Charakterspiel und Gruppenspiel

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Uthoroc
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Uthoroc »

Merdoc wrote:Für die Runde im nächsten Jahr wird Ralf uns einen guten alten Dungeon-Crawl vorbereiten, auf den wir uns direkt intellektuell einphasen können :)
Geil !
Wer hat denn gedrängelt "Wir müssen unbedingt diese Geschichte abschließen"? :D

In Anlehnung an den urpsprünglich verlinkten Artikel habe ich mal meine Vorlieben nach der vorgeschlagenen Liste vermerkt:
http://spreadsheets.google.com/ccc?key= ... XrGlWtYFeA

Wer Lust hat, kann sich ja auch mal eintragen - geht einfach in dem Online-Spreadsheet.
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gwendon
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Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by gwendon »

Ich spare mir mal lange Haftungsausschlüsse der Form "ich war nicht dabei, gebe aber trotzdem meinen Senf dazu" und lege einfach mal los:

Charakterspiel wird oft mit "gutem Rollenspiel" (was immer das auch sein mag) gleichgesetzt.
Wir kriegen ja schon in der Schule beigebracht, dass Charaktere in Romanen oder Theaterstücken nicht ein- oder zweidimensional sein dürfen, sondern ihre Vorlieben, Schrullen und Motivationen haben müssen. Wenn ich also meinen Charakter entsprechend seiner Motivation ausspiele, dann ist das ganz großes Theater, und ich mache "gutes Rollenspiel".

Falsch.

Charakterspiel ist erstmal nur eine Art zu spielen, genauso wie jemand, der das optimale aus den Regeln herausholt (Powergamer? Simulationist?) oder der wild auf Schätze und magische Gegenstände (Munchkin?) ist.
Wenn die Gruppe Lust auf was Flaches mit Action hat, ist das auch OK und Charakterspiel stört.

Außerdem muss das, was in Roman und Theater funktioniert, nicht im Rollenspiel klappen - es handelt sich schließlich um ein anderes Medium. Während die Romanfiguren entsprechend ihres Charakters handeln und daraus eine spannende Handlung entsteht, heißt das nicht, dass das auch im Rollenspiel klappt. Im Roman gibt es schließlich einen Autor, der das Verhalten des Charakters mit dem Plot abstimmen kann. Das ist m. E. im Rollenspiel nicht die Aufgabe des Spielleiters, denn es wäre vom Spielleiter etwas viel verlangt, genialer Autor zu sein, der auf die Ideen der Spieler spontan perfekt eingeht.

Charakterspiel sollte auch nicht als Ausrede gebraucht werden narzistisch-autistische Triebe auszuleben (NB: Wer glaubt, die beiden Adjektive ließen sich nicht kombinieren, hat noch nicht mit Softwareenwicklern gearbeitet...). OK, wenn es der Gruppe Spaß macht, dass jeder nacheinander seine 15 Minuten Interaktion mit dem Spielleiter hat, während die anderen Spieler zuhören und dann 1-2 Stunden wartet, bis er wieder dran ist, dann ist das für diese Gruppe OK. Ich erwarte aber etwas anderes.

Ich sehe Charakterspiel und Gruppenspiel auch nicht als Gegensätze, sondern als zwei Aspekte, die man auch als Spieler unter einen Hut bringen muss und die Verwantwortung dafür nicht einfach dem Spielleiter übertragen darf. Beim Charakterspiel sollte es nicht nur darum gehen, den Charakter des Charakters auszuspielen (toller Satz?), dafür braucht man die anderen Spieler nicht. Wenn man schon in einer Gruppe spielt, sollte man auch mit ihr spielen. Das heißt nicht, dass man sich sklavisch dem Gruppeninteresse beugen soll. Man muss eventuell auch nur mal mit einem anderen Blickwinkel an das Spiel herangehen.
Statt sich in einer Situation zu fragen "was würde mein Charakter tun?", vielleicht eher überlegen, wie man den eigenen Charakter spielen kann, um die anderen Spieler in die Handlung miteinzubeziehen. Warum nicht Vorlagen und Pässe liefern, statt nur selbst auf das Tor zu stürmen? Es ist doch beispielsweise wesentlich sozialer, konstruktiver und unterhaltsamer, wenn zwei Charaktere gemeinsam Guter-Cop-Böser-Cop spielen, als wenn nur einer der beiden einen Gefangenen verhört. Oder wenn es in einem Kampt durch Kooperation gelingt, die Gegner zu besiegen. Das muss auch nicht auf die vollkommene Harmonie zwischen den Charakteren hinauslaufen. Statt sich mit einem NPC zu streiten, warum sich dann nicht eher mit dem Charakter eines anderen Spielers kabbeln? Die Spieler können sich diesbezüglich ja auch absprechen, bevor sie sich dann "in character" streiten. Und wenn man vor der Entscheidung steht, den Charakter jetzt entsprechend dessen Motivation zu spielen oder nicht, dann vielleicht mal eher über den eigenen Schatten springen, anstatt sich "charaktergerecht" zu verhalten und dann den Spielleiter die Scherben einsammeln zu lassen.

Zum Schluß noch ein Zitat von Regisseur John Ford:
Auf die Frage, warum die Indianer während der Verfolgungsjagd am Höhepunkt des Films nicht einfach die Pferde der Postkutsche erschießen würden, antwortete er ganz lapidar: "Weil dann der Film zu Ende gewesen wäre".
Jarryd
Posts: 16
Joined: Thu Feb 19, 2009 9:54 pm

Re: Charakterspiel und Gruppenspiel

Post by Jarryd »

Leute, ich habe den Eindruck, dass wir alle das selbe wollen:
Mehrdimensionale Charaktere, die mit ihren Eigenheiten Spaß bereiten, aber
Spieler, die sich in ein Gruppengeschehen einfinden und dieses fördern können.
Wir denken (so verstehe ich euch alle), dass der SL nicht alleine eine gute Story bauen kann.
Vielleicht sehen wir die Nuancen etwas unterschiedlich.
Autistisch-narzistische Persönlichkeitsstrukturen könnten in der Tat ein Problem werden, demnächst also psychiatrische Unbedenklichkeitserklärung von potentiellen Mitspielern einfordern. Ein Muß! :evil:
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