Schiffsmeldungen - Die Chroniken von Nio
Posted: Sun Apr 16, 2017 9:26 am
Heimweg mit Umweg (10.4.2017)
Bevor wir Patala endgültig verlassen, machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Gundischapur. Ace sagt, es sei kein großer Umweg. Nicht nur ich bin neugierig auf diese Stadt. Wir fahren über und in den Wolken, damit wir keine Aufmerksamkeit erregen. Das hat allerdings den Nachteil, dass wir nie genau wissen, wo wir wirklich sind. Aber der Elf ist einfach ein herausragender Navigator. Er ist zwar viel zu sehr von seinen Fähigkeiten überzeugt, eigentlich verdient er mal einen Denkzettel, aber er ist auch der beste, mit dem ich je gefahren bin.
Nach acht Tagen sollten wir in Sichtweite der Stadt sein. Aber die Wolkendecke ist so dicht, dass sie keinen Blick nach unten zulässt. Stattdessen erkennen wir in einiger Entfernung eine Art riesiger, dunkler Rauchsäule. Auch die Wolken um uns herum sind nicht mehr weiß, sondern grau, und es riecht verbrannt. In der Rauchsäule taucht plötzlich ein imperiales Schlachtschiff auf. Damit hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet. Und niemand will mit ihm, seinen Kanonen und seiner Besatzung Bekanntschaft machen. Doch damit nicht genug. An Backbord stößt ein weiteres, kleines Schiff durch die Wolken und direkt vor uns höre ich deutlich das Schlagen großer Schwingen. Die Kreatur, die sich uns da in den Weg stellt, erinnert weitestgehend an einen Drachen. Doch sein Blick ist erfüllt von schierer Bosheit. Drachen haben auch immer etwas Edles an sich, was man bei dieser Bestie umsonst sucht. Es ist ein Wyrm, eine Kreatur, die mal ein Drachen werden sollte oder wollte aber nicht gut genug war. Manche sagen, sie seien der Abfall des Drachenvolkes. Schon bald taucht eine zweites dieser Geschöpfe auf sowie ein weiteres Schiff, diesmal an Steuerbord. Es zeigt ein Flaggensignal, wir sollen sofort anhalten. Wir sind uns einig, dem nicht nachzukommen.
Mit einem harten Manöver wendet Ace die Vento um 180 Grad. Es ist das erste mal, dass wir die Flucht antreten, aber wir sahen uns bisher auch nie den Imperialen konfrontiert. Dann macht er den Vorschlag, ich solle einen Blick auf die arkane Ebene werfen. Was ich sehe verblüfft mich. Überall um uns herum ist Magie! Und es sind nur Ausläufer, der äußere Rand von etwas Großem. Irgendwo unter uns muss es eine gigantische Magie-Quelle geben, ein Zentrum, von dem das hier ausgeht.
Die Wyrm greifen nicht an, sie scheinen uns lediglich zu eskortieren. Sie tragen ein markantes Zeichen auf ihren Schuppen, wie eine Tätowierung auf der Haut eines Menschen. Es ist eine Wolfsangel, ein mir völlig unbekanntes Zeichen. Auch die beiden kleinen Schiffe halten sich zurück. Dennoch wendet Ace unsere Jolle erneut und hält genau auf die große Rauchsäule zu, weil er dort Winde vermutet. Und tatsächlich, je näher wir ihr kommen, desto mehr füllen sich die Segel. Allerdings nimmt auch der Gestank zu, und zwar dermaßen, dass manche von uns kurz vor dem Erbrechen sind.
Wie erhofft beginnt die Vento zu steigen. Dabei kommen wir allerdings dem Schlachtschiff gefährlich nah. Wir sind zwar nicht in Reichweite seiner Kanonen, können aber erkennen, dass eine Gruppe Magier an Deck ein Ritual vollzieht. Auch der Rauch steckt voller Magie. Sie ist so stark, dass die Luft knistert und wir sie deutlich auf der Haut fühlen können. Alles ist wie elektrisiert, hier und da zucken sogar kleine Blitze. Bald spüren wir die Auswirkungen des Zaubers der Magier. Der Rauch beginnt sich zu verfestigen. Die Vento wird langsamer und das Atmen fällt uns schwer. Dann beginnt auch Ace zu zaubern. Wie eine Galionsfigur steht er am Bug. Was er entfacht ähnelt seinen Sturm-Geschossen, nur wesentlich größer. Seine Magie macht den Weg frei, die kleine Jolle nimmt wieder mehr Fahrt auf.
