Offas Tagebuch

Diskussionen zu Uwes Rollenspielrunde
Macalla
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Offas Tagebuch

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Eine neue Stimme in Skakane und die Entscheidung der Drachenkaiserin (30.6.2016)
Ich bin wirklich erleichtert, als ich trotz der nächtlichen Dunkelheit die Pirateninsel wiedererkenne. Ein Teleport-Zauber über eine solch große Entfernung, ich war schon ein wenig besorgt. Erschöpft und verletzt, doch in Sicherheit, kommen wir endlich zur Ruhe. Alle bis auf Johann...

„Mitten in der Nacht erwachte ich. Aufgeweckt von einer inneren Leere, wie ich sie nie zuvor gefühlt hatte. Ich brauchte einen Moment, um mich zu orientieren, meine Gedanken zu ordnen. Nach kurzer Zeit wusste ich, dass sie sich alle um Desmei drehten. Doch es waren nicht nur meine Gedanken, die ich fühlen konnte. Ganz Skakane weinte und betrauerte den Tod seiner Freundin. Ich öffnete mich dem Kollektiv und konnte spüren, wie die Verbindung intensiver und ich mehr und mehr ein Teil davon wurde. Es war nun nicht mehr allein mein Kummer, es war der unsere.
Dann hörte ich plötzlich Kaede's Stimme. Sie klang beunruhigt und besorgt, war aber in Sicherheit. Sie berichtete den anderen von den Ereignissen im Palast und von der Rolle, die wir dabei gespielt hatten. Und sie erzählte auch von mir. Ich konnte deutlich die Verwunderung darüber spüren, dass nun ein Mensch Teil von Skakane sein sollte. Sie hatten mich zwar noch nicht völlig akzeptiert, lehnten mich aber auch nicht ab. Trotz aller Trauer wurde eine Frage immer lauter, immer öfter gestellt: Warum? Warum hat sich Desmei so bereitwillig geopfert?
Ich hatte keine Erklärung für ihr Handeln, erst recht fühlte ich mich auch nicht verantwortlich für ihren Tod. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass es nun meine Aufgabe war, meine Eindrücke der letzten Nacht, der letzten Tage und speziell der Zeit, die ich mit Desmei verbringen durfte, zu vermitteln. Und tatsächlich, Skakane hörte mir zu! Eine Stimme nach der anderen legte daraufhin ihre Zurückhaltung ab und berichtete ihrerseits von ihren Erlebnissen. So erfuhr ich, dass das ganze Land in Aufruhr war, dass der Bruderschaft der Zugriff auf Nihon immer weiter entglitt. Und mehr! Sowohl die Flotte des Daimio Kiowara als auch die Königin der Meere und die Maneto hatten Kurs auf die Pirateninsel genommen. Doch die wieder in Stand gesetzten, alten Dreadnoughts zusammen mit unzähligen Dschunken hatten mittlerweile den Belagerungsring um die Insel der Drachenkaiserin geschlossen.
Noch lange tauschte ich mich mit Skakane aus, bis mich die aufgehende Sonne und der Ruf von Magister Gamlewinkel an meine Pflichten erinnerten. Diese Nacht werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“

Bevor wir die Drachenkaiserin treffen, bittet uns eine Gardistin zu einem Gespräch mit der Kaisermutter und ihrem Sohn. Wir werden zu einem großen Raum geleitet, der kurzfristig mit zwei großen Stühlen und gelben Stoffbahnen für Audienzen hergerichtet wurde. Der Thronsaal bleibt allein der Kaiserin vorbehalten. Obwohl der Tenno selbst anwesend ist, führt seine Mutter die Unterredung. Nur selten meldet sich der junge Kaiser neugierig zu Wort. Die beiden wirken hier, fern des Palastes und weitab von seinem höfischen Zeremoniell, völlig authentisch, geradezu menschlich und ganz und gar nicht göttlich. Auch die Anteilnahme der Kaisermutter an den Verletzungen meiner Kameraden sowie dem Tod unserer Freunde wirkt echt und nicht gespielt höflich. Eine angenehme Atmosphäre.
Das Licht des Tages lässt die hyborischen Einflüsse in den Gesichtszügen der beiden deutlich hervortreten. Darauf angesprochen nennt sie uns den Namen ihrer Mutter, Siobhan, eindeutig Caer. Aufgrund ihrer nicht-göttlichen Herkunft wurden Mutter und Tochter voneinander fern gehalten. Noch mit dem gleichen Atemzug bekräftigt sie die Legitimität ihres Sohnes als Kaiser und seinen Anspruch auf den Thron von Nihon.
Vollendet wie immer und stets die richtigen Worte wählend führt Magister Gamlewinkel die Konversation. Er legt die Gründe für unser Eingreifen dar, berichtet eindringlich von der Bruderschaft und ihrem Willen, die Welt mit Hilfe der Alten Großen kontrollieren zu wollen: „Ihrem Handeln muss Einhalt geboten werden!“ Als er die Kaisermutter fragt, ob sie unsere Intervention für richtig hält, zeigt sie sich dankbar für die Rettung ihres Sohnes und der ihren.
Auch Makino meldet sich zu Wort. Er weist auf die Gefahr hin, dass die Bruderschaft womöglich einen falschen Kaiser einsetzen wird, sobald wieder Ruhe im Land einkehrt. Eile sei geboten. Der junge Tenno zeigt sich empört als er dies hört. Trotz seines jungen Alters ist der Machtanspruch in ihm bereits deutlich ausgeprägt.
Der Magister hat aber auch gute Neuigkeiten. Nihon steht nicht allein. Viktoria hat Bündnisse geschmiedet, mit Gorju und Khitai. Auch in Kusan wächst der Widerstand gegen die Mandarine der Gelben Kammer. Außerdem gibt es noch einen Daimio, der sich standhaft der Bruderschaft widersetzt und weiterhin loyal zum Thron steht, Fürst Kiowara, auch wenn er unter Umständen eigene Pläne hat. Das große Problem ist allerdings die Blockade der Pirateninsel durch die Flotte der Bruderschaft. Weder der Daimio noch Viktoria können sie durchbrechen, jedenfalls nicht ohne große Verluste. Und da der Großteil der Piratenflotte vor den Küsten von Gorju kreuzt, kann auch der Tenno nicht nach Nihon zurückkehren. Wir kommen schließlich zur Überzeugung, dass hier die Drachenkaiserin aktiv werden muss. Sie hat bisher noch nicht in diesen Konflikt eingegriffen und lediglich eigene Ziele verfolgt. Wir müssen sie davon überzeugen, dass die ständig wachsende Macht der Bruderschaft auch für sie bald zu einer Bedrohung werden wird.
Nachdem sich die Kaisermutter zurückgezogen hat, sind wir alleine mit dem Tenno. In Abwesenheit seiner Mutter blüht er geradezu auf. Geduldig beantworten wir all seine Fragen. Makino dagegen kann sein Desinteresse gegenüber dem jungen Kaiser kaum verbergen und verlässt den Raum. Als endlich Viktoria zur Sprache kommt, ist die Neugier des Tenno kaum noch zu bremsen. Auch ich, nach Jean-Luc der wahrscheinlich loyalste ihrer Untertanen, lege schließlich alle Zurückhaltung ab und lobe meine Königin in höchsten Tönen.

Als wir zu unseren Zimmern zurückkehren sind wird einigermaßen verblüfft, als uns neben Makino ein zweiter Oni entgegen kommt, der sich als Monosugui vorstellt. Auf die Frage, woher der große rote Krieger so plötzlich aufgetaucht ist, will Makino nicht so recht antworten. Damit schürt er wiederum das Misstrauen von Magister Gamlewinkel. Das Geheimnis beginnt sich zu lüften, als sie einen silbernen Faden an der Kleidung des fremden Oni entdecken. Prompt werden wir an den Überfall im Gerichtsgebäude in der Kaiserstadt von Khitai erinnert, als die Bruderschaft damit einen künstlichen Kämpfer kontrollierte. Wir folgen dem Faden bis in Makinos Unterkunft. Dort verschwindet er in einem aufwändigen Schriftzeichen auf einem Stück Papier. Der Magister kann dessen Magie mehr als deutlich spüren. Auch der Instinkt von Johann verheißt nichts Gutes. Nun bleibt Makino nichts anderes übrig, als sich zu erklären, was er dann auch tut. Mit Hilfe des Papiers ist er in der Lage, mit dem alten Herrn Chang zu kommunizieren. Er war es auch, der durch ein Portal den Oni „als Verstärkung“ geschickt hat. Wir sind skeptisch ob dieses Geschenks und wissen nicht recht, was wir mit Monosugui anfangen sollen, geschweige denn ob wir ihm trauen können, ebenso Meister Chang. Der Magister und Makino führen anschließend ein langes Gespräch unter vier Augen. Letztendlich ist der alte Herr Chang bereit, die Verbindung zu seinem Spion zu trennen, und der Magister stellt den Oni sogar bei der Königlich Geografischen Gesellschaft ein.

Endlich findet die lange erwartete Audienz der Drachenkaiserin statt. Da ich bereits eine ungefähre Vorstellung ihrer Macht habe, beschließe ich, dem Magister das Reden zu überlassen. Als wir den Thronsaal erreichen, haben sich nur eine Handvoll Kapitäne sowie einer der Sturmriesen eingefunden. Erst als ein Gong ertönt betritt die Kaiserin als Mensch den Raum. Nicht nur wir verbeugen uns, auch die Kaisermutter und sogar der Tenno neigen ihr Haupt. Bei jedem ihrer Schritte höre ich das Geräusch von Krallen auf dem steinernen Fußboden. Ihre Aura muss mächtig sein, ich kann sogar das Meer in ihrer Gegenwart riechen. Wie wird es wohl den anderen bei ihrem Anblick ergehen?
Die erste Begrüßung gilt allein dem Tenno, den sie als ihren Großneffen freundlich willkommen heißt. Die beiden unterhalten sich kurz. Der Kaisermutter gegenüber verhält sie sich kühl und reserviert, sie ist schließlich keine Göttliche, sondern nur die Mutter des Tenno. Dann wendet sie sich uns zu. Sie ist nicht erfreut, dass wir, Sterbliche, den Palast betreten und uns noch dazu in die Geschicke der Großen und Mächtigen eingemischt haben. Auch der junge Kaiser kommt nicht ungeschoren davon. Ihm wirft sie vor, nicht gut geherrscht zu haben. Und überhaupt pocht sie auf der alten Ordnung, nach der jeder seinen Platz in der Gesellschaft einzunehmen hat.
Mit gekonnter Wortwahl wendet Magister Gamlewinkel ein, dass die Welt doch einem steten Wandel unterliegt, der unser Eingreifen erst notwendig machte. Um unser Handeln zu rechtfertigen fügt der Tenno hinzu, dass wir ihn vor der Bruderschaft gerettet haben, dass er uns sein Leben zu verdanken hat. Endlich wird ihr Blick etwas freundlicher und sie lobt unser Eingreifen als heldenhaft. Als sie diese Worte sagt, scheint sie ein wenig zu wachsen. Erneut ergreift der Magister das Wort. Abermals spricht er von den Veränderungen, die nicht nur in diesen Landen vonstatten gehen. Ich hoffe er meint damit, dass die Drachenkaiserin sie entweder nicht wahrnimmt oder ignoriert. Und außerdem ist es doch gerade unser Bestreben, dass der Tenno seinen rechtmäßigen Platz wieder einnimmt.
Dann geschieht etwas Erstaunliches: Die Drachenkaiserin entschuldigt sich für ihre „vorschnell gesprochenen Worte“. Damit hätte ich nun niemals gerechnet! Und als der Magister sie darum bittet, die Blockade um die Inseln zu beseitigen, stimmt sie zu und entscheidet umgehend, einen Kamikaze rufen zu wollen. Sofort schicken wir der Königin der Meere sowie der Flotte von Fürst Kiowara die Nachricht, dass ein mächtiger Sturm aufkommen wird.

