung hellwach. Gegen einen zweiten Angreifer kann sich der Nachtwächter nicht wehren und stützt einen Anhang hinab ins Wasser. Selbstlos springt Carragon in das dunkle Gewässer und kann ihn herausziehen, verletzt sich aber selbst bei der Aktion. Die beiden Goblins flüchten in Richtung der Mine. Doch dieser erste Angriff war nur eine Ablenkung.
Die Palisade wurde durchbrochen! Von dort sieht man das Licht von Fackeln in die Siedlung vordringen. Die erste wird auf das Dach des Lagerhauses geschleudert, das sogleich Feuer fängt. Mit einem gezielten Schuss schalte ich den zweiten Fackelträger aus. Der wird keinen Schaden mehr anrichten. Merwyn hilft dem doch schwerer verwundeten Carragon. Das Wasser ist bitterkalt. Den Namen Eiswasser trägt der Fluss zurecht. Eitri und Tarannon stellen sich den Eindringlingen in den Weg und strecken zwei von ihnen nieder. Mit Hilfe der Einwohner ist der Überfall bald abgewehrt, das Feuer gelöscht und die restlichen Goblins flüchten. Doch viele fragen sich, wie die Angreifer aus verschiedenen Richtungen eindringen konnten. Gemeinsam folgen Carragon und Tarannon einer der Spuren bis in die Mine. Dort finden sie tatsächlich einen Durchbruch. Der ist glücklicherweise nur so groß, dass sich gerade ein Goblin hindurch quetschen kann. Nun ist eingetreten, was die Menschen von Berghalle befürchteten. Hartfast muss entscheiden, wie es mit der Mine weitergehen soll. Er hat genügend gute Ratschläge von Eitri bekommen, um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.
Gerne hätte ich die Gastfreundschaft noch ein paar Tage länger genossen um Ort und Menschen besser kennen zu lernen. Der Zwerg hätte sich unter Tage austoben und den Einheimischen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Niemand von uns hätte sich gelangweilt. Doch bereits am kommenden Morgen brechen wir gemeinsam mit Magric auf. Sein offenkundig zur Schau gestelltes entspanntes Verhalten wirkt auf uns dennoch aufgesetzt. Zunächst wenden wir uns nach Süden, bis wir auf den Fluss Schwertel treffen, der kaum minder kalt als der Eiswasser aus den Bergen fließt. Dem folgen wir dann ostwärts bis in die Sümpfe. Bereits von oben sieht man die Nebel, die sich trotz Sonnenschein im Sommer hartnäckig halten. Im Tal werden die Pfade, denen unser Führer folgt, mit jedem Schritt undeutlicher und ungemütlicher. Immer wieder bleibt die Kleidung an Dornenbüschen hängen und die spitzen Stacheln reißen an Harufs Beinen. Der Hengst verlässt Merwyn aber auch aus einem anderen Grund. Dies ist kein guter Ort. Mit dem Sonnenuntergang steigt der Nebel und wird dichter. Allein hätte ich mich schon längst verirrt. Auf einer trockenen Erhebung schlagen wir das Nachtlager auf.
Magric kann sein auffälliges Verhalten nicht länger verbergen. Dabei gibt es für ihn eigentlich keinen Grund, aufgeregt oder gar ängstlich zu sein. Er kennt hier schließlich jeden noch so unscheinbaren Pfad und jede Landmarke. Und als dann noch fünf Bewaffnete auf ihn einreden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen. Ja er hat das Dwimmerhorn bereits mit eigenen Augen gesehen und ein Schädel hat zu ihm gesprochen in seinem Kopf. Er erzählt alles von dieser unheilvollen Begegnung, an das er sich noch erinnern kann. Wir verbringen eine unruhige Nacht. Der ständige Nebel drückt aufs Gemüt. Nur selten kann man eine schmale Mondsichel und einige blasse Sterne sehen.
