Der Ruf des Abenteuers

Für Diskussionen zur Mittelerde-Kampagen
Macalla
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Der Ruf des Abenteuers

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14.2.2023 Verfolgung in der Wildnis
Die Spur, die der Flüchtende hinterlassen hat, führt eindeutig nach Norden. Es ist nicht schwierig, sie wieder aufzunehmen und ihr zu folgen. Trotzdem fragen wir auch auf jedem Hof, den wir finden, ob die Bewohner Hinweise haben. Doch ohne Erfolg. Bei einem Gebäude sieht die Sache dagegen völlig anders aus. Zum einen weisen Fußabdrücke und platt getretene Gräser genau dorthin, zum anderen handelt es sich um den Hof von Carragons Familie. Nun sind wir aus anderen Gründen sehr aufmerksam.
Zugegeben, das Verhältnis zu meinen Eltern könnte auch besser sein, es ist aber auf jeden Fall besser als das, was ich hier beobachte. Zwei Hunde stürmen mit lautem Bellen auf uns zu, doch als sie Carragon wahrnehmen, begrüßen sie ihn mit offensichtlich großer spielerischer Freude. Ganz anders als die groß gewachsene Frau, die mit verschränkten Armen vor dem Haus steht. „Hallo Frau Mutter“ ist alles, was Carragon zustande bringt. „Lässt Du Dich auch mal wieder zu Hause blicken?“ Eine dermaßen emotionslose Begrüßung hatte ich nicht erwartet. Keine Umarmungen, keine herzlichen Küsse oder anderen Rituale. Schließlich ist es die Schwester Corren, die das Eis bricht und uns hinein bittet. Ihr Ehemann Gerwulf hält sich vornehm zurück, Mutter Brytta beobachtet die Szene mit Distanz. Zur Begrüßung werden leckere Dinge aufgetischt, der berühmte Honigkuchen der Beorninger, dazu frische Erdbeeren und Sahne. Die Menschen im Tal wissen, wie man sich und anderen das Leben versüßt!
Bryttas Laune wird auch im Laufe des Abends nicht besser. Für gewährte Gastfreundschaft erwartet sie eine Gegenleistung, dass wir uns im Haushalt nützlich machen, was wir auch bereitwillig tun. Eitri hackt Holz, Merwyn kümmert sich um die Tiere, ich nehme den Besen in die Hand und Tarannon kommt mit erlegtem Geflügel zurück. Als wir später gemeinsam am Feuer sitzen und von unseren Abenteuern im Düsterwald und auf dem Hohen Pass erzählen, zieht sich Brytta demonstrativ zurück. Wir erfahren, warum sie so verbittert ist. Uns ist längst aufgefallen, dass in diesem Haus kein Vater anwesend ist. Der hatte als Abenteurer zu oft die Familie alleine gelassen und kehrte irgendwann nicht mehr zurück. Nur einige Schwerter, die noch immer an der Wand hängen, sind übrig geblieben.
Am kommenden Morgen erzählt Brytta, dass tatsächlich ein Fremder hier war. Jemand der noch Manieren hatte, was sie in aller Deutlichkeit erwähnt. Er nannte sich Turin, die Beschreibung passt. Gerwulf ergänzt, dass der ihm bereits vor langer Zeit in Steinfurt aufgefallen war. Nach einem guten Frühstück setzen wir unsere Suche fort. Nicht nur ich bin froh, dieses Haus zu verlassen.