Der Aufwind wird stärker und der Gestank nimmt ab. Das Kriegsschiff hält unsere Höhe. Wir hören laut und deutlich eine Stimme, erst in Caer, dann in der Handelssprache: „Fremdes Schiff. Sie sind in den Luftraum von Gundischapur eingedrungen. Stoppen sie ihr Schiff und halten sie sich für eine Durchsuchung bereit.“ Das hat uns gerade noch gefehlt, von Imperialen durchsucht zu werden. In ihren Augen sind wir doch Schmuggler. Das dürfen wir nicht zulassen.
Am oberen Ende der Rauchsäule versiegt der Auftrieb und geht in horizontale Winde über. Ace gesteht uns, dass der Abstecher nach Gundischapur tatsächlich ein großer Umweg war. Wir müssen schnell eine Entscheidung treffen, welchen Übergang in die Geborstenen Himmel wir nehmen. Wir stimmen für die Passage, die auf der Karte der Orks aus Eishafen markiert. Der Elf findet erneut einen guten Wind. Und den können wir gerade gut gebrauchen! Unter uns stößt ein ganzer Schwarm von 30 Wyrm durch die Wolkendecke und acht kleinere Kriegsschiffe nehmen die Verfolgung auf. Doch sie fahren alle mit Maschinen. Ihnen werden irgendwann die Kohlen ausgehen. Nach und nach können wir alle Verfolger abschütteln.
Vor uns liegen zehn Tage hoffentlich ruhiger Fahrt. Die Seelenwinde, denen wir folgen, bringen uns zwar nicht direkt zu dem Übergang, aber immerhin in seine Nähe. Das gibt uns Zeit, sich bei ein paar Gläsern Beerenbrand über die letzten Ereignisse zu unterhalten. Avsana ist überzeugt, dass das imperiale Kriegsschiff und seine Begleiter noch nicht lange in Gundischapur sein können. Wenn König Kisha davon wüsste, hätte er es niemals lange für sich behalten können. Außerdem gibt es dort gar keine Häfen. Die Präsenz einer solchen Flotte ließe sich nicht lange geheim halten. Ace würde gerne zu den Sturmriesen fahren, um sie zu warnen. Der Vorschlag findet unsere Zustimmung. Thraea denkt laut darüber nach, wie uns die fremden Schiffe in und über den Wolken überhaupt ausfindig machen konnten. Sie schlägt vor, die Vento von einem ihrer Schutzgeister inspizieren zu lassen. Das klingt vernünftig. Der entdeckt tatsächlich eine Art magische Markierung an der Bordwand, gleich über dem Kiel. Aber sie ist ihr fremd und niemand hat die Fähigkeit, sie zu entfernen. Auch nach mehreren Tagen hat sie nichts von ihrer Intensität eingebüßt.
Lucca und ich seilen uns an der Bordwand ab. Sie will versuchen, das Zwergenblech und somit die Markierung an der entsprechenden Stelle zu entfernen. Ich soll ihr sagen wo. Sie löst ein paar Nieten einer Platte, biegt das Metall nach außen und legt die Bordwand frei. Ich erkenne sofort, dass auch der Rumpf betroffen ist. Und auch den Grund für die nicht nachlassende Stärke der Magie. Ich sehe ein Auge! Wenn es lebendig ist, kann ich vielleicht ein Bewusstsein entdecken und versuchen, Kontakt aufzunehmen. Die Antwort überrascht mich: „Das hat aber lange gedauert.“ Es nennt mir keinen Namen und ich schaffe es auch nicht, tiefer in seinen Verstand vorzudringen, um zu ergründen, was oder wer es ist. Stattdessen übermittelt es mir Bilder und Koordinaten. Ich sehe einen Übergang, der auf keiner Karte verzeichnet ist, und eine Art schwebende Plattform in den Lüften, an der unzählige Schiffe festmachen können. Die Stimme nennt sie einfach nur Die Basis. Wir sollen sie dorthin bringen. Das klingt wie ein Befehl, der keine Widerrede duldet. Danach beendet sie den Kontakt.