Der Weg durch das Grau Sümpfe ist noch viel monotoner als das ständige Grün des Elbenpfads. Gewarnt durch aufgeschreckte Enten, die sich laut schnatternd in die Lüfte schwingen, sowie das Geräusch knackender Zweige verstecken wir uns abseits des Pfads. Ein Mann in zerfetzten Lumpen flieht durch die Sümpfe. Tarannon springt aus seiner Deckung, packt ihn und zerrt ihn in die Büsche. Er leistet keinen Widerstand als er in das Gesicht des Waldläufers blickt. Schon bald taucht der Grund für die Flucht auf. Ein monströser, Furcht einflößender Varg kommt witternd näher. In den Schenken wurden viele wilde Geschichten über die Tiere erzählt, die ich meist hoffnungslos übertrieben fand. Und nun muss ich feststellen, dass sie alle wahr gewesen sind. Ich wage nicht mich zu bewegen und halte die Luft an, um bloß kein verräterisches Geräusch zu machen. Mit einem mächtigen Satz springt das Tier auf Tarannon zu, doch der weicht geschickt aus. Schnell hat er das Schwert gezogen und greift den Varg an, doch der Schlag bleibt im dichten Fell hängen. Das laute Heulen des Wolfes hallt durch den Nebel. Es dauert nicht lange und wir wissen, wen er gerufen hat. Doch noch bevor die Orks näher kommen bricht der Varg von Pfeilen gespickt tot zusammen. Da springt plötzlich Magric aus seinem Versteck und versucht die Orks zu warnen. Doch mit einem schnellen, gezielten Faustschlag bringt Eirti ihn zum Schweigen.
Die Orks sind sichtlich überrascht als sie von Pfeilen begrüßt werden. Mit seiner mächtigen Axt streckt Eitri den ersten nieder, zwei andere stürzen, von Pfeilen getroffen, tot zu Boden. Mehr wagen es nicht, näher zu kommen. Da taucht mit lautem Gebrüll ein noch größerer Ork auf, offensichtlich der Anführer. Doch der wird bereits von Eitris Ruf, sie hätten keine Chance und sollten aufgeben, scheinbar eingeschüchtert. Stattdessen erscheint ein weiterer Varg. Mein Pfeil kann ihn nicht stoppen. Erst Merwyns Speer, der sich tief in die Flanke bohrt, kann ihn aufhalten. Todesmutig greift Carragon den großen Ork an und spaltet ihm den Schädel.
Ruhe kehrt ein. Entweder haben wir alle Gegner erledigt oder die anderen haben sich klammheimlich zurück gezogen. Zeit sich mit dem Geflüchteten austauschen, der sich Walar nennt. Drei Tage lang war er ein Gefangener der Orks. Als er den bewusstlosen Magric erkennt stellt sich heraus, das er es war, der ihn hier her gelockt und an die Orks verraten hat. Damit hat sich Magric selbst verurteilt, Verbannung. Während wir uns neugierig mit Walar unterhalten erhebt sich aus dem Nebel die drohende Silhouette einer schwarzen Festung.
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Der Ruf des Abenteuers

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11.7.2023 Dwimmerhorn
Es ist eine verdammt schlechte Idee, auf einen 50 Meter hohen rutschigen Felssockel und die darauf erbaute Mauer der schwarzen Festung zu klettern, um Seile zu befestigen. Und das auch noch freiwillig. Da habe ich mir vielleicht doch zu viel zugetraut. Ich will mir gar nicht ausmalen was passiert wäre, wenn Tarannon mich nicht begleitet hätte.