Noch am gleichen Tag erreichen wir Steinfurt. Wir hatten bisher nur einzelne Höfe im Tal gesehen, das hier ist dagegen die erste größere Siedlung. Sie ist von einer Palisade umgeben, die sechs Langhäuser einschließt in denen etwa fünfzig Menschen leben. Es ist die letzte Ortschaft, die man noch zum Einflussbereich der Beorninger zählen kann bevor weiter nördlich das Land der Viglundinger beginnt. Drei Personen kommen zielstrebig auf uns zu, eine Frau in Begleitung eines älteren Mannes sowie eines Bewaffneten. Carragon übernimmt wie selbstverständlich die Begrüßung, „Carragon von Bryttas Hof und im Auftrag von Beorn“. Dabei wendet er, nicht nur zu meiner großen Überraschung, Magie an. Er wirkt plötzlich größer und beeindruckender, seine Stimme dröhnt tiefer und durchdringender, insgesamt wird seine Gestalt der von Beorn ähnlich. Er steckt voller Überraschungen. Doch der Auftritt wäre nicht nötig gewesen. Ava heißt uns willkommen und zeigt dabei keinerlei Anzeichen von Feindseligkeit, nur gesunde Skepsis. Nachdem Carragon sich und uns vorgestellt sowie unser Anliegen vorgetragen hat, bittet sie uns in ihr Haus. Der ältere Mann, ihr Vater Hartwulf, sowie Willifert der Bewaffnete halten sich zurück während sie redet. Sie ist so etwas wie die Bürgermeisterin, sie spricht für den Ort. Die Unterhaltung ist ungezwungen, sie dreht sich hauptsächlich um unseren Auftrag und Ava ist erleichtert, dass sich jemand um die Sache kümmert. Dabei erfahren wir Neuigkeiten. Der Name des Flüchtenden ist Oderic, er ist Fallensteller und Jäger wie sein Stiefvater Helmgut. Im Streit soll er Rathic, den Ehemann seiner Stiefschwester Brunhilde erschlagen haben. Oderic war vor drei Tagen hier und ist dann am Westufer in der Wildnis verschwunden. Unsere Suche kann also weiter gehen.
Merwyn ist wesentlich neugieriger als wir. Oder ist es weibliche Intuition? Sie geht zu Helmguts Haus. Die Tür ist zwar geschlossen aber nicht verriegelt, also eine Gelegenheit, hinein zu schleichen. Es ist beinahe totenstill, nur ein Schnarchen ist zu hören. Es stammt von einem Mann, der in der Stube liegt, offensichtlich sturzbetrunken. Der Geruch nach Alkohol und der am Boden liegende leere Krug lassen nichts anderes vermuten. Das muss Helmgut sein. Wer kann es ihm verdenken nach so einer Tragödie. Wieder draußen schaut Merwyn sich unauffällig um und wartet auf Brunhilde, die bald darauf zurück kehrt. Das Gespräch der beiden ist unterkühlt und Brunhilde sehr zurückhaltend, fast so als hätte sie etwas zu verbergen. Was tatsächlich auch der Fall ist. Merwyn kann ihr zwar keine Beweise entlocken, doch sie ist davon überzeugt, dass Brunhilde dem Flüchtenden geholfen hat. In dieser Familie gibt es viel Unausgesprochenes. Ob dort jemals wieder Frieden einkehrt?
Da es am Westufer keine Wege gibt, lassen wir die Ponys zurück. Nachdem der Fischer Feric uns abgesetzt hat beginnt erneut die Spurensuche. Der Waldläufer kann die Wildnis lesen wie sonst keiner. Er bemerkt, dass die Stiefelabdrücke sich geändert haben. Das bestätigt Merwyns Verdacht. Diesmal hat sich Oderic allerdings nach Süden gewandt. Manchmal können wir Wildwechseln folgen, doch die meiste Zeit gehen wir querfeldein und kommen dabei den Bergen immer näher. Nach drei Tagen erreichen wir eine Stelle, die Spuren von mehreren Personen aufweist. Hier muss es eine Auseinandersetzung gegeben haben, das Bruchstück eines Schildes weist darauf hin. Zum Glück kein Orkschild. Oderic scheint sich kurz gewehrt zu haben, wurde aber anscheinend schnell überwältigt. Kein vertrocknetes Blut ist auf dem Waldboden zu sehen.
Ab hier ist es kein Problem der Fährte zu folgen. Schon bald treffen wir auf eine Patrouille von vier Bewaffneten. Ihr Anführer Auric grüßt uns zwar, ist aber alles andere als freundlich. Dabei liegen seine Hände und die seiner Begleiter demonstrativ auf den Waffen. Da wir es nicht auf eine Auseinandersetzung angelegt haben folgen wir ihnen. Bald erreichen wir ein gut verstecktes Lager mitten im Wald. Etwa drei Dutzend Personen leben hier zwischen großen und kleinen Zelten sowie einer zentralen Feuerstelle, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Aus dem größten Zelt kommt uns ein großer bereits etwas älterer Mann mit grauem Bart entgegen, Valgorn der Anführer. Ohne Umschweife kommen wir auf den Punkt, dass wir Oderic suchen. Der stehe jetzt unter seinem Schutz, meint dagegen Valgorn. Als er seinen Namen hört, kommt auch der Gesuchte aus dem großen Zelt. Demonstrativ legt ihm der Anführer den Arm auf die Schulter. Valgorns Worte sind scheinheilig. Er sagt zwar, dass wir seine Gäste sind, meint aber Gefangene. Mir gefällt die Sache ganz und gar nicht. Schneller als er reagieren kann könnte ich ihn mit einem Pfeil spicken. Doch die anderen deuten mir, mich ruhig zu verhalten. Spielen wir also fürs Erste mit.