Mit der Markierung an der Bordwand können wir unmöglich zu den Sturmriesen fahren. Damit würden wir nur ihr Versteck verraten. Und an jeder bekannten Passage in der Nähe, die in die Geborstenen Himmel führt, wimmelt es wahrscheinlich von Imperialen. Also entscheiden wir uns für den Übergang, den das Auge mir gezeigt hat. Innerhalb weniger Stunden haben wir besagten Ort erreicht. Weit und breit ist kein anderes Schiff zu sehen. Auch die Fahrt durch das Wurmloch ist vergleichsweise unspektakulär, keine orkanartigen Winde wie auf dem Hinweg. Dieser Weg kann problemlos in beiden Richtungen befahren werden.
Kaum haben wir die andere Seite erreicht, empfängt uns das Glühen mit voller Wucht. Nach so langer Zeit in einer anderen Sphäre kommt es mir vor, als würden wir durch die Flammen eines unsichtbaren Feuers fahren. Die Anzüge, ich habe sie nicht vermisst. Ace meint, wir sind in der East Side und setzt einen Kurs nach Eishafen. Dabei muss er dem Trümmerfeld einer Insel ausweichen, die vor nicht all zu langer Zeit explodiert sein muss.
Erneut nehme ich Kontakt mit dem Auge auf. Die Liste unserer Aufträge ist lang und ich möchte lediglich wissen, wie weit es bis zu dieser Basis ist und ob es ein großer Umweg für uns ist. Die Stimme ist alles andere als erfreut über die Richtung, die wir eingeschlagen haben. Sie war wohl davon ausgegangen, dass wir sofort das gewünschte Ziel ansteuern, doch alles Argumentieren ist nutzlos. Der letzte Satz ist „Ihr wisst wohl nicht, mit wem ihr es zu tun habt. Dann werdet ihr nun meine Macht zu spüren bekommen.“ Ich weiß immer noch nicht, mit wem wir zu tun haben, dennoch habe ich ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.
In dem Trümmerfeld, das nicht nur aus Felsbrocken besteht, formiert sich aus all den Holzresten ein Schiff. Die Vento bleibt abrupt stehen, weil die Windseelen in alle Richtungen flüchten. Das andere Schiff dagegen bewegt sich schnell wie ein Pfeil und liegt binnen Sekunden neben uns. An den Rudern sitzen Tote, die an den Todeskahn erinnern, und tragen ebenso wie die Gestalt am Bug glänzende Rüstungen.
Der Anführer verlässt das Schiff. Bei jedem Schritt verdichtet sich die Luft unter seinen Füßen. Ace ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass ein Fremder ohne seine Zustimmung unsere Jolle betritt. Unser Navigator mag ein dickköpfiger, überheblicher Elf sein, doch wenn es um die Vento geht, ist er auch der tapferste und mutigste. Ich bin verblüfft, als der Gerüstete tatsächlich stehen bleibt und sich vorstellt. Sein Name ist Mor. Ace ist einverstanden und lässt ihn an Bord.
Bei dem Namen werde ich sofort hellhörig. Duncan, Duncan Mor, es ist sein Zweitname, doch er sitzt gefesselt auf dem Knochenthron. Wer steht also vor uns? Der Fremde lüftet alsbald das Geheimnis. Mor ist quasi das Gegenstück von Duncan, wie Himmel und Hölle oder Ying und Yang. Es ist mir allerdings völlig neu, dass zu jedem der Einundzwanzig ein Pendant existiert. Davon habe ich noch nie gehört. Mor behauptet, er sei einmal ein Gott gewesen und habe die Absicht, bald wieder einer zu sein. Sobald er Duncan besiegt habe, wird er der neue Herrscher der Unterwelt sein. Die Vento sei ein einzigartiges Schiff und ab sofort Teil seiner Flotte. Das sind die typischen Worte eines Größenwahnsinnigen!
Ich nehme mir ein Beispiel an Ace und fasse all meinen Mut zusammen. Ich widerspreche Mor und wende ein, dass es ganz und gar unmöglich ist, wir sind schließlich Händler und haben einen guten Ruf zu verlieren. Erneut zitiere ich die lange Liste an Aufträgen, die wir erst noch zu erledigen haben. Bei jedem Wort spüre ich, wie seine Verärgerung immer mehr zunimmt. Als ich Hehlheim erwähne, hebt er seine Axt. Mit voller Wucht trifft sie den Heimstein, der daraufhin in zwei Teile zerbricht aber auch seine Waffe in Mitleidenschaft zieht. Das Blatt ist zerstört. Irritiert blickt Mor auf seine Axt.