Niemand ist auf dem Wehrgang unterwegs, hier können wir uns vorsichtig bewegen ohne gleich entdeckt zu werden. Tarannon sucht für alle Fälle nach einem Versteck in der Felswand. Ich springe auf das Dach eines nahen Gebäudes und krieche zur vorderen Seite, um vorsichtig einen Blick in den Hof der Festung zu riskieren. Der misst etwa 40 Meter im Durchmesser. Hier stehen ein Dutzend verschiedene Häuser, alle aus dunklem Stein errichtet und die Dächer mit flachen Steinen gedeckt. Am Tor lungern ein paar Orks, ab und zu huscht einer von einem Gebäude zum nächsten. Die meisten werden sich in den Häusern aufhalten um der Sonne zu entgehen. Wie viele werden es wohl sein? Eines der Gebäude muss ein Stall für die Varge sein, ihr Knurren und Bellen ist nicht zu überhören. Und das kleine auf der linken Seite sieht aus wie der Eingang zu einer Krypta. Das Haus, von dem aus ich die Festung beobachte, kommt einem Tempel am nächsten. In der Mitte des Daches befindet sich ein Loch, aus dem ständig eine Art ekelhafter Nebel oder Rauch quillt, der sich in alle Richtungen verteilt und den Hof mit einem dünnen Schleier füllt. Da verlässt ein Mensch das große Gebäude zu meiner Rechten und betritt den Tempel. Das muss ich sehen. Ich hole tief Luft und stecke den Kopf in die Öffnung. Aus einer glühenden Kohlegrube steigt der Qualm auf. Mehrere Kohlebecken aus Metall sind in dem großen Raum verteilt, der von Holzsäulen getragen wird. Vor einem Altar liegt zusammengekrümmt ein Toter. Der Mensch und ein Ork führen ein kurzsilbiges Gespräch. „Der Meister?“ „Noch nicht da.“ Das war's.
Als auch meine Kameraden oben auf dem Wehrgang angekommen sind, tut sich etwas im Hof. Eine von zwei Gruben, die mit dicken Holzbalken vergittert sind, wird geöffnet. Vier Menschen, nur noch in Lumpen gehüllt, werden von den Orks mit widerlichem Brüllen und knallenden Peitschen in den Hof getrieben. Sie steigen auf den Wehrgang, um die Mauer zu reparieren. Dabei kommen sie uns zu nah und wir müssen uns in der Felswand verstecken. Tarannon sei Dank. Die Orks erwähnen ihn ihren Gesprächen immer wieder den Galgenkönig, wir sind also am richtigen Ort.
Schließlich ist wieder Ruhe eingekehrt und wir schleichen uns in den Hof. Wir können uns kaum hinter dem kleinen Eingang der Krypta verstecken, Eile ist geboten. Mit Kraft und Geschick gelingt es Tarannon, die schwere Steintür, deren Griff zerschmettert wurde, einen Spalt breit zu öffnen, sodass wir hinein schlüpfen können. Die Luft ist stickig und modrig. Im Licht der Lampen glotzen uns verzerrte Fratzen an, die in die Wände gemeißelt sind. Der Gang ist menschengroß aber so eng, dass man nicht nebeneinander gehen kann. In einer großen Spirale führt er immer weiter hinab in die Tiefe. Nach Eitris Aussage keinesfalls eine Arbeit der Zwerge, aber auch nicht der Orks. Immer wieder kommen wir an Nischen vorbei, in den Skelette und mumifizierte Körper an Ketten gefesselt sind. Das hier ist keine Krypta, sondern ein Kerker. Ob die armen Teufel noch am Leben waren, als man sie hierher brachte? Ich versuche die Gedanken zu verdrängen.