Als das große Feuer lodert nutzt Tarannon die Gelegenheit für einen Test. Im Schein der Flammen stimmt er ein Lied an, singt auf Sindarin ein Lied über das Leben der Dúnedain. Aufmerksam hört Valgorn zu. Es ist nicht die Stimme des Waldläufers die ihn fasziniert. Es sind die Worte, die Sprache und die Geschichten. Es ist so, wie Tarannon vermutet hatte. Dieser Mann ist oder war einst mit den Dúnedain verbunden. Merwyn holt ihr Zwergenspielzeug hervor. Die mechanischen Wildgänse verfehlen nicht ihre Wirkung. Schnell kommt sie den Kindern näher. Die meisten von ihnen stammen aus dem Westen jenseits der Berge oder aus dem Süden. Fast immer war es so, dass Valgorn und seine Leute die Häuser und Siedlungen überfielen und beraubten, jeden der sich wehrt umbrachten sowie Frauen und Kinder als Beute mitnahmen. Ich schleiche mich in der Dunkelheit hinter das große Zelt und lausche. Die Stimme des Anführers ist unverkennbar. Ich hatte mit dem gerechnet, was ich da höre. Doch die Deutlichkeit der Worte erschrecken mich trotzdem. Er sei für Höheres geboren, sagt er. Er sei zum Herrscher, zum König bestimmt, sagt er. Er werde bald den Fluss überqueren und nehmen was ihm zusteht, sagt er. Solange sind wir seine Gefangenen, sagt er. Schurken! Verbrecher! Mörder! Ich muss mich zurückhalten.
Die Nacht ist alles andere als ruhig und erholsam. Nicht wegen eines Zwischenfalls im Lager. Schlimmer! In unseren Träumen versucht der Schatten auf uns einzuwirken. Er flüstert uns Dinge ein, die unsere tiefsten Begehren wecken sollen. Tarannon sei ein mächtiger Mann, auserwählt um Untergebene, Heere, ja sogar ein Königreich zu lenken und zu führen. Merwyn erinnert sich dagegen an etwas völlig anderes, dass sie sich nicht so sehr um das Schicksal Anderer kümmern und stattdessen egoistischer handeln solle. Ich sehe in meinen Träumen Schätze und Reichtümer die auf mich warten, wenn ich mich Valgorn anschließe. Nur Carragon kann widerstehen. Wir sind allesamt davon überzeugt, dass irgendein verfluchter Gegenstand wie Belgos Anhänger dafür verantwortlich ist. Den müssen wir unbedingt finden und den Schatten entlarven.
Auf Zeit spielen, unsere Bewacher ablenken, herausfinden wie sie reagieren und möglichst viele Informationen zusammen tragen, das ist unsere Devise. Der erste, der damit beginnt, ist Tarannon. Bewaffnet mit Pfeil und Bogen geht er auf die Jagd und wird dabei von Valgorn begleitet. Auric will den beiden folgen, doch Carragon hält ihn davon ab. Unterdessen redet Merwyn weiter auf Oderic ein, versucht ihn zu überzeugen, dass es ein Fehler ist, sich diesen Gesetzlosen anzuschließen. Ihre Worte bewirken etwas in ihm. Sie erfährt, dass Valgorn Steinfurt einnehmen will und Oderic Boote beschaffen soll. Und noch wichtiger, das schlechte Gewissen beginnt bereits an ihm zu nagen. Ich nutze die Gelegenheit, dem großen Zelt einen weiteren Besuch abzustatten. Zwischen zwei Schlafplätzen entdecke ich eine eisenbeschlagene Truhe, deren Schloss schnell geknackt ist. Vorsichtig öffne ich den Lederbeutel, den ich darin finde und schütte den Inhalt auf den Boden. Das Entsetzen packt mich als ein mumifizierter Schädel mit Haut und Haaren über den Boden kullert. Und dann öffnet dieses Ding auch noch die Augen und grinst mich an. Das ist zu viel für mich und ich flüchte ins Freie.