Am Nachmittag entschließen wir uns, das Sommerhaus und den Turm am anderen Ende der Insel zu besuchen. Als der Tenno davon hört, möchte er uns unbedingt begleiten. Er ist zunächst erstaunt, weil wir beabsichtigen, die Strecke zu Fuß zurücklegen und nicht in einer Sänfte. Doch dann stürmt er begeistert voran. Sowohl er selbst als auch seine feinen Brokat-Schuhe überstehen den mehrstündigen Marsch und erreichen das Ziel ohne größeren Schaden. Dort haben sich bereits die Sturmriesen zusammengefunden. Sie beschwören die Winde und unterstützen so die Drachenkaiserin bei ihrem Vorhaben, den Kamikaze zu entfesseln.
Aufgrund meiner Erfahrung bei unserem letzten Besuch spare ich mir die Mühe, die Stufen des Turms erneut zu erklimmen. Ich würde nicht weit kommen. Stattdessen halte ich Wache und genieße die hiesige Gastfreundschaft. Als meine Kameraden die ersten Fenster erreichen, wagen sie einen Blick in die Ferne. Der Magister und Makino bündeln ihre Kraft und die Bilder werden langsam deutlicher. Sie entdecken die Königin der Meere und die Maneto, die Panzerschiffe von Gorju sowie die Flotte von Fürst Kiowara. Sie können auch erkennen, dass der Sturm, der ansonsten die Insel der Drachenkaiserin abschirmt, langsam abflaut. Die ersten Schiffe des Belagerungsrings haben bereits Kurs in Richtung der Pirateninsel gesetzt.
Selbst ich und die Sturmriesen hören plötzlich die Stimme des Magisters, der laut in die Welt hinausruft. Er möchte unsere Verbündeten vor dem Sturm warnen. Seine Bitte bleibt nicht ungehört, denn völlig unerwartet landet eine Graugans auf dem Fenstersims, noch dazu spricht sie mit ihnen! Es ist ein Ölk, der sich ihnen vorstellt. Natürlich kenne er Kraidaiki, unseren stillen Navigator, er sei immerhin auch ein Hesior und ein guter Freund. Meine Kameraden sind verblüfft. Der Magister bittet ihn, unsere Freunde vor dem aufkommenden Sturm zu warnen. Doch der Ölk hat eine viel bessere Idee. Er sagt, er kenne die geheimen Wege, die zur Pirateninsel führen. Er könne die Schiffe in den Hafen lotsen, bevor der Kamikaze entfesselt wird. Der Magister hat keine andere Wahl, als dem Vorschlag dankbar zuzustimmen.
Mit all ihrer Willenskraft steigen meine Kameraden weiter nach oben. Was sie von dort aus sehen, hätte mich wahrscheinlich um den Verstand gebracht. Sie erblicken nicht nur den Mundus, sondern viele Welten, die alle über Alte Wege miteinander verbunden sind. Der Mundus ist nur Teil von etwas Größerem. Sie entdecken auch eine Welt die krank ist. Sie scheint eine Art Tumor zu haben und ist direkt mit der unseren verbunden. Sie kann sie verseuchen.
Schließlich erreichen sie das Dach des Turms. Hier formt sich gerade der Kamikaze. Sie spüren die Anwesenheit der Drachenkaiserin, können sie aber nicht sehen. Stattdessen erblicken sie Welten zwischen den Welten, und einen Riesen, der von einem Knochenthron festgehalten wird. Es ist Duncan höchstpersönlich. Er ist es, der den Sturm formt, nicht die Drachenkaiserin. Sie können sogar seine Stimme hören, die sagt: „Helft mir!“
Auf dem Weg nach unten schauen sie erneut aus den Fenstern. Mit großer Freude erblicken sie die Königin der Meere und die anderen Schiffe, die gerade in den schützenden Hafen der Pirateninsel einlaufen. Der Hesior hat tatsächlich sein Versprechen halten können. Gerade noch rechtzeitig, denn der Sturm wird nun von Minute zu Minute mächtiger. Wir müssen Schutz in den Häusern rund um den Turm suchen. Man kann nur erahnen, was der Kamikaze mit den Schiffen der Bruderschaft anrichtet. Es wird bestimmt nicht viel von ihnen übrig bleiben nachdem der Göttliche Wind sie zermalmt hat. Was die Besatzungen angeht, sie bekommen ihre gerechte Strafe. Denn wer sich mit der Bruderschaft einlässt, der bezahlt irgendwann den Preis für diesen Verrat. Jeder hat eine Wahl!
Macalla
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Makinos Abschied und Telis Tanz mit dem Vulkan (12.7.2016)
Ich weiß nicht, warum Makino erneut auf den Turm gestiegen ist. Doch schweigsam wie so oft ignoriert er Magister Gamlewinkels Drängen, zügig wieder zum Hafen zurückzukehren. Oben angekommen hört er die Stimmen der Sylphen, die wie er zuvor den Ruf Duncans vernommen haben. Wie ein Sturm zerren sie an ihm, wollen ihn dieser Welt entreißen damit er ihnen hilft, ihren Gott zu befreien. Doch das ist nicht Makinos Weg. Mit letzter Kraft kann er sich ihrem Griff entziehen und findet, die Kleider teilweise in Fetzen zerrissen, wieder den Weg nach unten. Ob sein Auge gesehen hat, was er suchte? Er wendet sich gleich an die Sturmriesen und fragt sie, ob auch sie die Windgeister oder gar Duncan selbst gehört haben. Erstaunt lauschen sie den Worten des Oni, als er ihnen berichtet, was er sah, Duncan gefangen auf dem Thron aus Knochen. Aufgeregt und vorschnell fassen die Sturmriesen den Entschluss, ihren Gott zu befreien, auch wenn sie nicht wissen, wie sie es anstellen sollen. Wie immer ist es Magister Gamlewinkel, der die Situation ein wenig beruhigen kann. Er drängt sie, Sommerhaus und auch die Drachenkaiserin nicht ungeschützt zurückzulassen. Die Sturmriesen sind einverstanden. Sie sind bereit, den Turm auch weiterhin zu bewachen sowie die Fenster und die Wege im Auge zu behalten. Zum Dank weist ihnen der Magister den Weg indem er ihnen von Polaris und dem Schlund erzählt, dem Zugang zur Unterwelt.

Gerade noch rechtzeitig erreichen wir den Hafen, um Viktorias triumphalen Auftritt zu erleben. Begleitet von der Ehrengarde der Wolfer und flankiert von den Soldaten der Königin der Meere betritt sie die Insel. Auch wenn ihr Aussehen aufgrund ihrer Kleidung sowie dem umgeschnallten Säbel eher an eine Piratin denn an eine Monarchin erinnert, strahlt sie doch jene königliche Würde aus, die alle Anwesenden dazu nötigt, sich vor ihr zu verbeugen. Alle bis auf den Tenno. Er ist mehr als nur beeindruckt von ihr, schließlich hat er von der Kriegerkönigin aus dem Norden geträumt. Sie dagegen scheint nicht gerade begeistert von dem jungen Kaiser zu sein. Bevor der Magister ihn vorstellt, rutscht ihr doch tatsächlich die Bemerkung „Wer ist denn dieser Bengel?“ heraus. Glücklicherweise auf hyborisch. Die offizielle Begrüßung der beiden ist dann etwas formeller.

Wir gehen geradewegs zum Thronsaal der Drachenkaiserin. Zu unserer Überraschung ist sie bereits anwesend und verzichtet auf jegliches Zeremoniell. Erneut können wir ihre Anwesenheit spüren, erneut liegt der Geruch von Salz in der Luft und erneut weht eine leichte Brise durch den Raum. Sie ist sehr erschöpft, weil sie viel Energie für den Kamikaze aufbringen musste. Auf Armen und Händen sind deutlich Schuppen zu erkennen. Und sie spricht mit der Stimme des Drachen, was ihre Autorität noch mehr steigert: „Wir haben keine Zeit für Zeremonien. Es gilt schnell und richtig zu handeln. Tretet näher.“ Es bereitet ihr sichtliche Mühe, die menschliche Gestalt zu kontrollieren. Sie vermutet, dass die Mandarine ihre Flotten sammeln werden um ihre Insel anzugreifen. Dagegen kann sie sich kaum wehren, da der Großteil ihrer Dschunken vor den Küsten von Gorju kreuzt. Sie wird aber mit aller Kraft, auch zusammen mit ihren Söhnen, den Turm verteidigen. Er darf unter keinen Umständen in die Hände des Feindes gelangen. Eher würde sie sich selbst opfern und ihn zerstören! Es liegt nun an uns, zusammen mit Fürst Kiowara die gegnerischen Schiffe aufzuhalten. Wir sind einverstanden. Auch werden wir einen Teil der Soldaten und Magier der Königin der Meere abkommandieren, um bei der Verteidigung von Tsushima zu helfen. Die Kaiserin möchte auch, dass Viktoria und der Tenno auf der Insel bleiben um weitere Bündnisse zu schmieden. Damit ist meine Königin offensichtlich nicht einverstanden, wagt aber keinen Widerspruch.

Gleich nach der Unterredung tritt Fräulein Habermehl an mich heran. Zunächst bin ich erfreut, sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Auch kann ich die Athelas-Pflanze von Morgentau sowie die Weiße Blume von Juma Oba in ihre Obhut geben. Doch die Bitte, die sie anschließend äußert, findet nicht meine Zustimmung. Ganz im Gegenteil, aber ich kann meinen Zorn zurückhalten. Sie möchte doch tatsächlich, dass ich ein Verhütungsmittel zubereite, das sie Viktoria unbemerkt verabreichen kann. Sie ist eine sehr tugendhafte Frau, das zeichnet sie aus. Doch damit geht sie eindeutig zu weit.