Viele Abzweige, blinde Gänge und leere Räume sollen wohl jeden verwirren, der den Weg in dieses Labyrinth hinein sucht. Oder hinaus. Doch Eitri führt uns sicher. Dieser Ort ist alt, verlassen und leer. Nichts weist darauf hin, dass hier in den letzten Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten jemand war. Die einzigen Fußspuren im Staub sind unsere eigenen. Schließlich endet der Gang in einen großen Raum. Wir sind mittlerweile so weit nach unten gestiegen, dass wir wieder auf Höhe des Sumpfes sein müssen. Hier wachsen tatsächlich einige verkümmerte Pilze, ein paar Käfer und Asseln sowie andere unbekannte Insekten werden vom Licht aufgeschreckt. Der Raum ist hoch und lang gestreckt. Im Boden klafft eine mehrere Meter lange Spalte, gefüllt mit dem grünen, stinkenden Wasser des stehenden Sumpfes. In eine Wand ist das Relief eines großen Auges mit einer schmalen senkrechten Pupille gemeißelt, das im Durchmesser vier bis fünf Meter misst. Tarannon schlägt mit dem Knauf seines Messer gegen die Wände, um einen versteckten Hohlraum zu finden. Doch der Fels ist solide. Entweder hat der Waldläufer durch sein Klopfen Aufmerksamkeit erregt oder es ist unsere bloße Anwesenheit. Im Wasser regt sich etwas. Zuerst ist nur ein Gesicht zu sehen, dann taucht langsam ein toter Körper auf. Irgendwie gelingt es Merwyn, ihn mithilfe ihres Speers aus dem Wasser zu fischen. Die Moorleiche trägt mehrere goldene Ringe an den Fingern und ein Amulett um den Hals. Eitri schlägt mit seiner Axt auf die Brust des Toten ein und greift den Anhänger. Da ertönt eine Stimme: „Nehmt nur das Gold.“ Eine Stimme die wir bereits kennen, es ist die des Galgenkönigs. „ Ich werde die Orks warnen, die werden euch finden.“
Eitri hört tatsächlich auf meine Worte als ich ihn dränge, doch endlich das Amulett zu zerstören. Aber nichts ändert sich, wir können die Präsenz des bösen Geistes noch immer spüren. Dann schlägt er mit aller Kraft auf das große Auge im Fels ein, doch er hinterlässt lediglich eine tiefe Kerbe in der Wand. In der Hoffnung, den Galgenkönig mit Gesang zu vertreiben, stimmt Carragon ein elbisches Lied an, doch bereits nach wenigen Worten versagt ihm die Stimme. Der Ort ist so mächtig, dass er sie ohne Probleme verstummen lässt.
In der Ferne können wir bereits Orks hören, die uns entgegen kommen. Es gibt keinen anderen Ausgang, durch den wir flüchten können. Doch dank Eitris Führung gelingt es uns, ihnen in diesem Labyrinth immer wieder auszuweichen. So leise es eben geht bahnen wir uns einen Weg nach oben. Im Eingang der Krypta halten vier Orks Wache. Tarannon ist nicht an irgendeiner Taktik interessiert, wie wir uns im Kampf gegen sie einen Vorteil verschaffen können. Stattdessen stürmt er vor und erschlägt zwei Gegner. Eitri und Carragon tun es ihm gleich, der Weg durch die Krypta ist frei.
Im Hof herrscht Aufregung. Zwei Dutzend Orks sind alarmiert und auf den Beinen. Doch ihr Anführer, der beinahe so groß ist wie ein Troll, schafft es kaum, sie zu kontrollieren. Das verschafft uns die Zeit, um uns hinter den Tempel zu schleichen. Dessen schwere verrostete Eisentür, die bewegungslos in den Angeln hängt, steht halb offen. Im richtigen Moment schlüpfen wir hinein.
Vor dem Altar, auf dem ebenfalls das Auge prangt, liegt der Leichnam, den ich vom Dach aus sehen konnte, komplett mumifiziert. Unsere Aufmerksamkeit fällt auf mehrere Truhen, die im Raum stehen. In den meisten befindet sich nur Plunder. Ich wende mich der größten Kiste zu, um das Schloss zu knacken. Doch als ich schon die Arme ausstrecke und sie fast erreicht habe bleibt mir die Luft weg. Ich vermag es nicht, mich weiter zu nähern. Auch Eitri, der direkt hinter mir steht, verschlägt es den Atem. Erst als ich all meine Konzentration aufbringe gelingt es mir, meine Dietriche mit ruhiger Hand zu benutzen. Mit einem Klick springt das Schloss auf. In der Kiste liegt eine schwere, mehrere Meter lange, rostige Eisenkette. Sie ist eindeutig die Quelle der dunklen Magie, die hier wirkt. In die mit Dornen bewährten Kettenglieder sind Runen eingraviert. Niemand ist in der Lage, diese zu deuten. Sofort sind wir alle überzeugt, dass dies der Gegenstand sein muss, mit dessen Hilfe der Galgenkönig in diese Welt eindringen kann. Merwyn schafft es, einen Teil der Kette aus der Kiste zu zerren. Im gleichen Moment bewegt sich der Leichnam. Tarannon, der ahnt was nun folgt, tritt mit dem Stiefel auf den Kopf der Mumie und zertrümmert ihn. Ein Horn ertönt im Hof, also höchste Zeit zu verschwinden. Auf dem gleichen Weg, wie wir hinein gelangt sind, kommen wir wieder heraus.