Gerade außer Sicht- und Rufreichweite des Lagers zeigt Valgorn sein wahres Gesicht. Mit angelegtem Bogen bedroht er plötzlich Tarannon. Dabei faselt er davon, dass er sich von seiner Sippe ausgestoßen und um sein Erbrecht betrogen fühlt, das er sich aber bald selbst verdienen wird. Und schießt tatsächlich auf Tarannon. Doch der Pfeil streift nur die Rüstung. Mit gezogenem Schwert kommt er auf ihn zu. Unser Waldläufer flüchtet und lockt ihn somit weiter vom Lager weg. Mit jedem Schritt wird Valgorn langsamer. Er hat keine Chance den flinken Tarannon einzuholen.
Wild gestikulierend und kaum in der Lage einen ganzen Satz zu sprechen komme ich zu Carragon und Merwyn. Es dauert einen Moment bis die beiden mich einigermaßen beruhigen können und ich ihnen erzählen kann, was ich entdeckt habe. Ohne zu zögern stürmen sie auf das große Zelt zu. Auric versucht sie aufzuhalten, aber Oderic hält ihn zurück. Carragon handelt sofort. Mit seiner Axt hackt er den Schädel in Stücke und verbrennt die Reste im Feuer. Mittlerweile haben sich auch die anderen Bewohner des Lagers versammelt. Auric hat längst die Kontrolle über sie verloren. Mit Entsetzen beobachten sie, was vor sich geht. Da taucht plötzlich Tarannon am Rand des Lagers auf. Mit Gesten fordert er uns auf, schnell unsere Sachen zusammen zu packen und ihm zu folgen. So schnell wie die Füße uns tragen flüchten wir hinab ins Tal. Gemeinsam mit Oderic.
Macalla
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28.2.2023 Kampf um Steinfurt
In der Nähe des Lagers können wir noch einem Pfad folgen. Aber der endet bald. Ein Bachlauf gibt nun den Weg vor. Doch dessen Wasser stürzen sich irgendwann über eine Abbruchkante 30 Meter in die Tiefe. Unsere Flucht endet fürs Erste abrupt. Mit Hilfe eines Seils gelingt der schwierige Abstieg bevor die Verfolger uns einholen können. Allerdings müssen wir das Seil zurück lassen. Ganze zwei Stunden lang geht es immer nur abwärts, mal durch lichten Wald, mal durch dichtes Unterholz, mal über offene Lichtungen. Schließlich erreichen wir den Talboden, müssen uns ab hier aber immer wieder durch sumpfige Bereiche, tiefes stehendes Wasser und hohes Schilfgras kämpfen. Zuerst hören wir ihn rauschen, dann sehen wir den Anduin in der Sonne glitzern.
Wir haben keine Zeit, um ein ordentliches Floss zu bauen. Stattdessen versuchen wir zwei Baumstämme zusammen zu binden. An denen wollen wir uns festhalten, während die Strömung Holz und Menschen flussabwärts trägt. Die Arbeit ist mühsam und langwierig und gibt unseren Verfolgern die Möglichkeit, aufzuholen. Was ihnen auch gelingt. Zufällig, aus dem Augenwinkel entdeckt Merwyn einen von ihnen. Noch bevor sie irgendetwas unternehmen oder gar rufen kann wird sie beschossen, doch der Pfeil landet im Wasser. Auch sie zückt umgehend ihren Bogen, hält uns den Rücken frei und verschafft uns Zeit. Sie verfehlt zwar ebenfalls das Ziel, doch der Angreifer muss sich erst einmal zurück ziehen.