Nachdem alle Beteiligten den Thronsaal verlassen haben, ist Magister Gamlewinkel alleine mit der Kaiserin. Er berichtet ihr, dass Viktoria vor Monaten im Norden einen Pakt mit den Sahuagin geschlossen hat. Sie ist außer sich und droht beinahe die Kontrolle zu verlieren und sich in einen Drachen zu verwandeln. Doch sie weiß auch, dass wir im Moment jeden Verbündeten gebrauchen können. Obwohl die Urmutter der Sahuagin ihre größte Konkurrentin ist, wird sie mit ihr Kontakt aufnehmen.

Als ich Viktoria endlich alleine gegenüberstehe, kann ich nicht anders als ihr zu sagen, dass ich sie am liebsten umarmen würde. Wie ich erwartet hatte lehnt sie meinen Vorschlag mit den Worten „Lass uns respektvolle Distanz waren“ ab. Ich bin nicht enttäuscht, denn als sie spricht und ich sie lange ansehe, erkenne ich, dass sie nicht mehr das Mädchen ist, dass vor Jahren mit uns auf Reisen gegangen war. Sie ist nicht nur eine junge Frau geworden. Ich finde, man sieht ihr die königliche Herkunft regelrecht an. „Ich bin so stolz auf Euch! Ihr werdet Euch immer auf mich verlassen können!“ ist alles, was ich noch sagen kann. Sie weiß, dass ich kein Mann großer Worte bin, und ich kann die Dankbarkeit in ihrem Lächeln erkennen. Zum Schluss erinnert sie mich erneut an die Große Medizin, und dass ich das Wasser des Lebens gut bewahren soll.

Der Kriegsrat der Admiräle und Kapitäne wird einberufen. Sämtliche Strategien und Taktiken, die diskutiert werden, sind ausgesprochen zurückhaltend und defensiv. Man kann es ihnen nicht verdenken, liegen doch im Hafen von Tsushima nur noch wenige Dschunken vor Anker. Trotz anfänglicher Skepsis gehen sie auf Makinos Vorschlag ein, die Kräfte zu bündeln. So ist die Flotte schlagkräftiger. Einzelne Schiffe können leicht versenkt oder geentert werden, aber ein Verband kann sich zur Wehr setzen.
Noch erstaunlicher ist die Idee, die Kahilar vorbringt. Oder ist es schon eine Verzweiflungstat? Sie möchte versuchen, zusammen mit Teli sowie ihrem Elementar die Kräfte der Tiefen zu entfesseln, sprich den Ausbruch eines unter Wasser liegenden Vulkans auslösen. Dieser Einfall ist so verrückt, dass selbst die Bruderschaft nicht darauf kommen würde! Die Königin der Meere und die Maneto werden dabei die Lockvögel spielen. Wenn sich die gegnerische Flotte dann an der richtigen Stelle eingefunden hat und wir uns versteckt haben, sollen der Ausbruch sowie die zu erwartende Flutwelle die feindlichen Schiffe vernichten.

Währenddessen habe ich Zeit, den Arzt unseres Schiffes zu konsultieren. Meine Lunge macht mir doch schwerer zu schaffen, als ich es erwartet hatte. Ich bin immer viel zu schnell außer Atem, ganz zu schweigen von dem fürchterlichen Husten. Ich hatte gehofft, dass eine bittere Medizin die Krankheit heilen kann. Doch damit lassen sich lediglich die Symptome lindern. Um wieder gesund zu werden, müsse ich lange Zeit - er spricht von Jahren – an einem geeigneten Ort in großer Höhe verbringen. Ob ich, wenn alles vorbei ist, zum Kloster Jen Mu zurückkehren soll?

Bereits am nächsten Morgen stechen wir in See. Sowohl die Königin der Meere als auch die Maneto sind in erstaunlich gutem Zustand. Ich hatte befürchtet, dass sie während der langen Zeit auf den Meeren und den vielen Kämpfen, welche die beiden Schiffe bestritten haben müssen, doch erhebliche Schäden davongetragen hatten. Doch die Schiffbauer haben mehr als gute Arbeit geleistet. Der Magister sollte der Mannschaft ein Lob aussprechen.
Wie erhofft oder befürchtet, ganz nach persönlicher Sichtweise, kommt auch Viktoria an Bord. Fräulein Habermehl macht einen verzweifelten Eindruck, ich dagegen bin höchst erfreut über ihre Entscheidung. Auch Teli ist auf dem Schiff, in der Obhut von Kahilar. Sie verbringen sehr viel Zeit miteinander und bereiten sich auf ihre Aufgabe vor. Ob Teli tanzen wird wenn es soweit ist?

Makino hatte schon immer ein Problem mit Viktoria. Früher dachte ich, es liegt an ihrem Alter. Eine so junge Prinzessin kann keine Erfahrung haben wenn es um Schlachten und Kämpfe geht. Aber heute überschreitet der stolze Oni eindeutig seine Grenzen. Er stellt doch tatsächlich Viktorias Autorität in Frage und fordert sie auf, dass Schiff zu verlassen! Ich flehe und schreie ihn an, seine Worte noch einmal zu überdenken, bin kurz davor mich auf ihn zu stürzen. Doch dickköpfig wie er nun mal ist, bleibt er bei seiner Meinung. Er kann von Glück sagen, dass er nicht wegen Meuterei in Ketten gelegt oder gleich am nächsten Mast gehängt wird. Stattdessen löst er den Vertrag mit Magister Gamlewinkel und der Königlich Geografischen Gesellschaft und lässt sich auf irgendeiner verlassenen Insel mit etwas Proviant und Wasser aussetzen. Ich hatte immer damit gerechnet, dass Makino uns eines Tages wieder verlassen wird. Aber nicht, dass es auf diese Art und Weise passieren würde. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten habe ich ihn immer respektiert und seine Fähigkeiten zugleich bewundert und gefürchtet, besonders seinen Mut. Ich kann ihn nicht wie einen Verräter von Bord jagen und verabschiede mich in aller Freundschaft von ihm.

Nach wenigen Tagen entdeckt der Ausguck Segel am Horizont. Es sind tatsächlich zwei alte Dreadnoughts, begleitet von einer Schar Dschunken. Auch sie haben uns ihrerseits gesichtet, nehmen die Verfolgung auf und lassen die langsamen Begleitschiffe zurück. Uns gelingt es kaum, einen sicheren Abstand zu halten, sie kommen näher als es uns lieb ist. Ein regelrechtes Katz- und Mausspiel beginnt mit geschickten Manöver auf beiden Seiten. Die Königin der Meere kann eine erste, aber wirkungslose Salve abfeuern. Wir hatten immer einen Vorteil aufgrund der größeren Reichweite unserer Kanonen. Doch der scheint von den Zauberern der Bruderschaft auf magische Weise egalisiert worden zu sein, denn ihre Kugeln zerfetzen einen Teil unserer Takelage. Zu unserem Glück konzentrieren sich die Angriffe der Gegner auf die Königin der Meere, und so kann sich die Maneto in eine aussichtsreiche Angriffsposition bringen. Auf ihre Salve folgt eine gewaltige Explosion! Sie müssen die Pulverkammer getroffen haben. Der verbliebene Dreadnought machte keine Anstalten, sich zurückzuziehen. Nach ein paar weiteren verheerenden Feuerstößen ist das gegnerische Schiff manövrier- und kampfunfähig.

Kaum ist das Gefecht vorüber, entdecken wir erneut Segel am Horizont. Diesmal sind es drei Dreadnoughts zusammen mit über 40 Kriegs-Dschunken, die sich uns nähern. Wir sind in einer guten Position, die Schiffe zu dem unter Wasser gelegenen Vulkan zu locken und gleichzeitig uns selbst zwischen den vielen Insel, die in seiner Nähe liegen, in Sicherheit zu bringen. Auf der ersten dieser Inseln lassen wir Kahilar mit ihrem Vulkan in der Kiste und Teli zurück.
Kahilar öffnet ihre Kiste, Teli ist begeistert. Tatsächlich scheint etwas wie Sympathie zwischen den beiden zu bestehen. Dann gibt Kahilar ihr etwas von ihrem Feuer, und Teli ist Feuer und Flamme. Und das ist nicht nur eine Redewendung! Als wir plötzlich eine riesige Flammensäule in die Höhe schießen sehen, wissen wir, dass das Inferno seinen Lauf nimmt. Teli tanzt! Zusammen mit Kahilars Vulkan!
Ihre Magie ist nicht mehr so chaotisch wie zu Anfang. Sie hat gelernt, ihre Kräfte zu kontrollieren. Sie ist sogar in der Lage, Kahilar vor den Auswirkungen zu schützen. Schließlich machen sich die beiden auf den Weg zu ihrem eigentlichen Ziel, das unter der Wasseroberfläche liegt. Es dauert fast eine Ewigkeit, doch dann beginnt das Wasser zu brodeln, gefolgt von einer gigantischen Explosion aus Wasser und Dampf, und mündet im Ausbruch des Vulkans. Eine wahre Feuerwalze überrollt die feindlichen Schiffe! Sogar wir können in der Ferne Telis Lachen hören, und Kahilar sieht immer wieder ihr fröhliches Gesicht zwischen all den Flammen.
Ruhe kehrt wieder. Kahilars Elementar ist wieder zu dem geworden, was er vorher war, ein Vulkan. Bevor er sich in die Tiefe zurückzieht, setzt er Teli am Ufer ab. Sie ist traurig, dass sie nicht bei ihm bleiben kann. Es sind Kahilars Worte, die sie wieder zu dem machen, was sie ist, ein Mensch. Sie kann die junge Zauberin überzeugen, dass sie in diesen Teil der Welt gehört.