Der Zeitpunkt hätte günstiger nicht sein können, als plötzlich die Sturmriesen am Ausgang der Passage auftauchen. Sofort rennt Lucca unter Deck, spornt Calzifer noch im Laufen an, die Maschine zu starten. Ace braucht nur ein paar Schritte, bis er am Ruder steht. Bragg nutzt den Überraschungsmoment und schleudert Mor eine Harpune entgegen, die aber an seiner Rüstung abprallt. Blitze der Sturmriesen zucken durch die Luft, treffen vor allem das andere Schiff und die Krieger. Dann setzt sich die Vento langsam in Bewegung und vergrößert den Abstand, doch vier Gerüstete schaffen es noch, an Bord unserer Jolle zu gelangen. Mor muss fast gleichzeitig zwei schwere Treffer einstecken. Zuerst von einer Harpune von Bragg und dann von einem Bolzen, den Wilz mit der Arbaleste abfeuert. Blut läuft aus den Wunden. Schon beinahe triumphierend rufe ich „Seit wann bluten Götter?“
Von Bragg kommt kurz und knapp „Feigling!“ als Mor das Schiff verlassen will. Er steht schon wieder auf einer kleinen Wolke aus verdichteter Luft, da wird er erneut vom Ork getroffen. Wie auf Befehl stürzen sich die vier Krieger auf Bragg. Sie halten ihn wohl für die größte Bedrohung ihres Anführers. Der Ork wird schwer verletzt und bleibt bewusstlos auf dem Deck liegen.
Ace, der das Steuer an Kobri übergeben hat, feuert ein Sturm-Geschoss ab. Mor beginnt zu taumeln, hebt trotzdem noch einmal seine mächtige Axt. Als wäre sie leicht wie eine Feder, schlägt er vier mal auf das Schiff ein und hinterlässt das Zeichen der Wolfsangel, bevor er endgültig in die Tiefe stürzt. Zusammen mit den Sturmriesen gelingt es uns bald, auch die verbliebenen Krieger an Bord der Vento zu überwältigen. Sie folgen ihrem Anführer in den Abgrund. Ihr Schiff und die Besatzung werden von unzähligen Blitzen zerstört und es kehrt wieder Ruhe ein.
Sofort kümmere ich mich um Bragg und versorge seine Wunden. Ich verordne ihm zwar absolute Bettruhe, doch ich will und kann ihn nicht davon abhalten, in den Jubel der Sturmriesen mit einzustimmen. Sie sind beinahe außer sich vor Freude und ich verstehe langsam, dass Mor ein wirklich mächtiger Gegner ist. Wir haben eine Schlacht gegen ihn gewonnen, aber er wird zurückkehren.
Zur Feier des Tages rollt Kobri zwei Fässer Arrak an Deck. Die Sturmriesen stimmen neue Heldenlieder an, in denen sie die Ruhmestaten der Vento und ihre Mannschaft besingen und die sie in die Welt hinaustragen werden. Ihr größtes Lob bringen sie Bragg entgegen, dem tapfersten aller Orks, und schenken ihm eine Blitz-Harpune. Wilz und ich erhalten jeweils einen Blitz-Bolzen für die Arbalesten. An Ace übergeben sie einen kleinen Kugelblitz, ein Fokus für ihre Festung. Ich nenne ihnen die Koordinaten der Basis.
Jubelnde Seelenwinde tragen uns Rekordzeit nach Eishafen, wo wir den Handel mit dem Haus Eisbrecher abschließen. Auch die Gewürze bringen einen ordentlichen Profit ein. Die Malachit-Steine behalte ich vorerst mit der Absicht, sie in Schattenhafen oder Bhopal zu verkaufen, weil ich mir dort einen größeren Gewinn erhoffe.
Trotz all der guten Stimmung, die an Bord herrscht, gibt es aber auch Grund zur Sorge. Die Wolfsangel, die Mor in die Bordwand schlug, verschwindet einfach nicht so wie all die Schäden, welche die Jolle sonst selbst repariert hat. Wir wissen ja mittlerweile, dass unser Schiff eine Wesenheit ist, die wir bisher noch nicht ergründen konnten. Doch wenn man es mit einem lebendigen Wesen vergleicht, dann ist die Vento schwer verletzt. Und nur ihre Erbauer können sie heilen, die Elfen.