Auf vielen verschiedenen Booten und Flössen bin ich bereits über den Langen See gefahren, doch das hier ist mit Abstand das abenteuerlichste und waghalsigste Gefährt, mit dem ich je Wasser überquert habe. Not macht eben erfinderisch, und es musste schnell gehen. Mit letzter Kraft schieben wir unser provisorisches Floss auf den Fluss hinaus. Merwyn deckt uns sowie ihren eigenen Rückzug, indem sie einen Pfeil nach dem anderen von der Sehne schnellen lässt. Sie möchte schließlich auch einen Platz für die wilde Fahrt auf dem Fluss ergattern. Sie schießt so schnell, dass selbst die Bardinger aus Esgaroth vor Neid erblassen würden. Das ist auch unbedingt nötig, denn mittlerweile haben zwei weitere Verfolger aufgeschlossen. Wir kommen nur langsam damit voran, die schweren Baumstämme in Richtung Flussmitte durchs Wasser zu schieben. Schon bald fliegen Pfeile in unsere Richtung gefolgt von Gebrüll und Schreien vom Ufer. Als wir endlich von der schnellen Strömung erfasst werden, wird der Abstand zu unseren Verfolgern endlich größer und wir sind außer Reichweite ihrer Bögen. Aber offensichtlich nicht schnell genug. Alle sind vollkommen außer Atem und schnappen nach Luft. Nur von Oderic hört man ein Stöhnen. Er kann sich gerade eben an Holz und Seilen festklammern. In seinem Rücken steckt ein Pfeil. Merwyn tut was sie kann um ihm zu helfen und ihn davor zu bewahren, in sein kaltes Grab hinab zu gleiten. Wir strampeln und paddeln so gut und so schnell wir können durch das eiskalte Wasser, ignorieren dabei die brennenden Muskeln in den Beinen.
Der Carrock ist bereits in Sichtweite als wir endlich das andere Flussufer erreichen. Oderics Wunde sieht schlimm aus, immer wieder verliert er das Bewusstsein. Carragon versorgt die Verletzung so gut er kann. Es gibt nur einen Ort, wo er vielleicht überleben kann, und das ist Beorns Haus. Wir bauen eine Trage und marschieren in zügigem Schritt, für den Rest des Tages und durch die kommende Nacht. Merwyn bildet allein die Vorhut und eilt mit Nachricht voraus. Am nächsten Morgen ist die Sonne bereits wieder aufgegangen und Beorns Haus noch weit, da weckt ein aufdringliches Wiehern ihre Aufmerksamkeit. Ein großes stattliches Ross reckt die Vorderläufe in die Höhe. Magisch angezogen nähert sie sich ohne Angst dem prächtigen Tier, berührt es sachte, streicht ihm freundlich über das Fell und flüstert die beruhigenden Worte, die sie von den Flusselben gelernt hat. An diesem Tag reitet Merwyn aus Rohan schnell wie der Wind und überglücklich der aufgehenden Sonne entgegen.
Kurze Zeit später erhalten wir Unterstützung. Ennalda und einige Beorninger helfen uns mit der Trage, die von Stunde zu Stunde immer schwerer wurde. Kaum haben wir Beorns Haus erreicht müssen wir uns beratschlagen. Dabei hatte ich von einer ausgedehnten Rast sowie Erholung geträumt, besonders aber von Honigkuchen. Der muss erst einmal warten. Schnell sind wir einer Meinung, dass Valgorn seinen Plan umgehend in die Tat umsetzen und Steinfurt attackieren wird. Eile ist geboten. Die Menschen dort sind nicht in der Lage, sich und ihre kleine Siedlung zu verteidigen. Trotz Palisade. Auch Beorn kann mit Tieren sprechen. Er flüstert einem Pferd etwas ins Ohr und sofort galoppiert es nach Norden, um eine Warnung zu überbringen. Wir brechen ebenfalls auf, zusammen mit den mittlerweile eingetroffenen Beorningern sowie Ennalda als deren Anführerin. Nur der große Hautwechsler macht sich alleine auf den Weg.
Auch ich darf endlich reiten, ebenso wie meine Kameraden. Allerdings ohne Sattel und Zaumzeug. Es hat keinerlei Ähnlichkeiten mit Boot fahren, ist dafür aber um so wackeliger. Beorns Gefolgsleute gehen dagegen zu Fuß. Es ist ein langer Marsch, der eine weitere Nacht ohne Schlaf mit sich bringt. Mit der ersten Morgendämmerung erreichen wir Steinfurt. Dichter Nebel vom Fluss schränkt die Sicht ein. Jeder sucht sich einen Platz zur Verteidigung. Wir warten auf zwei Dinge. Zum einen, dass die Sonne aufgeht und die dunstigen Schleier vertreibt. Zum anderen auf den Angriff von Valgorn und seinen Banditen. Die werden mit großer Wahrscheinlichkeit vom Fluss her kommen, denn dort gibt es keine Palisade, nur einen Steg und viele Meter matschiges, dicht bewachsenes Ufer. Von dort kann man bereits gedämpft Ruderschläge und Stimmen hören, als schließlich das erste Floss anlegt und die Angreifer an Land stürmen. Pfeile fliegen in allen Richtungen durch den Nebel, ohne Schaden anzurichten. Ich halte mich zurück, bis die Sicht besser wird. Offensichtlich zu lange. Ein Pfeil schlägt in den Türrahmen der Scheune ein, in der ich Deckung suche. Ich schieße besser. Der Schütze hätte sich verstecken sollen. Mit einem gezielten Schuss strecke ich ihn nieder.