Wir haben die gegnerische Flotte zwar nicht vernichtet, ihr aber einen herben Schlag verpasst. Die drei Dreadnoughts wurden schwer beschädigt und flüchten in alle Himmelsrichtungen. Von einigen der kleineren Dschunken bleiben nur Asche und Trümmer zurück. Wir haben gleich mehrere Sieg davongetragen. Die gegnerische Flotte ist keine Flotte mehr, sondern hat ihre Ordnung komplett verloren. Fürst Kiowara hat Zeit und Ablenkung bekommen, Tsushima zu erreichen, nachdem er zuvor gemeinsam mit den Panzerschiffen von Gorju insgesamt 18 Dschunken entweder versenken oder kapern konnte. Sowohl die Königin der Meere als auch die Maneto haben keine Verluste zu beklagen. Die Schäden an den beiden Schlachtschiffen sind kaum der Rede wert und können im Hafen schnell repariert werden. Gemeinsam nehmen wir Kurs auf die Insel der Drachenkaiserin.
Macalla
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Pläne und Bündnisse (28.7.2016)
Das erste gemeinsame Treffen aller Verbündeten ist etwas, auf das ich mich schon lange freue. Endlich einmal sitzen all jene zusammen, die gemeinsam der Bruderschaft den Kampf angesagt haben, ein fast schon historischer Augenblick. Über die Lage in Nihon sind zur Zeit keine Einzelheiten bekannt, und auch die Situation von Gorju ist weiter kritisch. Doch allein die Tatsache, dass sich viele Mächtige hier versammelt haben, lässt zum ersten mal etwas wie Hoffnung aufkommen.
Das wichtigste gemeinsame Ziel, darin sind sich alle einig, ist die Rückkehr des Tenno auf den Thron. Das würde nicht nur dem Kaiserreich selbst, sondern der ganzen Region rund um die Gelbe See Stabilität bescheren. Der Admiral der Panzerschiffe möchte allerdings schnell wieder in See stechen und die versprengten Schiffe der zerschlagenen Flotte jagen, nachdem er seinen Leuten zuvor eine kurze Pause gegönnt hat. Er wird den Kaiser nicht begleiten. Kapitän Aznar von der Maneto sagt zwar, dass er gerne wieder in die Heimat zurückkehren möchte, doch er kann seine Zweifel nicht verbergen. Zum einen ist es mehr als fraglich, ob sie in Acheron wirklich willkommen sind, sondern stattdessen vielleicht sogar als Verräter gelten. Zum anderen ist es der Status den sie verlieren würden. Hier ist die Maneto neben der Königin der Meere zu einer Legende geworden.
Die Besprechung wird von einem Piratenkapitän unterbrochen der berichtet, dass ein Schiff unter der Flagge von Thule die Gelbe See befährt. Es hat den Kaiserkanal verlassen und segelt ostwärts. Es ist kein Dreadnought und auch kein Kriegsschiff, aber von der gleichen Form und Bauart, nur kleiner. Viktoria ist sofort Feuer und Flamme, Nachrichten aus der Heimat zu erfahren. Die Drachenkaiserin lässt Dschunken entsenden um das Schiff aufzuspüren und nach Tsushima zu geleiten.
Bevor der Tenno nach Nihon zurückkehrt, möchte er auf Nachrichten von dort warten und sich mit Fürst Kiowara beratschlagen. Er ist skeptisch, ob er von seinem Volk akzeptiert wird, wenn die Königin der Meere und die Maneto ihn begleiten werden, zudem kaum jemand seine Person wirklich kennt und von seiner hyborischen Abstammung weiß. Das könnte den Eindruck erwecken, dass eine fremde Macht hinter seiner Inthronisation steckt. Viktoria widerspricht ihm vehement: „Zwei Schiffe gelten schon als fremder Einfluss?“

Die Große Medizin ist ein Anliegen, das meine Königin neben den Ereignissen hier im Osten nie aus den Augen verloren hat. Wir erhalten von ihr den Auftrag, Gelehrte und Ärzte aufzusuchen um vielleicht neue, bisher unbekannte Informationen zu erfahren.
Ich statte Wasilo von Ellberg, dem Arzt der Königin der Meere, einen Besuch ab. Doch als ich ihn auf die Große Medizin anspreche, wirkt er zurückweisend, schon beinahe erzürnt: „Ich bin Arzt und kein Schamane!“ Er droht mir sogar mit Quarantäne, wenn ich in Zukunft nicht regelmäßig zum Inhalieren bei ihm erscheine, um meine Lungenkrankheit zu behandeln. Letzten Endes ist er aber doch einverstanden uns zu unterstützen, wenn es soweit ist.
Kahilar und Johann versuchen ihr Glück in Skakane. Die Feuermagierin ist skeptisch, die Angelegenheit laut auszusprechen. Sie versucht stattdessen, mit einzelnen Personen in Kontakt zu treten. Ihr Vorhaben ist langwierig und nicht von Erfolg gekrönt. Johann dagegen lässt sich treiben. Und hat eine Vision! Plötzlich tun sich Bilder vor seinem geistigen Auge auf. Er steht an einem Kai und sieht eine große Pyramide, nicht weit vom Ufer entfernt. Er beobachtet die Rückkehr der Magokraten nach Acheron. Dann wird ihm klar, was dieses Bauwerk eigentlich ist: Der Quell des Wissens. Wenn es ein Rezept für die Große Medizin gibt, dann dort. Doch dieser Ort ist für uns unerreichbar. Außerdem soll er nur wenigen, ausgesuchten Personen seine Informationen preisgeben.
Immer mehr Eindrücke erreichen Johann: Der Turm auf Tsushima, die Alten Wege, die Häuser. Und immer wieder Desmei! Schließlich versteht er die Zusammenhänge. Sie hat in ihrem Leben Informationen über die Große Medizin zusammengetragen und an verschiedenen Orten versteckt platziert. Und einer dieser Orte ist der Berg der Ginseng-Göttin, der Garten von Morgentau. Doch wir haben die Nachrichten nicht erkannt. So beschließen die beiden, zum Turm zurückzukehren um dort ihre Suche fortzusetzen.
Weil er bei den Gelehrten und Magiern nichts erreicht, vertieft sich Magister Gamlewinkel in seine Bücher. Bei einem Text aus Polaris wird er schließlich fündig. Er findet heraus, dass die Polarier nicht zwischen Wissen und Magie unterscheiden. Ein magisches Ritual in Verbindung mit weltlichen Zutaten ist für sie nichts Besonderes. Ein Rezept im klassischen Sinn entdeckt er zwar nicht, aber die Gewissheit, dass Mengenangaben für die einzelnen Bestandteile in diesem Fall nicht unbedingt notwendig sind. Die Form der Medizin hängt alleine von den zubereitenden Personen ab. Man erhält einen Trank, eine Paste oder irgendetwas anderes. Vielmehr ist es die Zahl Drei, die eine Rolle spielt. In Polaris hat diese Zahl eine sehr große Bedeutung. Daher scheint es ihm nicht verwunderlich, dass man drei Zutaten benötigt, drei Ärzte oder Heiler sowie drei Herrscher.

Als ich später über alles nachdenke, wird mir bewusst, dass ich wohl eine wichtige Rolle bei der Zubereitung der Großen Medizin spielen werde. Wichtiger als mir lieb ist. Auch die Gabe, die mir Morgentau schenkte, hat bestimmt damit zu tun. Immer wieder kommt mir der Tod von Desmei in den Sinn. Muss auch ich mich letzten Endes opfern? Bin ich dazu bereit? Ich weiß es nicht. Wir haben die drei Zutaten. Wasilo wird das Königskraut zubereiten, Hanaoka Seishu, der Arzt von Kiowara, den Ginseng und ich steuere das Wasser des Lebens bei. Wir haben Viktoria und den Tenno. Doch wer wird der dritte Herrscher sein? Etwa die Drachenkaiserin?

Als Kahilar und Johann am Turm eintreffen, bereiten die Sturmriesen bereits ihren Aufbruch vor. Norwi begleitet sie und hilft ihnen, die hohen Stufen zu erklimmen. Die Sturmriesin erzählt, dass sie die Pyramide schon gesehen hat, und auch das Haus auf dem Berg der Ginseng-Göttin ist ihr bekannt. Dorthin lassen die drei ihre Blicke schweifen. Mit Entsetzen müssen sie feststellen, dass die Mandarine den Berg gerodet haben! Die haben ganze Arbeit geleistet. Nicht eine Pflanze ist mehr zu sehen, kein Grün, nur noch eine weite Einöde. All die Verwüstung macht es ihnen dafür umso einfacher, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Haus konnten die Mandarine nämlich nicht zerstören. Kahilar erkennt, dass es mehr als ein magisches Gebäude ist, mehr als ein Zugang zu den Alten Wegen. Es ist schon fast ein Organismus. Und es besitzt eine Persönlichkeit! Ohne Umschweife kommt die Feuermagierin auf den Punkt und fragt nach der Großen Medizin. Zunächst trifft sie auf Skepsis, doch als sie von Offa erzählt, erinnert sich das Haus. Es lenkt ihren Blick auf einen kleinen Riss im Mauerwerk. Dort wächst ein kleiner Schössling, der den Blicken der Bruderschaft verborgen blieb. Dieser wird den Berg wieder grün und lebendig machen. Schließlich macht es sie auf ein weiteres Fenster im Turm aufmerksam. Dankbar verabschieden sie sich und steigen weiter hinauf.
War es beim ersten mal noch eine große geistige Anstrengung und Überwindung, die Stufen des Turms zu erklimmen, so haben Kahilar und Johann nun den Eindruck, dass er ihnen regelrecht freundlich gesonnen ist, schon beinahe dazu ermuntert, sich frei zu bewegen. Doch als sie das gesuchte Fenster erreichen, überkommt sie ein Gefühl der Angst. Johanns Gefahreninstinkt macht sich bemerkbar und Kahilar bekommt weiche Knie. Auf der anderen Seite erwartet sie eine ganz und gar ambivalente Persönlichkeit, die sowohl das Gute als auch das Böse verkörpern kann. Sie schauen genauer hin und entdecken Herrn Chang in seinem Garten. Er trägt ein gelbes Gewand mit Herrschafts-Insignien. Seine Begrüßung ist alles andere als freundlich: „Ihr? Was wollt ihr?“ Beim letzten Treffen war er noch der entgegenkommende Gastgeber, jetzt ist er der egoistische Herrscher. Kahilar kommt auf den Punkt und fragt ihn nach der Großen Medizin. Chang ist sich seiner Macht bewusst und versucht sie mit seiner Präsenz einzuschüchtern. Doch die Ska widersteht seinem Versuch. Er weiß immerhin wie man die Medizin zubereitet, sogar in großen Mengen, fordert jedoch einen Anteil. Dann wendet er sich an Norwi und erzählt ihr von Tauros, dem Gott der Diebe. Der sucht Persönlichkeiten für eine Gruppe, die er die Sturmbringer nennt und mit denen er Duncan befreien möchte.

Schon bald nachdem wir den tiefen, durchdringenden Klang einer großen Glocke aus dem Inneren der Festung hören, wird nach uns verlangt. Die Teufel der See, wie die Sahuagin hier genannt werden, sind da. Ich kann das Unbehagen und die Angst spüren, die ihre Ankunft unter der Bevölkerung auslöst. Eine alte, riesige Matriarchin, über drei Meter groß, kommt uns entgegen, gefolgt von drei Dutzend Wachen. Viktoria, mit der Schuppe als Zeichen für das Bündnis, geht voran, wir folgen ihr. Nach einer kurzen, formalen Begrüßung lässt sie Magister Gamlewinkel sprechen. Rasre die Matriarchin berichtet, dass die Mandarine erneut einen alten Pakt mit den Sterngeborenen schließen wollen. Der Magister weiß um die Gefahr, die sich daraus ergeben kann, kennt aber auch die Gier der der Sahuagin nach Schätzen und Reichtümern. Er kann einen Handel mit der Matriarchin abschließen. Doch bevor wir ihnen die 15 Kisten Jade übergeben, fordert Kahilar als Pfand ihr Siegel. Zähneknirschend stimmt die Matriarchin zu.

