Adventures

Sword

Morten und Tim

RUNDE: 14

DATUM: 11. Aleët (Diensttag, Dunkelwoche, Elrani) - Abends

ORT: Die Burg von Llannaid - In der grossen Halle

Morten bahnt sich seinen Weg durch die Soldaten und Bediensteten, die die Halle bevölkern und erreicht schließlich den Tisch, an dem der Navigator sitzt.

Leutselig begrüßt er ihn: "Hallo Tim, wie Du siehst lebe ich noch."

Ein Schulterzucken verrät, daß sich Tims Freude in Grenzen hält.

Mit einem Seufzer läßt sich Morten auf einen Stuhl fallen. "Ich glaube Waldspaziergänge sind nichts für mich. Weißt Du schon, was uns so widerfahren ist?"

Tim schaut von seinem Braten auf und sieht Morten stirnrunzelnd an. "Wer ist 'uns'? Die Stadt, Du, ich? Ich würde sagen 'wir' werden von Königstruppen angegriffen und sind hoffnungslos unterlegen."

Morten ist in Gedanken noch bei den vergangenen Ereignissen und hört Tim kaum zu. Dann schüttelt er die Erinnerung an die unangenehmen Vorfälle ab. "Nun ja, vorbei ist vorbei."

Tim versteht kaum etwas von Mortens Andeutungen und Erinnerungsfetzen. "Was ist vorbei? Anscheinend weiß ich nicht, was 'euch' widerfahren ist. Wer seid 'ihr'?"

Langsam scheint Tims alles andere als freundliche Stimmung zu Morten durchzudringen. "Hey alter Junge, Du könntest wirklich etwas begeisterter sein, mich noch lebend zu sehen. Reich mir mal gerade den Wein da rüber..."

Die glückliche und erleichterte Art Mortens geht Tim sichtlich gegen den Strich.

Morten lehnt sich zurück, schwenkt den Wein in seinem Kelch hin und her und macht sich daran, Tim den Grund für seine Erleichterung zu erklären.

"Ich bin ja so elend froh wieder in der Stadt zu sein... Also," er nimmt erst einmal zwei tiefe Schlucke Wein, "der Graf hat mich ja vor drei Tages zu dieser Exkursion in den Forst von Dannmar eingeladen, so ein Jagdausflug. Die Reise dorthin war ja halbwegs erträglich, wie es halt so mit Pferden ist. Auch der Abend war ja noch ganz nett. Aber dann...

"Am nächsten Morgen wache ich auf und alle sind weg. Habe schon gedacht, ich hätte verschlafen oder so, aber mitnichten. Ich lege mir also diese eklig klamme Wildnis-Toga an und schau mich in der Gegend so um. In der Nähe sollte ein Hügel mit Ruinen sein. Wenigstens etwas.

"Völlig erschöpft komme ich oben auf dem Berg an und werde direkt von dort herumstehenden Wachen des Grafen in Gewahrsam genommen. Es kommt noch besser. Keine Minute später stürmen irgendwelche Bewaffneten aus den Büschen, ermorden einen engen Vertrauten des Grafen und fordern uns "in Namen des Königs" auf, uns zu ergeben.

"Die Antwort auf diesen Antrag war dann ein kurzes Gefecht, bei dem ich nur knapp mit dem Leben davongekommen bin und daraufhin eine überstürzte Flucht in den Wald, durch die Büsche, querbeet durch die Wildnis. Schließlich landeten wir in einer Höhle und dachten schon, wir säßen in der Falle. Aber wir fanden einen unterirdischen Weg, keine natürliche Höhlen, sondern richtige Katakomben. Schauerlich was dies schon genug....und es wurde noch fürchterlicher.

"Es stellten sich uns irgendwelche Geisterwesen in den Weg und einer der Soldaten des Grafen fiel ihnen zum Opfer. Der Rest von uns konnte entkommen. Schließlich gelangten wir wieder ans Tageslicht, was heißt Tageslicht, es war Nacht, aber immer noch heller als in diesem Loch.

"Wieder ging es durch die Wildnis und erst im Morgengrauen kamen wir aus diesem elenden Wald heraus. Von einen nahegelegenen Gehöft konnten wir Pferde besorgen und unsere Reise etwas schneller fortsetzen. Auf dem Weg hierher erfuhren wir erst, daß die Bauern zu den Waffen gerufen worden sind - wie kann man nur Bauern kämpfen lassen - und das angeblich ein Heer des Königs unterwegs nach Llannaid sei."

"Wir sollen hier also anscheinend bald von Königstruppen belagert werden. Weißt Du da Näheres?"