Nachdem die ersten Salven von Pfeilen abgeschossen wurden rücken die Angreifer vor und der Nahkampf beginnt. Klingen werden gezückt, Äxte wirbeln durch die Luft, Speere werden drohend erhoben. Einer der Angreifer ist ein Hüne, der sein Gesicht unter einem Helm versteckt. Alle halten ihn für Valgorn. Tarannon stellt sich ihm in den Weg, muss dafür aber bezahlen. Mit dem Speer hat sein Gegner eine wesentlich größere Reichweite und verletzt ihn. Dafür weiß er nun, dass es sich um Auric handelt. Im Duell Auge um Auge sind die Beorninger wackere Kämpfer, doch mit Strategie und Taktik in Gefechten haben sie offensichtlich keine Erfahrung. Ich aber auch nicht. Und die Einwohner erst recht nicht. Trotzdem gelingt es uns, die Eindringlinge aufzuhalten. Daran kann auch die zweite Welle, die von einem weiteren Floss an Land stürmt, nichts ändern. Carragons Schlachtruf verfehlt nicht seine Wirkung. Davon angestachelt stürzt sich Tarannon trotz blutender Wunde erneut auf den Behelmten und schaltet ihn mit schnellen Schwerthieben aus.
Das Blatt scheint sich zu wenden als wir Rufe vom Tor hören. Niemand hat in der Hektik dran gedacht, es zu schließen! Sechs weitere Kämpfer attackieren dort, unter ihnen diesmal auch der echte Valgorn. Jemand schleudert eine brennende Fackel und setzt eines der Dächer in Brand. Umgehend rennt Merwyn zum Tor und stürzt sich in den Kampf mit dem Anführer. Doch der ist gut gerüstet. Da entdeckt sie draußen vor der Palisade das wild schnaubende und wiehernde Ross, das sie getragen hatte. Sie sprintet zu dem Tier. Ennalda hat verstanden und hält ihr den Rücken frei. Ich bin offensichtlich zu unaufmerksam bei der Suche nach weiteren Zielen. Plötzlich steht mir ein Mann mit einem Speer gegenüber, der sich in die Scheune geschlichen hatte. Sofort lasse ich den Bogen fallen und zücke meinen Dolch. Seinem Angriff kann ich geschickt ausweichen. Mit der Klinge bin ich kaum geübt, zerreiße lediglich seine Kleidung.
Mit dem Aufgang der Sonne wendet sich das Blatt abermals, dieses Mal zu unseren Gunsten. Licht und Wärme vertreiben endgültig den Nebel und die Beorninger geraten in einen Wutrausch. Valgorn hat den Zorn der Leofringa geweckt. Nicht nur mit ihrem Speer, sondern auch mit schmähenden Worten attackiert sie den Anführer. Ennalda und andere Beorninger unterstützen sie nach Leibeskräften. Doch Valgorn zeigt sich unbeeindruckt. Auch als sie im Galopp auf ihn zu reitet fällt es ihm nicht schwer, auszuweichen. Die Situation ändert sich schlagartig, als man lautes Brüllen vom Ufer hört. Ein großer schwarzer Bär wütet fürchterlich unter den hilflosen Angreifern. Er bewegt sich schnell und geschickt wie ein Elb, gleichzeitig mit der Kraft des Raubtiers. Bei dessen Anblick flüchten fast alle Eindringlinge. Nicht aber Valgorn und die Männer in seiner Nähe. Doch die geraten mehr und mehr in die Defensive. Erneut greift Merwyn mit dem Speer von hohem Ross aus an. Der Anführer taumelt, kann sich aber auf den Beinen halten. Ein letztes mal galoppiert Merwyn auf ihn zu. Zur Abwehr hebt Valgorn seinen Schwertarm und öffnet damit seine Deckung. In die Achsel lenkt die Leofringa den Stoß ihrer Waffe. Valgorn fällt, seine verbliebenen Männer strecken die Waffen, der Kampf ist vorüber.