Wir kehren zum Palast zurück, um der Drachenkaiserin zu berichten. Doch kaum eine Wache ist zu sehen, und auch der Hofmeister macht einen besorgten Eindruck. Er öffnet die Tür zum Thronsaal ohne hinein zu blicken oder uns anzukündigen. Ein strenger Geruch liegt in der Luft. Wir betreten den Raum und wissen sofort warum. Vor uns steht ein riesiger Drache. Nur das gelbe Gewand in den Klauen lässt darauf schließen, dass es immer noch die Kaiserin ist. Dieser Anblick, ihre Präsenz, ist zu viel für mich und ich flüchte nach draußen. Als der Magister ihr von den Sterngeborenen berichtet, scheint sie erschüttert und lässt den Kopf sinken. Es ist nicht das erste mal, dass diese Kreaturen auftauchen. Es war die Zeit des kalten Blutes, lange bevor die Menschen die Welt betraten. Sollten die Mandarine wirklich in der Lage sein, viele von ihnen zu rufen, dann ist auch sie nicht in der Lage, ihnen lange zu widerstehen. Dann wird sie zum Turm gehen und ihren mächtigsten Verbündeten rufen, den Urdrachen. Doch danach wird die Welt nicht mehr dieselbe sein, ganz egal wie dieser Kampf auch ausgehen mag.
Wir müssen uns also erneut den Mandarinen stellen. Rasre hat uns den Ort genannt, wo das Ritual stattfindet. Doch wir können nicht frontal angreifen. Die Drachenkaiserin will uns unterstützen wenn wir uns entscheiden, den Plan der Mandarine zu vereiteln. Sie wird nach Wegen und Möglichkeiten suchen, uns ungesehen an diesen Ort zu bringen.

Erneut erhalten wir Nachricht von einem Boten, dieses mal aber eine erfreuliche. Die Siebenstern ist gerade im Hafen eingelaufen. Kapitän Sacknussen würde uns gerne an Bord begrüßen und seinen Gast Aerent, den Fürst von Kusan, vorstellen.
Der dritte Herrscher.
Macalla
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Die Große Medizin und Viktorias Entscheidung (15.9.2016)
Der Sturmring, der Tsushima lange Zeit vor unwillkommenen Eindringlingen beschützt hat, ist nun deutlich schwächer geworden. Er ist nur noch eine Wand aus Wolken und Regen. Die Drachenkaiserin hat an Kraft eingebüßt und die Sturmriesen sind dabei, die Insel zu verlassen. Ein weiteres Zeichen für Veränderungen, die der Region bevorstehen. Wie ein Hoffnungsschimmer erscheint in diesem Moment die Siebenstern, als sie aus dem nebligen Vorhang auftaucht. Sie ist in Begleitung von den ausgesandten Schiffen der Piraten sowie einer kleinen Flotte unbekannter Dschunken, alle mit dem Kaiserlichen Banner von Chin. An Bord des großen Flaggschiffs muss Aerent sein, der Fürst von Kusan. Welche Nachrichten werden sie uns bringen?
Die Mannschaft der Königin der Meere ist ausgelassen vor Freude, schon beinahe euphorisch. Nur Johann kann die überschwängliche Stimmung nicht teilen. Die Siebenstern ist auch für ihn kein unbekanntes Schiff. Für ihre Größe ist sie sehr gut bewaffnet. Und draußen auf hoher See, wo es keine Länder und Grenzen gibt, ist die Flagge oft bedeutungslos. Viele Schiffe hat sie aufgebracht oder versenkt, darunter auch einige nierländische.
Als die Hyrkanienfahrer endlich anlegen, hat sich der Hafen in ein einziges Volksfest verwandelt. Matrosen beider Mannschaften springen ins Wasser und liegen sich in den Armen. Ich hatte schon gedacht, die Stimmung sei kaum noch zu steigern, doch dann entdecken die Matrosen die Königin der Meere: „Hurra, die Königin ist gefunden!“
Eine laute Stimme vom Deck der Siebenstern sorgt schließlich für Ordnung. Es dauert ein wenig ehe die Mannschaft sich sammelt und anschließend geschlossen von Bord geht, angeführt von einem großen Varnier, Kapitän Sacknussen. Er kann seine Freude über das Wiedersehen nicht verbergen. Als der Magister sich vorstellt, ist er erst einmal sprachlos. Unser Expeditionsleiter ist mittlerweile eine echte Berühmtheit. Doch dann platzen auch aus ihm die Freude und Neugier heraus und er redet wie ein Wasserfall. Ein Ellana-Priester, der einen Choral anstimmt, sorgt für einen Moment der Besinnung. Die Matrosen der Siebenstern stimmen mit ein, und auch die Mannschaft der Königin der Meere hat die Zeilen nicht vergessen. Mit dem Ende des Liedes geht das Volksfest dann aber weiter…
...bis zu dem Augenblick, als Viktoria aus dem Hintergrund tritt und erkannt wird! Hier und da erheben sich Stimmen und lassen die „verschollene Prinzessin“ hochleben, jubeln ihr zu. Doch ich kann auch eine Feindseligkeit spüren, die einzelne ihr entgegen bringen. Besonders der Gesichtsausdruck des Priesters spricht Bände. Auch der zweite Maat kann seine Abneigung nicht verbergen. Doch damit nicht genug. Als die Mannschaft die Acheronier entdeckt, wird es wirklich brenzlig. Dem alten Feind werden Fäuste entgegen gereckt, Drohungen und Flüche ausgesprochen. Kahilar wagt es, in dieser Situation auf ein Fass zu steigen und versucht die Männer mit Worten zu besänftigen. Unterstützt wird sie dann von Magister Gamlewinkel, dessen Stimme und Auftreten mehr Gewicht besitzen als die der jungen Ska. Auch ein Machtwort von Kapitän Sacknussen tut sein übriges. Ebenso der Alkohol. Das Volksfest nimmt wieder an Fahrt auf. Ich weiche Viktoria nicht mehr von der Seite.

Bei dem ganzen Trubel entgeht uns beinahe das Boot, welches vom Flaggschiff der Flotte aus Chin herüber rudert und am Kai anlegt. Wie zählen zwölf Personen, unter ihnen zwei Shikome sowie mehrere Hyperboräer. In der Tracht eines Mandarins gekleidet kommt Aerent auf uns zu. Er trägt ein Schwert an seiner Seite und verzichtet auf jegliches Zermoniell, sehr ungewöhnlich. Die erste Begrüßung gilt Viktoria, mit einem angedeuteten Kotau erweist er ihr die Ehre. Der Magister stellt die Anwesenden vor. Als er beim Tenno ankommt, ist die Verbeugung des Fürsten deutlich tiefer.
Der Hofmeister war in der Zwischenzeit nicht untätig und hat bereits für Quartier gesorgt. Auch der Thronsaal wurde hergerichtet. Die Präsenz der Drachenkaiserin, mit der ich des öfteren meine Probleme hatte, scheint Aerent nichts auszumachen. Auch sie begrüßt der Fürst von Kusan formvollendet und stellt sich selbst als Abgesandter des Kaisers vor. Die Beratungen beginnen.

Johann begibt auf die Suche nach Agilolf, dem Priester der Siebenstern, um ihn im Auge zu behalten. Ihm ist die Feindseligkeit des Geistlichen ebenso wenig entgangen wie mir. Je mehr wir über ihn wissen desto größer ist unsere Chance, ihm zuvor zu kommen, was auch immer er im Schilde führt. Als Besatzungsmitglied der Königin der Meere fällt es Johann leicht, sich unter die feiernden Seeleute zu mischen. Die wollen alles wissen, was wir erlebt haben und geben auch selbst ihre Geschichten zum Besten. Dabei erfährt Johann, dass es eine Rettungsmission gab, nachdem Nachrichten über das Aufeinandertreffen mit der Maneto bis nach Thule drangen. Aster, die mittlerweile zur Königin gekrönt wurde, genießt bei ihnen hohes Ansehen. Und wie überall gibt es auch unter ihnen fanatische Royalisten. Über den Priester wissen sie nicht besonderes zu berichten, ebenso wenig über Adolar, den zweiten Maat. Ohne neue Hinweise sucht Johann weiter.
An einer Straßenecke wird er Zeuge einer handfesten Schlägerei. Matrosen der Siebenstern und der Königin der Meere attackieren gezielt die Acheronier. Ihm fällt ein Mann auf, der die zu Boden gegangenen Seemänner mit einem Schluck aus seinem Krug versorgt und anschließend mit den Worten „Los, zeig es den verdammten acheronischen Schweinen!“ anstachelt. Johann gelingt es, sich diesen zu schnappen und zur Rede zu stellen. Er habe vom zweiten Maat Geld und den Auftrag erhalten, im Hafen gezielt für Unruhe und Eskalation zu sorgen. Nachdem er ihn zum Teufel gejagt hat, kann Johann die Rauferei beenden. Zum Glück, denn es flogen nicht nur die Fäuste! Ein acheronicher Matrose wurde tatsächlich mit einem Messer verletzt. Die Wunde ist nicht tief und Johann kann sie provisorisch versorgen. Doch damit haben die Feindseligkeiten eine neue Qualität erreicht. Gerade als er den Ort wieder verlassen will, meldet sich Johanns Instinkt erneut, so stark wie zuvor im Hafen. Er entdeckt eine weitere Person, die ihn mit eiskalten Augen anblickt und dann in den Straßen verschwindet.

Aerent ist in Begleitung von Gesandten aus dem Norden. Diese berichten, dass sich Reiterhorden sammeln, die aber vor Wintereinbruch nicht mehr angreifen werden. Auch gibt es kaum noch Berichte über Angriffe aus Chin. Er hat das ungute Gefühl, dass die Mandarine all ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten. Da wir noch nicht bereit sind, allen Anwesenden unser Vertrauen zu schenken, behalten wir die Informationen über die Sterngeborenen erst einmal zurück. Der Fürst bemerkt weiter, dass es unter den Mandarinen wohl einen inneren Zirkel von acht Personen geben muss, die selbst in Grabenkämpfe verwickelt sind. Wir gewinnen den Eindruck, dass Aerent sich zum Ziel gesetzt hat, genau diese zu identifizieren.
Später spricht Kahilar ihn wegen der Großen Medizin an und bittet ihn, uns zu unterstützen. Er ist einverstanden. Morgen bei Sonnenaufgang sollen wir uns bereit halten.