Als wir unser Lager erreichen müssen wir feststellen, dass sowohl Walar als auch Magric verschwunden sind. Doch es ist keine Zeit, nach ihnen zu suchen. In der Ferne können wir bereits das Bellen der Varge hören, die unsere Witterung aufnehmen. Wir flüchten durch die Sümpfe nach Osten in Richtung des Anduin. Zum Glück sind unsere Verfolger nicht schneller als wir. Nach Stunden erreichen wir im Morgengrauen völlig außer Atem das Ufer. Da tauchen plötzlich zwei Otter vor uns im Wasser auf. Merwyn ist die Erste die versteht, dass die Tiere uns helfen wollen. Sie lenken unsere Blicke auf eine schwimmende Schilfinsel, an die wir uns mit letzter Kraft klammern. Sie trägt uns ans andere Ufer in Sicherheit.
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25.7.2023 Das Fest
Es dauert beinahe den ganzen Tag, bis wir endlich strampelnd und keuchend das Ostufer des Anduin erreichen. Wir glauben, wir seien nun in Sicherheit, doch auch die Varge haben offenbar einen Weg gefunden, den großen Strom zu durchqueren. Ihr Knurren und Heulen im Rücken motiviert uns enorm, nicht langsamer zu werden. Der Nebel, der schwer über den Sümpfen liegt, hat uns die ganze Zeit nicht losgelassen und ist uns über den Fluss gefolgt. Das hohe Gras erschwert nicht nur unser Vorankommen. Auch die großen Wölfe haben zu kämpfen, wir können unseren Vorsprung halten. Im Licht der untergehenden Sonne entdeckt Merwyn einen Pfad, der ostwärts führt. Und Carragon stimmt ein Lied an. Es geht leicht von den Lippen und beschleunigt den Marsch. Zu guter Letzt ist es ein kleiner Kauz, der uns durch die Dunkelheit leitet. Die ganze Nacht hindurch laufen wir, gönnen uns keine Pause. Im Morgengrauen ist deutlich der Düsterwald am nahen Horizont zu erkennen. Auch die Varge verfolgen uns nicht mehr und schließlich erreichen wir Rhosgobel. Nun sind wir in Sicherheit.
Hier erholen wir uns ein paar Tage lang von den Strapazen der letzten Wochen und treffen Balgor wieder. Er ist diesmal allein unterwegs, und zwar in einer ganz speziellen Mission. In einem ruhigen Moment vertraut er uns an, dass er an Mittsommer um die Hand von Gera anhalten möchte. Wir wünschen ihm alles Gute. Das Gespräch mit Radagast ist wie erwartet freundlich aber merkwürdig. Es ist nicht immer einfach, den Worten und Gedanken des Zauberers zu folgen. Wir berichten von unserem Abenteuer in der schwarzen Festung, müssen anschließend aber erfahren, dass er nicht in der in der Lage ist, diese Kette zu zerstören. Dies sei ein Fall für seinen Obersten Saruman. Er werde ihn sofort benachrichtigen.
Im ersten Moment sind wir ratlos. Wir können es nicht mit der gesamten Besatzung des Dwimmerhorns aufnehmen. Wir wissen nicht einmal, ob es sich bei dieser Kette tatsächlich um den Gegenstand handelt, der den Galgenkönig an unsere Welt bindet. Und erst Recht haben wir keine Ahnung, wie man sie zerstören kann. Wir benötigen mehr Informationen und beschließen, diese in Thal zu suchen.