Das brennende Dach ist schnell gelöscht. Die Einwohner haben leider größere Verluste als das zu beklagen. Drei von ihnen sind bei der Verteidigung ums Leben gekommen. Es gibt viele Verletzte zu versorgen, unter ihnen auch Tarannon. Zum Glück haben wir Carragon den Schwarzen und seine heilenden Hände. Die sind immer wieder erstaunlich. Anschließend plündern wir Valgorn und seine Männer, die lebenden und die toten. Die haben erstaunlich viele Münzen und Beutestücke dabei. Wollten sie sich etwa umgehend in ihrer Eroberung niederlassen? Bei der Behandlung der Wunden des Anführers entdeckt Carragon dessen Kettenhemd, eine hervorragende Arbeit aus Zwergenstahl. Ich finde ein Diadem, das ich auf Anhieb für elbisch halte, so filigran ist es gefertigt. Die Aufteilung der Beute ist unproblematisch. Die beiden besonderen Stücke sowie die Münzen sind für die Einheimischen kaum von Interesse. Aber Waffen und alle anderen Gegenstände aus Eisen und Stahl dagegen umso mehr. Die können sie bei der Jagd und der täglichen Arbeit gebrauchen oder in der Schmiede weiterverarbeiten.
Das Verhör von Valgorn ist ergebnislos und dementsprechend kurz. Keine Erklärung, was es mit dem mumifizierten Schädel auf sich hat. Der muss sein Herz seit Jahren vergiftet haben, anders kann sich niemand sein Handeln und seine Worte erklären. Und dann habe ich nur noch die Scheune im Kopf, mit ihrem weichen Stroh, in dem man so wunderbar schlafen kann. Drei Tage und zwei Nächte lang sind wir auf den Beinen. Die Müdigkeit kommt plötzlich und überwältigend, ich kann und möchte auch gar nicht widerstehen. Während ich mich meinen Träumen hingebe wird in Steinfurt Recht gesprochen, Valgorn und seine Männer werden verbannt. Die Frauen und Kinder aus ihrem Lager dürfen sich im Tal niederlassen. Oderic darf bleiben, steht aber für Rathics Tod bei Brunhilde in der Schuld und muss diese abarbeiten.
Ein ganz besonderes Geschenk erhält Merwyn. Beorn, der am nächsten Morgen zurückkehrt, spricht mit Haruf dem Pferd, das die Leofringa so bereitwillig trug. Es sieht aus, als würden die beiden sich unterhalten. Es ist wohl die Entscheidung des Vierbeiners, als Begleiter und Gefährte bei ihr bleiben zu wollen.
Bald ist Mittsommer.
Macalla
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14.3.2023 Yule
Dieses ist das beste Mittsommerfest aller Zeiten! Jeden Tag Musik, Gesang und Tanz. So ist es auch in Esgaroth. Jeden Tag bestes Essen und Getränke. Auch das gibt es in Esgaroth, nur mit dem Unterschied, dass ich in der Heimat für jeden Schluck und jeden Bissen bezahlen muss. Und hier? Es gibt ein großes Zelt, wo ich mir nehmen kann was ich möchte. Der Begriff der Gemeinschaft hat bei den Beorningern eine ganz andere, eine intensivere Bedeutung als in der Stadt. Die Verteidigung von Steinfurt sowie die anderen Abenteuer im Tal des Anduin haben uns zu einem Teil dieser Gemeinschaft gemacht. Und berühmt! Selbst mir entgeht nicht, wie die Besucher uns anschauen, über uns reden und tuscheln, wie sie auf uns zeigen und uns ansprechen. In diesen vier Tagen lerne ich mehr Leute und ihre Namen kennen, als ich mir merken kann. Außerdem ist dieses Fest ein großer Markt, wo Menschen und Zwerge ihre Waren und Dienste sowie ihre Kenntnisse anbieten. So erfahren wir von Loni dem Zwerg, dass das Kettenhemd aus Zwergenstahl eine echte Kostbarkeit ist, ein unbezahlbares Erbstück aus der Graubinge. Nachfahre des ehemaligen Besitzers und heutiger Anführer der Sippe ist Frár der Bartlose. Eirti hat keine bessere Idee, als das Stück zurückzugeben zu wollen anstatt es zu verkaufen. Dann soll es eben so sein.