Bevor wir Patala endgültig verlassen, machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Gundischapur. Ace sagt, es sei kein großer Umweg. Nicht nur ich bin neugierig auf diese Stadt. Wir fahren über und in den Wolken, damit wir keine Aufmerksamkeit erregen. Das hat allerdings den Nachteil, dass wir nie genau wissen, wo wir wirklich sind. Aber der Elf ist einfach ein herausragender Navigator. Er ist zwar viel zu sehr von seinen Fähigkeiten überzeugt, eigentlich verdient er mal einen Denkzettel, aber er ist auch der beste, mit dem ich je gefahren bin.
Nach acht Tagen sollten wir in Sichtweite der Stadt sein. Aber die Wolkendecke ist so dicht, dass sie keinen Blick nach unten zulässt. Stattdessen erkennen wir in einiger Entfernung eine Art riesiger, dunkler Rauchsäule. Auch die Wolken um uns herum sind nicht mehr weiß, sondern grau, und es riecht verbrannt. In der Rauchsäule taucht plötzlich ein imperiales Schlachtschiff auf. Damit hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet. Und niemand will mit ihm, seinen Kanonen und seiner Besatzung Bekanntschaft machen. Doch damit nicht genug. An Backbord stößt ein weiteres, kleines Schiff durch die Wolken und direkt vor uns höre ich deutlich das Schlagen großer Schwingen. Die Kreatur, die sich uns da in den Weg stellt, erinnert weitestgehend an einen Drachen. Doch sein Blick ist erfüllt von schierer Bosheit. Drachen haben auch immer etwas Edles an sich, was man bei dieser Bestie umsonst sucht. Es ist ein Wyrm, eine Kreatur, die mal ein Drachen werden sollte oder wollte aber nicht gut genug war. Manche sagen, sie seien der Abfall des Drachenvolkes. Schon bald taucht eine zweites dieser Geschöpfe auf sowie ein weiteres Schiff, diesmal an Steuerbord. Es zeigt ein Flaggensignal, wir sollen sofort anhalten. Wir sind uns einig, dem nicht nachzukommen.
Mit einem harten Manöver wendet Ace die Vento um 180 Grad. Es ist das erste mal, dass wir die Flucht antreten, aber wir sahen uns bisher auch nie den Imperialen konfrontiert. Dann macht er den Vorschlag, ich solle einen Blick auf die arkane Ebene werfen. Was ich sehe verblüfft mich. Überall um uns herum ist Magie! Und es sind nur Ausläufer, der äußere Rand von etwas Großem. Irgendwo unter uns muss es eine gigantische Magie-Quelle geben, ein Zentrum, von dem das hier ausgeht.
Die Wyrm greifen nicht an, sie scheinen uns lediglich zu eskortieren. Sie tragen ein markantes Zeichen auf ihren Schuppen, wie eine Tätowierung auf der Haut eines Menschen. Es ist eine Wolfsangel, ein mir völlig unbekanntes Zeichen. Auch die beiden kleinen Schiffe halten sich zurück. Dennoch wendet Ace unsere Jolle erneut und hält genau auf die große Rauchsäule zu, weil er dort Winde vermutet. Und tatsächlich, je näher wir ihr kommen, desto mehr füllen sich die Segel. Allerdings nimmt auch der Gestank zu, und zwar dermaßen, dass manche von uns kurz vor dem Erbrechen sind.
Wie erhofft beginnt die Vento zu steigen. Dabei kommen wir allerdings dem Schlachtschiff gefährlich nah. Wir sind zwar nicht in Reichweite seiner Kanonen, können aber erkennen, dass eine Gruppe Magier an Deck ein Ritual vollzieht. Auch der Rauch steckt voller Magie. Sie ist so stark, dass die Luft knistert und wir sie deutlich auf der Haut fühlen können. Alles ist wie elektrisiert, hier und da zucken sogar kleine Blitze. Bald spüren wir die Auswirkungen des Zaubers der Magier. Der Rauch beginnt sich zu verfestigen. Die Vento wird langsamer und das Atmen fällt uns schwer. Dann beginnt auch Ace zu zaubern. Wie eine Galionsfigur steht er am Bug. Was er entfacht ähnelt seinen Sturm-Geschossen, nur wesentlich größer. Seine Magie macht den Weg frei, die kleine Jolle nimmt wieder mehr Fahrt auf.