Nach einem viel zu kurzen Aufenthalt im Gasthaus Zum Osten nehmen wir den Elbenpfad. Hier sind wir diesmal nicht alleine, uns begegnen mehrere Reisende. Als wir uns Thranduils Hallen nähern kommt uns Firiel entgegen. Ich begrüße sie überschwänglich, freue mich sehr sie wiederzusehen, anscheinend zu sehr und zu tolpatschig. Sie reagiert kühl und zurückhaltend. Ich frage nach Rodwin und Firiel erzählt uns das wenige, was sie weiß. Rodwin wurde in Dol Guldur verwundet, eine Verletzung die nie ganz verheilt ist. Sie hat sich den Grenzwächtern angeschlossen und den großen Werwolf gejagt. In den Bergen des Düsterwaldes ist sie dann verschwunden. Ich hatte mir so sehr ein Wiedersehen nach 500 Jahren gewünscht. Gemeinsam schlagen wir das Nachtlager auf und setzen am kommenden Morgen die Reise nach Thal fort.
Gloin ist sichtlich erfreut als er uns erblickt. Er herzt uns wie die Kinder, die nach Monaten wieder nach Hause kommen. Was die Kette angeht, da kann er uns leider nicht helfen, davon hat er noch nie gehört. Aber er verschafft uns Zugang zur Bibliothek der Zwerge im Erebor. Dort und auch in Thal durchsuchen wir Hunderte, Tausende Dokumente und Schriftrollen nach Hinweisen. Doch zuerst schreibe ich gemeinsam mit Merwyn, so wie Irimë es vorgeschlagen hatte, unsere eigenen Abenteuer auf in der Hoffnung, dass sie eines Tages für Andere von Nutzen sind. Nach Wochen haben wir genügend Informationen gesammelt, die wir wie ein Puzzle zusammensetzen. Und daraus ergibt sich eine schier unglaubliche Geschichte, die weit in die Vergangenheit bis hinein ins erste Zeitalter reicht. Die Kurzfassung beginnt mit Melkor, der später Morgoth genannt wurde, dem schwarzen Feind der Welt. Er war es der die Drachen erschuf. Um sie zu beherrschen schmiedete er die Kette. Vor dem Untergang von Beleriand wurde sie von Orks geraubt, später von Zwergen erbeutet. Doch in den Tiefen der Berge verliert sich jede Spur, sowohl die der Zwerge als auch der Kette. Wie sie schließlich zum Dwimmerhorn gelangte bleibt wohl für alle Zeit ein Rätsel. Sollte es sich tatsächlich so zugetragen haben, dann handelt es sich um ein mächtiges Artefakt voller böser Magie. Und weder Zwerg, noch Elb oder Mensch werden in der Lage sein, es zu zerstören. Über das Auge, das wir überall in der schwarzen Festung sahen, gibt es keinerlei Aufzeichnungen.
Die oft langweilige und ermüdende Arbeit in verstaubten Archiven wird von einem freudigen Ereignis gestört, dem Fest zum Jubiläum der Schlacht der fünf Heere. Die Stadt ist wie ausgewechselt. Spaß und Freude in den Gassen, Singen und Tanzen in den Gasthäusern. Fröhliche Gesichter und ein gut gelauntes Stimmengewirr erfüllen Plätze und Straßen, machen die Nacht zum Tag. Menschen und Zwerge bevölkern die Stadt, selbst ein paar Elben mischen sich unter die Feiernden. Eine von ihnen ist Firiel. Öfter als gedacht begleitet sie uns in die Tavernen und Schenken. Eine merkwürdige Modeerscheinung aus Dorwinion ändert das Straßenbild. Die Leute tragen Masken in allen Formen und Farben, lustig, grotesk, makaber. Sie beeindrucken mich aber nicht, ganz im Gegenteil. Auf unseren Reisen habe ich zu viele Fratzen ansehen müssen, hinter denen sich nichts Gutes verbirgt.