Die letzten Monate waren anstrengend. Für den Körper und den Geist. Die äußeren Wunden verheilen schnell, doch um den Kopf wieder frei zu bekommen, da ist Zeit die beste Medizin. Jeder von uns geht seiner Wege und tut das, was als das Beste erscheint. Ich kehre zurück nach Esgaroth und Thal. Auch um, wie versprochen, den Händler Balgor und seinen Sohn Belgo zu begleiten. Doch viel wichtiger ist, dass wir unserem Auftraggeber Herr Gloin Bericht erstatten. Unser erstes Treffen nach langer Zeit soll an einem wichtigen Termin stattfinden, der mit unserem Auftrag zu tun hatte, dem Jahrestag der Schlacht der Fünf Heere am 25. November.
Die Tage in der Heimat sind ein Quell der Erholung. Verletzungen habe ich keine davon getragen, doch ich spüre die Erschöpfung, besonders die des Geistes. Und wenn ich in Zukunft weiter Abenteuer erleben und vor allem überleben will, dann muss ich mich darum kümmern. Das fällt mir nicht schwer. Wir erfahren auch mehr Einzelheiten zu dem Kettenhemd. Es ist alt, sehr alt, es stammt aus dem Ersten Zeitalter! Niemand sollte es tragen, denn es ist verflucht. Es heißt, das Heim des Trägers werde das gleiche Schicksal erleiden wie die Graubinge. Das möchte niemand. Also ist es in der Tat das Beste, es zurück zu geben. Das Diadem ist tatsächlich elbisch und zum Glück nicht mit einem Fluch belegt. Es stammt aus Eregion und verhilft dem Träger zu besonderem Glanz im Auftreten. Es gelingt uns ebenfalls einen Zwergenschmied zu finden, der die zerbrochene Axt Wolfbeißer reparieren kann. Zu guter Letzt können wir auch noch etwas über den mumifizierten Schädel in Erfahrung bringen. Er war nicht der Ursprung des Bösen, das Valgorn vergiftet hat. Er war nur ein Medium, durch das ein böser Geist gewirkt hat. Der Schädel ist zerstört, doch der Geist, der nicht weit entfernt gewesen sein kann, ist noch da. Diese Information könnte Beorn interessieren.
Und dann ist es endlich soweit. Menschen und Zwerge, Elben und selbst Adler sowie Gandalf der Zauberer kommen nach Thal, um das Ende von Smaug und den Sieg über die Orks zu feiern, aber auch um der Gefallenen zu gedenken. Zusätzlich hat König Bard den Rat des Nordens einberufen. Noch nie habe ich so viele Besucher an einem Ort erlebt, die Stadt platzt beinahe aus allen Nähten. Noch mehr Gesichter und Namen als am Carrock. Die größte Faszination üben auf mich wie immer die Elben aus, obwohl es kaum möglich ist, sich mit ihnen zu unterhalten. Sie finden einfach keinen Gefallen daran, abends in einer Schenke ein bisschen Spaß zu haben oder sonstigen Vergnügungen nachzugehen. Doch schließlich läuft mir ein bekanntes Gesicht über den Weg. Eine Elbin, die ausgesprochen freundlich ist und sich noch dazu an mein Gesicht erinnern kann. Es ist Firiel, die wir am Ufer des Celduin trafen bei der Suche nach Balin und Oin. Sie gehört zum Gefolge ihres Königs Thranduil. Ich kann sie zwar nicht zu einem Besuch in einem Gasthaus überreden, doch wir genießen die Zeit, die wir zusammen verbringen können. Leider hat sie auch schlechte Nachrichten. Die Jagd auf den Eber im Düsterwald blieb nicht unbemerkt. Sie glaubt mir, dass ich das verhindern wollte aber nicht konnte. Doch die Schuld bleibt bestehen. Aber gleichzeitig bietet sie uns die Möglichkeit, die Sache wieder gut zu machen. Am zweiten Neumond sollen wir uns bei Thranduils Hallen einfinden, um die Dame Irime zum Hohen Pass zu begleiten. Diese Aufgabe können weder ich noch meine Begleiter ablehnen.
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