Der Aufwind wird stärker und der Gestank nimmt ab. Das Kriegsschiff hält unsere Höhe. Wir hören laut und deutlich eine Stimme, erst in Caer, dann in der Handelssprache: „Fremdes Schiff. Sie sind in den Luftraum von Gundischapur eingedrungen. Stoppen sie ihr Schiff und halten sie sich für eine Durchsuchung bereit.“ Das hat uns gerade noch gefehlt, von Imperialen durchsucht zu werden. In ihren Augen sind wir doch Schmuggler. Das dürfen wir nicht zulassen.
Am oberen Ende der Rauchsäule versiegt der Auftrieb und geht in horizontale Winde über. Ace gesteht uns, dass der Abstecher nach Gundischapur tatsächlich ein großer Umweg war. Wir müssen schnell eine Entscheidung treffen, welchen Übergang in die Geborstenen Himmel wir nehmen. Wir stimmen für die Passage, die auf der Karte der Orks aus Eishafen markiert. Der Elf findet erneut einen guten Wind. Und den können wir gerade gut gebrauchen! Unter uns stößt ein ganzer Schwarm von 30 Wyrm durch die Wolkendecke und acht kleinere Kriegsschiffe nehmen die Verfolgung auf. Doch sie fahren alle mit Maschinen. Ihnen werden irgendwann die Kohlen ausgehen. Nach und nach können wir alle Verfolger abschütteln.
Vor uns liegen zehn Tage hoffentlich ruhiger Fahrt. Die Seelenwinde, denen wir folgen, bringen uns zwar nicht direkt zu dem Übergang, aber immerhin in seine Nähe. Das gibt uns Zeit, sich bei ein paar Gläsern Beerenbrand über die letzten Ereignisse zu unterhalten. Avsana ist überzeugt, dass das imperiale Kriegsschiff und seine Begleiter noch nicht lange in Gundischapur sein können. Wenn König Kisha davon wüsste, hätte er es niemals lange für sich behalten können. Außerdem gibt es dort gar keine Häfen. Die Präsenz einer solchen Flotte ließe sich nicht lange geheim halten. Ace würde gerne zu den Sturmriesen fahren, um sie zu warnen. Der Vorschlag findet unsere Zustimmung. Thraea denkt laut darüber nach, wie uns die fremden Schiffe in und über den Wolken überhaupt ausfindig machen konnten. Sie schlägt vor, die Vento von einem ihrer Schutzgeister inspizieren zu lassen. Das klingt vernünftig. Der entdeckt tatsächlich eine Art magische Markierung an der Bordwand, gleich über dem Kiel. Aber sie ist ihr fremd und niemand hat die Fähigkeit, sie zu entfernen. Auch nach mehreren Tagen hat sie nichts von ihrer Intensität eingebüßt.
Lucca und ich seilen uns an der Bordwand ab. Sie will versuchen, das Zwergenblech und somit die Markierung an der entsprechenden Stelle zu entfernen. Ich soll ihr sagen wo. Sie löst ein paar Nieten einer Platte, biegt das Metall nach außen und legt die Bordwand frei. Ich erkenne sofort, dass auch der Rumpf betroffen ist. Und auch den Grund für die nicht nachlassende Stärke der Magie. Ich sehe ein Auge! Wenn es lebendig ist, kann ich vielleicht ein Bewusstsein entdecken und versuchen, Kontakt aufzunehmen. Die Antwort überrascht mich: „Das hat aber lange gedauert.“ Es nennt mir keinen Namen und ich schaffe es auch nicht, tiefer in seinen Verstand vorzudringen, um zu ergründen, was oder wer es ist. Stattdessen übermittelt es mir Bilder und Koordinaten. Ich sehe einen Übergang, der auf keiner Karte verzeichnet ist, und eine Art schwebende Plattform in den Lüften, an der unzählige Schiffe festmachen können. Die Stimme nennt sie einfach nur Die Basis. Wir sollen sie dorthin bringen. Das klingt wie ein Befehl, der keine Widerrede duldet. Danach beendet sie den Kontakt.