Es ist schon mitten in der Nacht, doch Johann setzt seine Suche fort. Ein Matrose der Siebenstern läuft ihm über den Weg. Ihm ist das Verhalten seiner Kameraden nicht ganz geheuer. Er erzählt, dass sich Agilolf und Adolar eben mit Gleichgesinnten in einer Kneipe am Hafen getroffen haben. Auch der Schlüssel der Waffenkammer wurde erwähnt. Das Wort Meuterei wagt der Seemann kaum in den Mund zu nehmen, doch es scheint alles darauf hin zu deuten.
Mit dieser Information kehrt Johann zur Festung zurück. Kaum nähert er sich den Mauern kann er die Gefahr bereits spüren. Schnell weckt er uns, einen nach dem anderen. Eine kurze Beratung und wir wissen, was zu tun ist. Nachdem die Maneto von uns eine Warnung erhalten hat, gehen Johann und ich draußen vor der Festung auf Patrouille, ausgestattet mit dem Nachsicht-Zauber von Magister Gamlewinkel. Und werden prompt fündig. An der Außenseite der Mauer hängt ein dickes Tau herunter und ein Matrose, versteckt in der Dunkelheit, bewacht den Zugang. Leise schleichen wir zurück in die Festung und nach oben auf den Wehrgang.
Vor einem ungenutzten, halb zerstörten Raum entdecken wir die Eindringlinge, eine abgedunkelte Laterne gibt ihnen Licht. Sie beratschlagen flüsternd, ihre Stimmen sind kaum zu vernehmen, nur einige Wortfetzen dringen an mein Ohr. Doch als sie die Wolferwachen erwähnen bin ich überzeugt, dass Viktoria das Ziel ihres Angriffs ist. Ich handle sofort, das Überraschungsmoment ist auf unserer Seite. Mit einem gezielten Hieb zertrümmere ich die Laterne und warne die Wolfer. Die Matrosen ziehen sich in den Raum zurück, zücken Messer und Pistolen. Mit einem gezielten Pfeil, der knapp am Kopf von einem der Angreifer vorbei geht, versuche ich sie einzuschüchtern. Als Antwort wird eine Pistole abgefeuert, doch der Schuss geht ungezielt in die Dunkelheit. Erst eine Warnung und ein Geschoss von Kahilar, das auf den halb eingestürzten Wänden explodiert, zwingt sie zum Aufgeben. Ich höre, wie sie die Waffen fallen lassen und halte dem Erstbesten meinen Dolch an den Hals. Er versteht meine Aufforderung und verrät, dass der Priester und seine Anhänger gerade dabei sind, die Siebenstern unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie wollen eine Breitseite auf die Königin der Meere abfeuern. Wenn sie sie nicht versenken können, dann wollen sie dem Schiff wenigstens beträchtlichen Schaden zufügen. Zusammen mit Kapitän Sacknussen laufen wir in aller Eile zum Hafen.

Wie befürchtet haben Agilolf und seine Gefolgsleute ihr eigenes Schiff geentert. Sie tun sich schwer damit, es in dem engen Hafen in Position bringen. Das verschafft uns etwas Zeit. Kahilar droht mit einem gezielten Geschoss auf die Pulverkammer. Doch fehlgeleitet von ihrem blinden Fanatismus setzen die Meuterer das Manöver fort. Hämisch grinsend beobachtet der Priester das Geschehen. Ich muss dem ein Ende bereiten, bereite mich und meinen Bogen sorgsam vor. Von meinem Pfeil getroffen sinkt Agilolf auf dem Deck zusammen. Die anderen ziehen sich von der Reling zurück, versuchen aber weiter das Schiff auszurichten.
Vom hoch gelegenen Deck einer benachbarten Dschunke ergreift Magister Gamlewinkel die Initiative. Mit magischen Worten zwingt er den zweiten Maat sich zu stellen und mit seinem Kapitän zu reden. Wie eine Marionette geht er daraufhin von Bord und auf Sacknussen zu. Der ist bleich vor Entsetzen. Zum einen über die Meuterei, zum anderen über den Zauber, den der Magister gewirkt hat. Er lässt die Verräter umgehend verhaften, doch bei ihm bleiben Trauer und Ratlosigkeit zurück.
Auch an Viktoria sind die Ereignisse der Nacht und des letzten Tages nicht spurlos vorüber gegangen. Sie wirkt nachdenklich und in Gedanken versunken. Sie sagt, dass sie nur Krieg bringen wird, wenn sie in die Heimat nach Thule zurückkehrt. Kahilar und ich wagen es, ihr vehement zu widersprechen. Doch ohne ein weiteres Wort zieht sie sich alleine in die Festung zurück.

Im Morgengrauen beginnt im Hof der Festung die Herstellung der Großen Medizin! Da niemand weiß, ob es überhaupt ein solches Ritual gibt oder nach welchen Regeln es zu vollziehen ist, übernimmt Kahilar selbstbewusst die Rolle der Zeremonienmeisterin. Viktoria ist gekommen, der Tenno zusammen mit seinem Daimio Kiowara ebenso sowie Fürst Aerent. Auch Magister Gamlewinkel lässt sich diesen Moment nicht entgehen. Schweren Herzens habe mich dazu durchgerungen, beide Athelas-Pflanzen mitzubringen. Wasilo von Ellberg bereitet sie genauso fachmännisch zu wie Hanaoka Seishu den Ginseng, nachdem Kahilar dafür gesorgt hat, das jeder der drei Herrscher jede Zutat einmal in den Händen hält. Am Ende bin ich es, der Athelas und Ginseng in einer Schale vermischt. Als ich schließlich das Wasser des Lebens hinzufüge, geschieht etwas Wunderbares! Der ganze Hof beginnt im Schein der aufgehenden Sonne zu leuchten. Eine Art magischer Aura legt sich über jede Person und über jeden Gegenstand. Der Morgentau auf dem Gras glitzert, jeder einzelne Tropfen funkelt wie ein Edelstein. Morgentau! Ich werden Dir niemals genug danken können. Das hier ist vor allem Dein Werk! Für einen kurzen Moment glaube ich zu fühlen, dass sie bei uns ist. Vor lauter Glück nehme ich einen tiefen Atemzug und merke, dass ich wieder problemlos Luft holen kann. Ich spüre wie die kühle Frische noch bis in den letzten Winkel meiner Lunge vordringt. Ich bin geheilt!
Zu guter Letzt berührt noch einmal jeder Herrscher die Schale mit der Großen Medizin. Kurz bevor Viktoria an der Reihe ist spricht sie Worte aus, die uns alle überraschen: „Dies ist die erste Handlung in meinem neuen Königreich!“ Mit einem alten Knochendolch ihrer Familie teilt Kahilar die Medizin in drei Teile. Einen werde ich behalten, den zweiten erhält Wasilo von Ellberg und der letzte geht an Hanaoka Seishu.
Viktoria hat ihre Entscheidung getroffen. Die Drachenkaiserin dankt ab und überlässt ihr den Thron. Damit hätte ich niemals gerechnet.

Als die Zeremonie beendet ist, wendet sich der Tenno an Magister Gamlewinkel. Der Kaiser möchte in Nihon eine neue Universität gründen, die den Namen des großen Gelehrten aus Thule tragen und dessen erster Leiter er sein soll. Der Magister fühlt sich geehrt. Doch erst einmal müssen wir den bevorstehenden Angriff auf Mandarine überleben und der Tenno nach Nihon zurückkehren.
Macalla
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Die Schlacht von Kong Hu (24.9.2016)
Ich verweile noch ein wenig im Hof der Festung. Mit einem Lächeln auf der Seele lasse ich mich von meinen Erinnerungen noch einmal auf den Berg der Ginseng-Göttin, in den Garten von Morgentau, in ihre Arme entführen. Ich sehe ihr Gesicht so deutlich als würde sie vor mir stehen. Auf den Reisen mit meinen Kameraden habe ich viele Abenteuer erlebt, unglaubliche Dinge erblickt und mehr Menschen getroffen als ich mich erinnern kann, aber nichts hat tiefere Spuren hinterlassen als die Begegnung mit Morgentau. Dieser Moment gehört uns!

Etwas unsanft werde ich aus meinen Träumen geweckt, doch die Drachenkaiserin verlangt nach uns. Diesen Titel wird sie immer tragen, auch wenn sie sich bald unter die Wellen zurückziehen wird und Viktoria nun die neue Regentin von Tsushima ist, die Königin der Meere. Der riesige Leib des Drachens liegt zum größten Teil im Wasser, Kopf und Rücken ragen ebenso heraus wie der lange Schwanz. Nichts erinnert mehr an die menschliche Gestalt die sie angenommen hatte, als wir sie zum ersten mal trafen. Sie kennt einen Weg zur Feste Kung Ho, aber er ist gefährlich für Sterbliche wie uns, führt er doch teilweise durch die Unterwelt. Kung Ho ist ein Nexus, ein Ort an dem sich die Wege kreuzen. Wir sollen den Pfad des Drachen beschreiten doch den des Tigers meiden, sonst sind wir verloren. Eile ist geboten, denn sie hat Nachricht von ihren Söhnen erhalten. Eine große Flotte der Mandarine ist auf dem Weg in die Bucht von Kung Ho. Tausende verlorene Seelen haben die Dschunken an Bord, Opfer für das Ritual. Zum letzten mal wird sie die Schiffe in eine Schlacht führen. Zusammen mit der Maneto, der Königin der Meere und den Panzerschiffen aus Gorju werden sie den Mandarinen Einhalt gebieten. Günstige Winde sollen ihre Fahrt beschleunigen.

Der Schwarze Haufen bringt scheinbar seine gesamte Ausrüstung mit an der Bord einer alten Dschunke, die am Strand für uns bereit liegt. 60 Kobolde und ihre Magierin werden uns begleiten, zusammen mit unzähligen Kisten gefüllt mit explosiven Überraschungen aller Art. Teli, Monosugui und zwei Wolfer machen die Gruppe komplett.
Mit ihrem mächtigen Schwanz packt die Drachenkaiserin das Schiff, zieht es hinaus aufs Wasser und schwimmt direkt auf einen Strudel zu und hinein. Wie in einem tosenden Orkan werden Dschunke, Besatzung und Ladung hin und her geworfen. Wir müssen alle Kraft und Geschicklichkeit aufwenden, um uns irgendwo festzuhalten.

Von der Dschunke ist nicht mehr viel übrig. An an den steilen Klippen zerschellt ist nur noch der Rumpf zu erkennen. Das Wasser ist übersät von Trümmern sowie laut rufenden und hustenden Kobolden. Der Großteil der Ladung, die wir bergen können, hat es einigermaßen trocken überstanden. Weit und breit keine Spur von der Drachenkaiserin.
Diffuses Licht um uns und ein blasser Himmel über uns, weder Sonne noch Sterne erhellen ein ödes und farbloses Land. Nicht der Hauch eines Windes ist zu spüren. Die einzigen Wellen auf dem Wasser stammen von uns, ansonsten ist die See spiegelglatt. Kein Fisch tummelt sich im Wasser, kein Vogel fliegt durch die Lüfte, nicht einmal ein Insekt krabbelt über den Boden.
Unweit führt eine steile Treppe nach oben. Der Aufstieg ist mühsam, auch wenn diese Stufen nicht von Riesen aus dem Fels geschlagen wurden. Wir erreichen einen Pfad und entscheiden uns, bergauf zu gehen.