Tim schaut ihn etwas erstaunt an. "Erzähle ich Dir was Neues, wenn ich Dir sage, daß sie bereits vor der Stadt lagern? Sieh Dich mal um! Ich weiß zwar nicht viel über das Leben auf dieser Burg, aber daß ein so üppiges Mahl jeden Abend serviert wird kann ich nicht glauben. Überall begegneten mir Bewaffnete. Wenn ich den Plänen des Grafen glauben darf, steht das Verhältnis zwischen Angreifern und Verteidigern sehr ungünstig. Ich bin mir unsicher ob die Truppen vor der Stadt nur rasten, um am morgigen Tag anzugreifen, oder ob sie sich auf eine Belagerung einrichten. Fest steht, daß ich mich schnellstmöglich wieder auf die Celara begeben werde."

Eine kurze Pause verrät, daß ihm gerade ein bis zwei Gedanken kommen, die dagegen sprechen könnten.

"Ich würde gerne wissen, wer denn dem König so auf die Füße getreten ist, daß er direkt eine Armee entsendet.

Jetzt ist Morten an der Reihe verblüfft zu sein: "Die sollen schon vor der Stadt sein?"

Morten macht ein wirklich überraschtes und auch beunruhigtes Gesicht. "Diese Provinz hier ist echt voll Leben, und der Tod scheint auch nicht weit zu sein. Wir scheinen hier in so eine Art Adelsintrige geraten zu sein. Der zur Zeit amtierende König hat wohl seinen Bruder einer Mordtat beschuldigt und läßt diesen derzeit im Kerker einsitzen. Aber daß er gleich solche Mittel ergreift. Irgendwie riecht das nach Tonka-Kot. Zumindest glaube ich, daß wir auf der richtigen Seite stehen."

Noch einmal seufzt er tief: "So, das waren die vergangenen zwei Tage. Und was war bei Dir hier so los?

"Oh, eine interessante Frage. Wir sollten in Anbetracht der Umgebung und meines geistigen Zustandes dieses Thema nicht weiter diskutieren."

Tims Gesichtszüge deuten an, daß er versucht, dieses Thema zu verdrängen, und Morten nicht gleich an die Gurgel zu gehen.

Morten kann es aber nicht lassen, weiter nachzufragen: "Hattest Du auch mit blutrünstigen Schergen, Katakomben und Geisterwesen zu tun?"

"Nein, meine Tage waren ziemlich langweilig. Dafür habe ich nette Leute kennengelernt. Zuerst Leutnant Maduk - eigentlich ein recht angenehmer Mensch im Gegensatz zu Levardos. Na ja, und dann waren da noch Owain und Taran. Kennst Du Owain? Ein echter Lichtblick in dieser Stadt."

"Lauter Waffenvolk hast Du kennengelernt? Diesen Levardos habe ich auch schon getroffen. Eigentlich doch recht umgänglich ... Und einen Gefängniswärter?"

Tim's Gesicht nimmt deutlich angewiderte Züge an. "Na ja, was soll man von einem Gefängniswärter schon verlangen".

Irgendwie haben sich Tims Augen zu engen Schlitzen verformt.

"Ob man Taran trauen kann, frag ich mich heute noch. Und was Geistergestalten angeht, kann ich nicht ganz mithalten, obwohl dieser zahnlose, abgerissene alte Mann auf dem Strohlager gegenüber dem Ganzen schon recht nahe kam."

Tim schaut Morten direkt in die Augen. "Warst Du schon mal in einem Kerker? Da hat man viel Zeit nachzudenken, wieso und warum man dort ist und was man tut, wenn man wieder draußen ist - wenn man jemals wieder rauskommt."

Mortens Gesicht verrät eindeutige Überraschung und sogar so etwas wie Sorge. "Ich war schon mal inhaftiert, allerdings, aber...was sprichst Du da von Kerker?"

Dann sieht er Tims Gesicht und versucht einen geschickten Themenwechsel. "Wie schmeckt denn der Braten, den Du da hast?"

Tim zeigt keine Reaktion außer dem "Stech-ihn-ab-und-lass-ihn-liegen-Blick", den auch auf dem Schiff schon so mancher zu spüren bekommen hat.

Morten sieht so aus, als ob ihn irgendwas unangenehm berührt, während Tim den Eindruck macht, als wolle er sich gerne bei Morten für irgend etwas 'revanchieren', ihn die äußeren Umstände einer bevorstehenden Belagerung allerdings davon abhielten. Sein Blick scheint zu besagen: "Es gibt zur Zeit Wichtigeres. Aber .... aufgeschoben ist nicht aufgehoben."