Neu eingeführt wird in diesem Jahr ein Turnier der Kämpfer, genauer gesagt fünf Turniere. Es gibt Wettkämpfe für Bogenschützen, für Ringer, den Kampf mit Waffen, natürlich aus Holz, mit und ohne Pferd und als Höhepunkt das große Handgemenge bis zum letzten Mann, oder Frau. Auch ich fühle mich berufen am Bogenschützenwettbewerb teilzunehmen, vielleicht sogar verpflichtet. Ein Bardinger bin ich zwar nicht, doch auch in Esgaroth wird der Umgang mit Pfeil und Bogen hoch geschätzt. Durch das Rabentor verlassen wir die Stadt in Richtung der großen Wiesen, wo die Turniere stattfinden. Neben den Teilnehmern, die sich hier anmelden, tummeln sich auch viele Schaulustige. Beim Einschreiben zum Wettbewerb der Bogenschützen entdecke ich ein bekanntes Gesicht. Firiel grinst mich herausfordernd an. Ein solches Turnier in der Stadt der Bardinger ist schon eine Herausforderung. Und dann noch gegen Elben anzutreten macht die Sache nicht einfacher. Vielleicht treten wir ja gegeneinander an.
Auf einer Bühne präsentiert ein Mann hinter einer Maske mit überschwänglichen Worten und übertrieben Gesten neben sich selbst auch Beutel voller Goldmünzen, die er in der Stadt gesammelt hat und die den Gewinnern des Turniers winken. Doch als ich hinter der Maske den Händler Lockmand erkenne werde ich misstrauisch. Er ist kein Unbekannter in Esgaroth. Nicht weil er Vertrauen genießt, sondern ganz im Gegenteil, weil er als hinterlistig und betrügerisch gilt. Mich wundert, dass sich sein zweifelhafter Ruf noch nicht in Thal herumgesprochen hat.
Es ist soweit, der Tag des großen Turniers bricht an. In der Stadt der Bardinger treten sehr viele Bürger, jung und alt, Mann und Frau, selbst einige Zwerge, beim Wettbewerb der Bogenschützen an. Wie erwartet ist kein Geringerer als König Bard höchstselbst unter den Zuschauern. In der Hoffnung, meinem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen zu können, habe ich meinem Bogen am Abend zuvor einen Namen gegeben. Dank Celduins Flut überstehe ich ohne Probleme die erste Runde ebenso wie Firiel. Tarannon scheidet allerdings aus. Im Ringen ist der große Favorit ein Mann namens Gerold. Groß und mächtig wie ein Bär ist es für ihn ein Leichtes, in die nächste Runde einzuziehen. Auch Eitri hat keine Probleme und schickt seinen Gegner in den Dreck. Carragon steht ihm in Nichts nach. Tarannon, der ebenfalls antritt, hat es dagegen schwerer. Sein Gegner, ein Zwerg mit eingeöltem, nackten Oberkörper, versucht ihm mit seinen Muskeln zu imponieren. Doch auch der Waldläufer weiß zu beeindrucken und kämpft mit einer Wolfsmaske. Mit viel Gebrüll rennt er sein Gegenüber einfach über den Haufen. Merwyn tritt zusammen mit Haruf an. Für die Leofringa ist es ein Leichtes, vom Rücken des Pferdes aus gezielt mit der Lanze zu stechen. Die Zuschauer sind beeindruckt vom Auftritt von Ross und Reiterin. Tarannon, der auch in diesem Wettkampf antritt, hat zwar Probleme mit dem fremden Pferd, doch auch er kommt weiter. Insgesamt eine erfolgreiche erste Runde für uns.