Eine Gabelung sorgt für eine kurze Rast. Der eine Weg führt in einen Tunnel. Ich gehe ein paar Schritte hinein, den Sonnenstein in der Hand. Sein Licht wird von der Dunkelheit geradezu aufgesogen, reicht nicht weiter als ein paar Armlängen, doch ich kann Spuren an den Wänden erkennen. Riesige Klauen haben hier gegraben. Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Weg nicht der richtige ist. Die andere Richtung scheint vielversprechender zu sein. Kahilar kann im Zwielicht ein Bauwerk in einiger Entfernung ausmachen, und Monosuguis feine Nase wittert eine Spur, einen bekannten Geruch, er weiß aber nicht von wem oder was er stammt.
Das Bauwerk entpuppt sich als ein Tor, das scheinbar grundlos inmitten der Landschaft platziert wurde. Man könnte auch einfach außen herum gehen, doch wir alle haben noch die Warnung der Drachenkaiserin im Kopf, den Drachenpfad nicht zu verlassen. Im Gegensatz zu der trostlosen Landschaft wirkt es allerdings regelrecht präsent, so als würde es genau hierher gehören und seinen Zweck erfüllen. Die alten Holzflügel sind mit Schriftzeichen versehen. Eine frühe Form des Mandarin, wie Magister Gamlewinkel bemerkt. Doch weder er noch Monosugui können sie entziffern. Er spürt allerdings ein schwaches aber kontinuierliches Fließen von Magie, welche das Tor speist. Ohne großen Widerstand öffnet Kahilar die beiden Flügel. Sofort strömt ihr eine unerwartete Frische entgegen, und Monosugui ruft: „Da riecht es nach oben! Aber da ist noch was anderes.“ Wir schließen das Tor hinter uns. Die Zeichen auf dieser Seite erinnern den Magister an jene, die er von den alten Wegen kennt. Sie sollen das, was auf der anderen Seite liegt, bannen.

Ich kann nicht sagen wie lange wir bereits unterwegs sind. Sogar die Zeit scheint in dieser Welt nicht fassbar zu sein. Von Weitem entdecken wir irgendwann erneut ein Tor. Während wir darauf zu gehen, sehen wir eine große Gestalt, die zwischen den geöffneten Flügeln steht. Als wir noch näher kommen erkennen wir zu unserer Überraschung Makino, der scheinbar mit aller Kraft verhindert, dass sich das Tor schließt. So schnell es eben geht mit all den Kisten rennen wir los. Die beiden Wolfer sind die ersten, die unseren verschollenen Kameraden unterstützen. Einer nach dem anderen schlüpfen wir durch den immer schmaler werdenden Spalt, bis das Tor mit lautem Krachen den Weg wieder versperrt.
Makino erzählt uns, dass er in Diensten von Herrn Chang unterwegs ist. Welchen Auftrag er hat verschweigt er allerdings. Interessanter finde ich den magischen Teppich, den er bei sich trägt. Vielleicht kann er uns als letzter Fluchtweg noch von Nutzen sein. Herausgefordert von der Aufgabe, die vor uns liegt, schließt der mächtige Oni sich uns ohne Zögern an.

Hinter dem nächsten Tor, das wir problemlos öffnen können, erwartet uns ein Samurai in seiner glänzenden Rüstung. Er lässt uns alle passieren, aber mit den Worten „Er ist es nicht wert!“ verweigert er Makino das Weitergehen. Es stellt sich heraus, dass unser Kamerad früher selbst jener stolzen Kriegerkaste angehörte. Doch anstatt eines ehrenvollen Todes wählte er einst den Weg in die Unterwelt, von der er dann als Oni in den Mundus zurückkehrte. Und der Samurai, der nun hier vor uns steht, ist eigentlich Makino, oder jedenfalls die Person die er sein sollte. Nach langer Diskussion und der eindringlichen Fürsprache des Magisters gibt sich Makino schließlich selbst den Weg frei.

Wir nähern uns einem kunstvoll gestalteten Pavillon mit weit geschwungenem Dach. Im Gegensatz zu den öden Landen, durch die wir zuvor wanderten, ist das Gebäude umgeben von üppigen grünen Wiesen. Es duftet nach Gras und frischem Tee. Eine junge Frau in einem Kimono und mit pechschwarzem, gekonnt geflochtenem Haar begrüßt uns freundlich. Sie ist wunderschön und ihre Bewegungen sind anmutig wie die einer Prinzessin. Mit einer einladenden Geste bittet sie uns, Platz zunehmen. Als er sie sieht, kehren Makinos Erinnerungen zurück: Diese Frau war seine Braut. Im Gegensatz zu ihm wählte sie den ehrenvollen Tod, um so der Schmach und der Schande zu entgehen, die er ihr auflud.
Wirkte der Pavillon zuvor noch viel zu klein, finden wir trotzdem alle Platz unter seinem Dach. Auch der Inhalt einer einzigen Kanne reicht aus, um die fast 70 Schalen mit Tee zu füllen. Etwas hektisch berichtet Magister Gamlewinkel der Frau von unserer Aufgabe, dass wir unbedingt rechtzeitig die Feste Kung Ho erreichen müssen, um das Ritual der Mandarine zu verhindern. Mit beruhigenden Worten antwortet sie: „Seid unbesorgt. Noch ist nicht der richtige Zeitpunkt um aufzubrechen. Bleibt noch einen Moment bis ich frischen Tee zubereitet habe. Er soll euch eine Stärkung und eures Gegners Schaden sein.“

Mit ihrem magischen Getränk in den Schläuchen verabschieden wir uns dankbar. Der Drachenpfad führt immer weiter bergan. Wir müssen eine unsichtbare Grenze passiert haben, denn plötzlich riecht es nach Seeluft und Pulverdampf. Wir finden uns in den Ruinen eines eingestürzten Turms wieder. Direkt vor uns liegt die Feste Kung Ho, rechts unter uns Bucht und Hafen. Die Schiffe der Mandarine liefern sich ein Seegefecht mit unserer Flotte. Auf einer Plattform an der Spitze des Kaps wirken, wie Aerent richtig vermutete, acht Mandarine das Ritual. Diesmal erschaffen sie nicht einfach nur einen Riss im Gefüge der Welten, sondern einen großen Wirbel, der ihnen als Portal dienen soll. Ich will mir gar nicht ausmalen welche Kreaturen sie mit dessen Hilfe herbei beschwören wollen.
Die Trümmer bieten gute Deckung, doch auf dem Weg nach vorne sind wir völlig ungeschützt. Links und rechts liegen schwere Geschützstellungen ehe wir den Hof der Feste erreichen. Dort patrouillieren Wächter und auf beiden Seiten ist er von jeweils einer leichten Kanone flankiert. Ein schmaler Pfad, der weiter zur Plattform führt, ist blockiert von Bewaffneten. Doch dahinter liegt das größte Hindernis. 60 Soldaten in Zweierreihen sind die letzte sichtbare Verteidigungslinie der Mandarine, die sich selbst mit einer Barriere in Form einer Kugel schützen. Der Wirbel liegt außerhalb ihres Schutzschilds.

Unser Plan ist eigentlich ganz simpel. Während der Schwarze Haufen, Monosugui und die Wolfer die Wachen im Hof angreifen, nutzen wir die Gelegenheit und bahnen uns einen Weg zur Spitze des Kaps. Die Kobolde geben jedem von uns drei Fetzer mit, kleine handliche Granaten. Doch kaum haben wir uns in Bewegung gesetzt, erscheint wie aus dem Nichts ein mutierter Kobold, bereit Alarm zu schlagen. Aber nicht mit Johann! Ich hatte immer gedacht ich kenne all seine Fähigkeiten, doch er überrascht nicht nur mich. Mit magischen Worten verstrickt er den Kobold in ein langes Gespräch. Als dieser verblüfft den Schwarzen Haufen entdeckt, schaltet sich Kahilar überzeugend in die Unterhaltung ein: „Was denkst du denn, natürlich sind wir die Verstärkung!“ Tief beeindruckt lässt er uns passieren und verschwindet genauso plötzlich wie er auftauchte.
Wir kommen im Hof der Festung an, niemand nimmt Notiz von uns. Makino startet einen Sturmlauf und der Magister nutzt die Gelegenheit und hält sich an seinen Kleidern fest, wir folgen ihnen im Laufschritt. Ich blicke weder nach links noch nach rechts und hoffe auf die Fähigkeiten unserer Begleiter. Einem der Mandarine ist das Spektakel nicht entgangen und er deutet bereits in unsere Richtung. Vor uns liegt der schmale Pfad zur Plattform, der von einem Dutzend Bewaffneter blockiert ist. Mit seinem Marionetten-Zauber befiehlt Magister Gamlewinkel dem Offizier der Gruppe, zur Seite zu treten. Ich muss schmunzeln, als die Männer tatsächlich Platz machen.

Der erste laute Knall stammt von einer der schweren Geschützstellungen in der Nähe des Turms, die Kobolde müssen den Pulvervorrat getroffen haben. Ich blicke kurz über meine Schulter und sehe eine riesige Wolke von Pulverdampf, die sich wirbelnd in die Lüfte erhebt. Der zweite ist das Resultat eines mächtigen Geschosses von Kahilar mit Unterstützung von Teli. Dort, wo eben noch 60 Soldaten eine solide Verteidigungslinie bildeten, scheint man nun direkt in die Flammen der Hölle zu blicken. Die beiden Feuermagierinnen haben ein wahres Inferno entfacht. Der Boden ist übersät von Asche, zerbrochenen Waffen, geborstenen Rüstungen sowie den brennenden Überresten der Soldaten. Die wenigen Überlebenden wenden voller Furcht ihren Blick ab, sie stellen keine Gefahr mehr da.
Kaum bin ich auf der Plattform angekommen, lasse ich einen Pfeil von der Sehne meines Bogens schnellen. Ich ziele auf den erstbesten Gegner. Die Pfeilspitze aus den Stoßzähnen des Stummen Großen hat genau die erhoffte Wirkung und überwindet problemlos alle Barrieren. Der Pfeil dringt tief in den Körper eines Mandarins ein. Entsetzen erfüllt seinen Gesichtsausdruck. Ob aufgrund der Verletzung oder der Tatsache, dass sein magischer Schutzschild überwunden wurde, kann ich nicht sagen. Es ist mir auch völlig egal. Heute werden sie bezahlen!

Endlich haben wir kurz Gelegenheit, unsere Gegner genauer in Augenschein zu nehmen. Vier von ihnen sind keine Unbekannten. Wir hatten bereits das Vergnügen miteinander, oben auf dem Berg in Gorju. Bis heute kann ich nicht verstehen, warum sie uns damals ziehen ließen. Jaoe, ein Jurche aus dem Norden des großen Kontinents, ist ihr Sturm-Priester. Die Drachenkaiserin erzählte allerdings von Gerüchten, dass sein Gott von Duncan erschlagen wurde und er somit nicht mehr über seine ursprüngliche Macht verfügen soll. Megaron, ein abtrünniger Krieger aus Polaris, ist leicht an seiner silbern glänzenden Rüstung zu erkennen. Über Malshandir gibt es kaum etwas zu berichten, außer, dass er Hyborier ist. Gar nichts weiß man von Chaon. Sein Anblick kann dem einfachen Gemüt das Fürchten lehren, verbirgt sich unter seiner Kapuze anstatt eines Gesichts nur ein schillernder, abgrundtiefer Wirbel.