Mit der Markierung an der Bordwand können wir unmöglich zu den Sturmriesen fahren. Damit würden wir nur ihr Versteck verraten. Und an jeder bekannten Passage in der Nähe, die in die Geborstenen Himmel führt, wimmelt es wahrscheinlich von Imperialen. Also entscheiden wir uns für den Übergang, den das Auge mir gezeigt hat. Innerhalb weniger Stunden haben wir besagten Ort erreicht. Weit und breit ist kein anderes Schiff zu sehen. Auch die Fahrt durch das Wurmloch ist vergleichsweise unspektakulär, keine orkanartigen Winde wie auf dem Hinweg. Dieser Weg kann problemlos in beiden Richtungen befahren werden.
Kaum haben wir die andere Seite erreicht, empfängt uns das Glühen mit voller Wucht. Nach so langer Zeit in einer anderen Sphäre kommt es mir vor, als würden wir durch die Flammen eines unsichtbaren Feuers fahren. Die Anzüge, ich habe sie nicht vermisst. Ace meint, wir sind in der East Side und setzt einen Kurs nach Eishafen. Dabei muss er dem Trümmerfeld einer Insel ausweichen, die vor nicht all zu langer Zeit explodiert sein muss.
Erneut nehme ich Kontakt mit dem Auge auf. Die Liste unserer Aufträge ist lang und ich möchte lediglich wissen, wie weit es bis zu dieser Basis ist und ob es ein großer Umweg für uns ist. Die Stimme ist alles andere als erfreut über die Richtung, die wir eingeschlagen haben. Sie war wohl davon ausgegangen, dass wir sofort das gewünschte Ziel ansteuern, doch alles Argumentieren ist nutzlos. Der letzte Satz ist „Ihr wisst wohl nicht, mit wem ihr es zu tun habt. Dann werdet ihr nun meine Macht zu spüren bekommen.“ Ich weiß immer noch nicht, mit wem wir zu tun haben, dennoch habe ich ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.
In dem Trümmerfeld, das nicht nur aus Felsbrocken besteht, formiert sich aus all den Holzresten ein Schiff. Die Vento bleibt abrupt stehen, weil die Windseelen in alle Richtungen flüchten. Das andere Schiff dagegen bewegt sich schnell wie ein Pfeil und liegt binnen Sekunden neben uns. An den Rudern sitzen Tote, die an den Todeskahn erinnern, und tragen ebenso wie die Gestalt am Bug glänzende Rüstungen.
Der Anführer verlässt das Schiff. Bei jedem Schritt verdichtet sich die Luft unter seinen Füßen. Ace ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass ein Fremder ohne seine Zustimmung unsere Jolle betritt. Unser Navigator mag ein dickköpfiger, überheblicher Elf sein, doch wenn es um die Vento geht, ist er auch der tapferste und mutigste. Ich bin verblüfft, als der Gerüstete tatsächlich stehen bleibt und sich vorstellt. Sein Name ist Mor. Ace ist einverstanden und lässt ihn an Bord.
Bei dem Namen werde ich sofort hellhörig. Duncan, Duncan Mor, es ist sein Zweitname, doch er sitzt gefesselt auf dem Knochenthron. Wer steht also vor uns? Der Fremde lüftet alsbald das Geheimnis. Mor ist quasi das Gegenstück von Duncan, wie Himmel und Hölle oder Ying und Yang. Es ist mir allerdings völlig neu, dass zu jedem der Einundzwanzig ein Pendant existiert. Davon habe ich noch nie gehört. Mor behauptet, er sei einmal ein Gott gewesen und habe die Absicht, bald wieder einer zu sein. Sobald er Duncan besiegt habe, wird er der neue Herrscher der Unterwelt sein. Die Vento sei ein einzigartiges Schiff und ab sofort Teil seiner Flotte. Das sind die typischen Worte eines Größenwahnsinnigen!
Ich nehme mir ein Beispiel an Ace und fasse all meinen Mut zusammen. Ich widerspreche Mor und wende ein, dass es ganz und gar unmöglich ist, wir sind schließlich Händler und haben einen guten Ruf zu verlieren. Erneut zitiere ich die lange Liste an Aufträgen, die wir erst noch zu erledigen haben. Bei jedem Wort spüre ich, wie seine Verärgerung immer mehr zunimmt. Als ich Hehlheim erwähne, hebt er seine Axt. Mit voller Wucht trifft sie den Heimstein, der daraufhin in zwei Teile zerbricht aber auch seine Waffe in Mitleidenschaft zieht. Das Blatt ist zerstört. Irritiert blickt Mor auf seine Axt.