Das Aus für mich scheint eigentlich schon besiegelt. Eine plötzliche Böe lenkt meinen Pfeil weit vom Ziel ab. Doch Tarannon wirkt irgendeine geheimnisvolle Art von Magie und ich bekomme eine zweite Chance, die ich auch nutze. Im Finale muss ich mich endgültig geschlagen geben. Gegen Firiel habe ich keine Chance, bin aber auch nicht enttäuscht, gegen eine elbische Bogenschützin zu unterliegen. Spannender wird es beim Ringen. In der Vorschlussrunde treffen Eitri und Tarannon aufeinander. Der Waldläufer hat einen Großteil des Publikums auf seiner Seite, doch auch dem Zwerg wird lautstark zugejubelt. Letzten Endes setzt sich Eitris Kraft gegen Tarannons Gewandtheit durch. Carragon macht es Gerold nicht einfach. Das Publikum hatte mit einem schnellen Sieg des Favoriten gerechnet. Doch dem Beorninger gelingt es immer wieder, sich den Angriffen des Hünen zu entziehen. Die Zuschauer sind begeistert, aber am Ende muss sich Carragon dem Champion geschlagen geben. Im Finale kann Eitri lange Stand halten. Doch schließlich siegen Gerolds schier unmenschliche Muskeln. In einer schnellen Bewegung, die man ihm gar nicht zutraut, kann er Eitri festhalten und wie eine Trophäe in die Höhe stemmen. Ich muss wegsehen als der Zwerg mit voller Wucht zu Boden geschleudert wird. Das Finale im Reiten bestreiten Merwyn und der allseits beliebte Elstan, Hauptmann der Wache von Thal. Spätestens jetzt ist der Ehrgeiz der Leofringa geweckt. Im ersten Durchgang sind beide erfolgreich. Doch im zweiten Abschnitt, die Ziele werden immer kleiner, stößt Merwyn daneben. Der Sieg geht an Elstan.
Gegen Abend findet schließlich der letzte Wettkampf statt, auf den alle gewartet haben, Jeder gegen Jeden. Meinen Kameraden und mir stehen etwa drei Dutzend Gegner gegenüber. Schnell bilden sich Gruppen um Elstan und Gerold. Auch die Zwerge formieren sich. Dagegen haben die Einzelkämpfer keine Chance. Unsere Kampfgemeinschaft muss ebenfalls Federn lassen. Eitri, der noch vom Duell zuvor gezeichnet ist, verlässt humpelnd die Arena. Elstan, mit noch zwei Männern an seiner Seite, kämpft gegen die dezimierte Gruppe der Zwerge. Uns gegenüber steht Gerold, mittlerweile allein. Merwyn versucht ihn einzuschüchtern und ich ihn gleichzeitig abzulenken. In dem Moment stürzen sich Tarannon und Carragon gemeinsam auf ihn. Der Hüne muss einiges einstecken. Da gelingt Carragon ein gezielter Schlag. Er trifft das Kinn und Zähne und Blut fliegen durch die Luft. Im nächsten Augenblick liegt Gerold im Staub. Die Zuschauer staunen nicht schlecht. Mittlerweile haben Elstan und seine Männer alle Zwerge besiegt und erwarten das finale Duell. Merwyn versucht es erneut mit Einschüchtern und ich mit Ablenken. Und es gelingt erneut. Carragon besiegt scheinbar mühelos die beiden Gefolgsleute von Elstan. Ohne seine Helfer hat der Hauptmann keine Chance gegen den schnellen Tarannon und geht zu Boden. Wir haben tatsächlich gewonnen!
Unter lautem Jubel ziehen Teilnehmer und Zuschauer zum Marktplatz, wo das große Abschlussfest stattfindet. Die Stimmung ist ausgelassen, so dass kaum jemandem der merkwürdige Geschmack von Bier und Wein auffällt. Lautstark fordert die Menge „Her mit dem Gold!“ Als Erste werden Firiel und Gerold auf die Bühne gerufen. Alarmiert durch die offensichtlich vergifteten Getränke kämpft sich Merwyn nach vorne und reißt dem Händler die Maske vom Gesicht. Zum Erstaunen aller verbirgt sich dahinter aber nicht Lockmand sondern ein Gaukler. Und statt der erhofften Goldmünzen ist die große Truhe gefüllt mit Vipern. Dem Narr gelingt es, noch einige davon in die Menge zu werfen, aber schließlich wird er selbst zum Opfer. Die Tiere kriechen unter seine Kleidung und beißen zu. Mit einem Tritt gegen den Deckel gelingt es Merwyn die Truhe zu schließen und Schlimmeres zu verhindern. Der Großteil der Gäste krümmt sich mittlerweile vor Krämpfen, übergibt sich oder sinkt zu Boden.
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