Makinos Auge kann die große Barriere genau erkennen, die Aura ist für ihn nicht zu übersehen. Mit seinen magischen Schwertern gelingt es ihm, sie zu beschädigen. Die Öffnung ist gerade groß genug, um hindurch zu steigen. Wir müssen uns beeilen, denn sie schließt sich langsam wieder. Kaum hat Johann die andere Seite erreicht, wirft er einen Fetzer auf die Gegner, doch die Explosion zeigt keinerlei Wirkung. Mein zweiter Pfeil trifft genau Chaons „Gesicht“, doch er verschwindet einfach in dem Wirbel. Magister Gamlewinkel versucht den Inhalt seines Wasserschlauchs über den nächstbesten Gegner zu schütten, doch der magische Tee landet auf dem Boden. Johann ist damit erfolgreicher. Der Inhalt seines Schlauchs ergießt sich über einen der vier unbekannten Mandarine, die weiterhin das Ritual aufrecht erhalten und nicht in den Kampf eingreifen. Wie eine Säure ätzt und frisst sich der Tee durch und in seinen Körper, zersetzt ihn bis nur noch ein undefinierbarer dampfender Haufen von ihm übrig ist. In Makino und Megaron stehen sich zwei Gegner auf Augenhöhe gegenüber. Gekonnt schwingen sie ihre Schwerter zum Angriff, ebenso meisterhaft parieren sie die Hiebe des jeweils Anderen.

Wann immer sich die Gelegenheit bietet, versuche ich einen Blick auf den großen Wirbel zu werfen und verstehe bald, was dort gerade passiert. Mal sind es dunkle Rauchschwaden, die unkontrolliert aus dem Portal heraus kommen, mal ist es eine schwarze Tentakel, die sich ihren Weg in diese Welt sucht, dann eine schwarze Flüssigkeit, die immer wieder ihre Form ändert. Es ist die gleiche tiefe Dunkelheit, die gleiche unergründliche Finsternis wie die, auf die wir im Untergrund von Heian Kyo trafen. Doch unser Eingreifen, unsere Störung des Rituals, macht es den Magiern bisher unmöglich, sie zu stabilisieren. Kaum hat sie das Portal verlassen, da verflüchtigt sie sich, löst sich auf. Mir wird aber auch bewusst, dass diese Substanz extrem gut brennt. Mit dem nötigen Abstand wäre das völlig unproblematisch, doch wir stehen in unmittelbarer Nähe von ihr. Ich hoffe, unsere Feuermagierin weiß was sie tut.

Hinter uns in der Feste werden wieder Befehle gerufen. Die Soldaten sind dabei, sich neu zu formieren. Um zu verhindern, dass sie auf die Plattform vorrücken, erschafft Kahilar eine Feuer-Barriere auf dem schmalen Steg. Da dringt der dritte laute Knall an unsere Ohren. Die zweite Geschützstellung ist zerstört und stellt keine Gefahr mehr für unsere Flotte dar.

Mit einer einzigen Handbewegung opfert Malshandir einen der vier Magier, die das Portal kontrollieren. Dessen Körper beginnt sich auf groteske Art zu verändern. Es entsteht eine unförmige Kreatur, eine Masse mit Klauen und Zähnen. Es wird noch dauern, bis die Transformation abgeschlossen ist. Unterdessen greift Charon in sein „Gesicht“ hinein und wirft, was auch immer er da in den Händen hält, nach Makino. Es streift ihn nur, doch an der Rüstung des Oni läuft eine schwarze, ölige Substanz herab. Diese Schimäre will Johann angreifen, doch sie scheint noch nicht die völlige Kontrolle über ihren Körper erlangt zu haben, bewegt sich unbeholfen. Johann schüttet die letzten Tropfen des Tees auf seine Klinge und rammt sie dem Ungetüm tief in den Leib. Der Magister wirft einen Fetzer auf Jaoe, doch er explodiert ohne irgendeinen sichtbaren Schaden zu verursachen. Endlich haben auch Kahilar und Teli die Öffnung in der Barriere passiert. Ihr Geschoss trifft den Sturmpriester mit voller Wucht, aber wie zuvor bei der Granate zeigt es keinerlei Wirkung.

Auch in der Feste wird erbittert gekämpft. Doch dank des Eingreifens der Sahuagin wendet sich das Blatt zu unseren Gunsten. Eine Schar Kobolde und Monosugui konnten eine der kleinen Kanonen erobern und nehmen damit den Hof ins Kreuzfeuer. Die Wolfer wüten unter den Soldaten. Die Gegner fallen oder ergreifen angsterfüllt die Flucht.

Chaon greift erneut in die Tiefe seines „Gesichts“. Seine Attacke gilt diesmal nicht einer einzelnen Person, sondern beinahe jeder auf der Plattform ist betroffen. In seiner Rücksichtslosigkeit nimmt er dabei billigend in Kauf, seine eigenen Leute ebenso zu treffen wie uns. Am schlimmsten hat es Makino erwischt, der mächtige Oni taumelt schwer verletzt. Magister Gamlewinkel liegt benommen auf dem Boden, auch mir wird langsam schwarz vor Augen. Auf die Kreatur hat der Angriff den umgekehrten Effekt, sie wirkt regelrecht aufgeputscht und ist noch aggressiver als zuvor. Trotz seiner Blessuren kämpft Makino tapfer weiter, aber seine Angriffe verfehlen nun deutlich ihr Ziel. Seinem Gegner Megaron ergeht es nicht viel besser.
Kahilar hat die Attacke des Mandarin einigermaßen schadlos überstanden. Ihr Feuerball trifft Charon mit aller Kraft. Sein Körper wird regelrecht auseinander gerissen. Brennende schwarze Tropfen verteilen sich wie Regen in der nächsten Umgebung. Der letzte namenlose Mandarin am Portal bekommt die größte Ladung ab und fängt Feuer. Gleich einer Fackel, die in Windeseile verbrennt, bleibt von ihm nur noch ein Haufen Asche übrig. Auch Makino und Megaron hat es erwischt. Die beiden sind kaum noch in der Lage, ihre Klingen kontrolliert zu führen.
Die vereinzelten Flammen auf meiner Kleidung registriere ich kaum noch. Ich bin nicht mehr in der Lage zu handeln. Wie in einem Traum nehme ich das ganze Szenario wahr. Neben mir taucht Magister Gamlewinkel auf, greift nach meinem Wasserschlauch und nimmt einen tiefen Schluck. Den Tee hatte ich schon vergessen.
Jaoe ist das nächste Opfer von Kahilar. Dank Telis Unterstützung sind die beiden Feuermagierinnen nicht aufzuhalten. Prallten zuvor noch alle Angriffe scheinbar wirkungslos an ihm ab, geht der Jurche jetzt, von einem Feuerball getroffen, zu Boden und steht nicht mehr auf. Auch die Kreatur beginnt zu taumeln. Der Tee von Johanns Klinge zeigt endlich seine volle Wirkung. Nichts kann den zuvor schon unförmigen Körper mehr zusammenhalten. Nur eine leblose Masse bleibt von ihm zurück.
Megaron ist der letzte verbleibende Mandarin. Er und Makino stehen sich zwar immer noch gegenüber, doch keiner von beiden ist mehr in der Lage, einen gezielten Schwerthieb zu führen. Ganz anders Johann, weiterhin im Vollbesitz seiner Kräfte. Seine Klinge wirbelt erst durch die Luft und dringt dann genau zwischen zwei Platten der Rüstung des Polariers ein. Tödlich getroffen lässt der seine Waffe fallen.

Durch den Tod der Mandarine ist niemand mehr da, der das Portal kontrolliert. Was sie auch immer gerufen haben kann nun ungehindert in diese Welt eindringen. Erst ist es nur eine Tentakel, doch sie wird immer länger und dicker. Mehr und mehr Dunkelheit entlädt sich aus dem Wirbel und beginnt sich zu manifestieren. Sie nimmt Form an, verfestigt sich zu einer alles verschlingenden Schwärze, einem Monster tiefster Finsternis. Seine Arme tasten suchend umher, finden die Barriere, lösen sie Stück für Stück auf. Bald wird Es auch uns erreichen. Wie in Zeitlupe sehe ich eine Kugel aus Flammen durch die Luft fliegen. Zentimeter um Zentimeter nähert sie sich der Schwärze, trifft sie und explodiert mit lautem Knall. Dort, wo eben noch Finsternis herrschte, ist jetzt loderndes Feuer und gleißendes Licht. Und wir mittendrin!

...

Wird man Gedichte über uns verfassen? Werden Lieder über unsere Taten gesungen? Wie viele Generationen werden sich an die Schlacht von Kung Ho erinnern? Ich stelle mir diese Fragen, aber sie sind meinem Herz keine Bürde. Ich fühle mich befreit von der Last einer Welt, von der ich einst ein Teil war. Meine Kameraden sind bei mir. Wir reden und lachen, genießen duftenden Tee im Pavillon von Makinos Braut.
Der Abschied wird mir nicht schwer fallen. Gemeinsam mit Kahilar werde ich den Weg ins Heldenland einschlagen, bereit meine Heimat von dort aus zu beschützen, so wie ich es schon immer tat. Magister Gamlewinkel und Johann gehen zu Asura. Ich weiß nicht zu sagen, was es bedeutet, für sie oder für uns. Makino hat seinen Platz gefunden. Er wird hier bleiben und endlich die Person sein, die er ist.
Jarryd
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Joined: Thu Feb 19, 2009 9:54 pm

Re: Offas Tagebuch

Post by Jarryd »

Die Schlacht ist vorüber. Ruhe statt Lärm, kühle Luft statt Feuer.Tee und Gespräche.
Waren wir wirklich siegreich? Wahrscheinlich nur für den Augenblick.
Von hier aus dürfen wir unseren weiteren Weg frei wählen. Ein wahrlich seltenes Privileg! Makino wird diese Wegkreuzung bewachen, was mich beruhigt, sollte ich je wieder an diese Stelle kommen. Der Magister und Johann wählen den Weg aller Sterblichen. Ich kann sie verstehen, aber es stimmt mich sehr traurig. Ich habe so viel mit den Gefährten erlebt, so viel von ihnen gelernt und mich mit ihnen so verbunden gefühlt. Der Pfad durch Azuras Tor ist für mich dennoch keinen Gedanken wert. Zu viele Ska sind schon von der Welt gegangen und zu viele Dinge treiben mich noch um. Das Wissen um die Bruderschaft wird auch im Heldenland von Nutzen sein und ein gutes Feuer schadet dort sicher auch niemandem. Ich bin allerdings sehr froh, dass ich nicht alleine dort hin gehen muss und dass Offa den selben Weg wählt. Er bringt die große Medizin mit in diese Sphäre und er ist mein letzter Gefährte! Werde ich Skakane spüren, wenn ich dort bin?
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