Der Zeitpunkt hätte günstiger nicht sein können, als plötzlich die Sturmriesen am Ausgang der Passage auftauchen. Sofort rennt Lucca unter Deck, spornt Calzifer noch im Laufen an, die Maschine zu starten. Ace braucht nur ein paar Schritte, bis er am Ruder steht. Bragg nutzt den Überraschungsmoment und schleudert Mor eine Harpune entgegen, die aber an seiner Rüstung abprallt. Blitze der Sturmriesen zucken durch die Luft, treffen vor allem das andere Schiff und die Krieger. Dann setzt sich die Vento langsam in Bewegung und vergrößert den Abstand, doch vier Gerüstete schaffen es noch, an Bord unserer Jolle zu gelangen. Mor muss fast gleichzeitig zwei schwere Treffer einstecken. Zuerst von einer Harpune von Bragg und dann von einem Bolzen, den Wilz mit der Arbaleste abfeuert. Blut läuft aus den Wunden. Schon beinahe triumphierend rufe ich „Seit wann bluten Götter?“
Von Bragg kommt kurz und knapp „Feigling!“ als Mor das Schiff verlassen will. Er steht schon wieder auf einer kleinen Wolke aus verdichteter Luft, da wird er erneut vom Ork getroffen. Wie auf Befehl stürzen sich die vier Krieger auf Bragg. Sie halten ihn wohl für die größte Bedrohung ihres Anführers. Der Ork wird schwer verletzt und bleibt bewusstlos auf dem Deck liegen.
Ace, der das Steuer an Kobri übergeben hat, feuert ein Sturm-Geschoss ab. Mor beginnt zu taumeln, hebt trotzdem noch einmal seine mächtige Axt. Als wäre sie leicht wie eine Feder, schlägt er vier mal auf das Schiff ein und hinterlässt das Zeichen der Wolfsangel, bevor er endgültig in die Tiefe stürzt. Zusammen mit den Sturmriesen gelingt es uns bald, auch die verbliebenen Krieger an Bord der Vento zu überwältigen. Sie folgen ihrem Anführer in den Abgrund. Ihr Schiff und die Besatzung werden von unzähligen Blitzen zerstört und es kehrt wieder Ruhe ein.
Sofort kümmere ich mich um Bragg und versorge seine Wunden. Ich verordne ihm zwar absolute Bettruhe, doch ich will und kann ihn nicht davon abhalten, in den Jubel der Sturmriesen mit einzustimmen. Sie sind beinahe außer sich vor Freude und ich verstehe langsam, dass Mor ein wirklich mächtiger Gegner ist. Wir haben eine Schlacht gegen ihn gewonnen, aber er wird zurückkehren.
Zur Feier des Tages rollt Kobri zwei Fässer Arrak an Deck. Die Sturmriesen stimmen neue Heldenlieder an, in denen sie die Ruhmestaten der Vento und ihre Mannschaft besingen und die sie in die Welt hinaustragen werden. Ihr größtes Lob bringen sie Bragg entgegen, dem tapfersten aller Orks, und schenken ihm eine Blitz-Harpune. Wilz und ich erhalten jeweils einen Blitz-Bolzen für die Arbalesten. An Ace übergeben sie einen kleinen Kugelblitz, ein Fokus für ihre Festung. Ich nenne ihnen die Koordinaten der Basis.
Jubelnde Seelenwinde tragen uns Rekordzeit nach Eishafen, wo wir den Handel mit dem Haus Eisbrecher abschließen. Auch die Gewürze bringen einen ordentlichen Profit ein. Die Malachit-Steine behalte ich vorerst mit der Absicht, sie in Schattenhafen oder Bhopal zu verkaufen, weil ich mir dort einen größeren Gewinn erhoffe.
Trotz all der guten Stimmung, die an Bord herrscht, gibt es aber auch Grund zur Sorge. Die Wolfsangel, die Mor in die Bordwand schlug, verschwindet einfach nicht so wie all die Schäden, welche die Jolle sonst selbst repariert hat. Wir wissen ja mittlerweile, dass unser Schiff eine Wesenheit ist, die wir bisher noch nicht ergründen konnten. Doch wenn man es mit einem lebendigen Wesen vergleicht, dann ist die Vento schwer verletzt. Und nur ihre Erbauer können sie heilen, die Elfen.