Morten fast sich ein Herz und spricht das Thema direkt an: "Sag mal, habe ich Dir irgend etwas getan? Du guckst, als wenn Du mich fressen wolltest. Was ist los? Moment mal ... hast Du etwa Probleme bekommen, weil ich mit Levardos ein offenes Wort über diese Jolgin Geschichte gesprochen habe?"

Ein Blick in Tims Gesicht verrät Morten, daß er offenbar den richtigen Punkt erwischt hat.

"Bitte verzeih mir, aber ich habe mir wirklich Sorgen gemacht, daß Geheimniskrämerei nur noch größere Probleme gemacht hätte. Es hat sich doch alles positiv aufgeklärt zu haben, oder?"

Tim antwortet nicht und für eine Weile versinken beide in Schweigen, während um sie herum immer mehr Soldaten in der Halle zusammen kommen. Daran, daß es trotzdem nicht besonders laut wird, merkt man, daß sich die Kämpfer des Grafen der ernsten Lage der Stadt durchaus bewußt sind.

Schließlich ergreift Morten wieder das Wort: "Du möchtest also wieder auf dein Schiff. Keiner der schlechtesten Orte in einer belagerten Hafenstadt."

Tim nickt. "Ich würde sogar behaupten DER BESTE. Allerdings ..."

Er bricht den Satz ab, als ihm anscheinend ein paar Erinnerungen durch den Kopf gehen. Dann fährt er fort: "Ja, DER BESTE."

Morten fragt: "Apropos Belagerung, weißt Du, wie viele das da draußen sind?"

Tim zuckt nur mit den Schultern.

Morten überlegt eine Weile und versucht dann das Positive an der Situation zu entdecken. "So schlimm sieht es doch gar nicht aus. Dieses ist zwar nicht die uneinnehmbare Feste von Alintoros, aber ansonsten der günstigste Ort in der Gegend, um belagert zu werden und dieser Belagerung standzuhalten."

Tim schüttelt sich. "Das ist ja fast wie eingekerkert. Nein danke."

Morten gehen offensichtlich alle Fragen und Probleme, die bei einer Belagerung auftreten, durch den Kopf: "Ich hoffe die Jungs hier haben genügend Vorräte und Frischwasser beisammen."

Der Navigator schaut Morten sehr zweifelnd an. "Wer soll denn zur Rettung heran eilen?"

Morten ist in Gedanken noch bei der Verteidigung der Stadt. "... und den Bachlauf vor den Mauern gestaut, damit er den Angreifern den Spaß an der nördlichen Flanke der Stadt verdirbt. Nun ja, wir haben hier doch einige tüchtige Krieger in der Stadt, denke ich." Sehr überzeugt sieht er bei diesen Worten allerdings nicht aus.

Tim ist offensichtlich auch nicht überzeugter. "So viele und gute Krieger kann die Stadt gar nicht aufbieten, um einem Königsheer zu trotzen."

"Seid wann bist Du eigentlich so pessimistisch, das sieht Dir doch gar nicht ähnlich. Oder liegt es an ... hm." Er macht eine kurze Pause während ihm ein Gedanke kommt. "Seid wann bist Du denn schon auf der Burg? Was machst Du überhaupt hier? Ich habe gehört, daß Aiunn und ihre schwatzhafte Aufpasserin auch hier als Gäste des Grafen sind. Gesehen habe ich die beiden allerdings noch nicht. Das hier ist zumindest ein sicherer Ort, obwohl die Celara sicherlich besser wäre."

Anscheinend hat Morten das richtige Gespür, denn als er auf dieses Thema kommt, ändert sich Tims Gesichtsausdruck ein wenig - wenigstens kurzzeitig. Denn was Morten damit aussagen wollte, ist Tim offensichtlich noch nicht ganz klar.

Morten legt den Kopf schief und schaut Tim leicht schelmisch an. "Hmm ... was ist denn nun mit Euch beiden? Du bist doch nicht der Typ der so eine Frau einfach gehen läßt?"

Diesmal ist es Tim, der - nach kurzem Schweigen - das Thema wechselt. "Seit wann bist Du denn wieder auf der Burg? Was hat der Graf für Pläne? Hat er überhaupt welche?"

"Ich bin erst seid ein paar Stunden wieder hier. Ich hatte auch erst Zeit, ein kurzes Bad zu nehmen und habe dann ein wenig geschlafen. Anscheinend habe ich die Ankunft von den Königstruppen glatt verschlafen. Aber was der Graf für Pläne hat? Keine Ahnung!"

Während Morten die letzten Erklärungen über seine Anwesenheit auf der Burg, scheint Tim in Konzentration oder Überlegungen versunken.

Dann kommt er plötzlich in die Realität zurück. "Hmm?"

Ein Grinsen legt sich auf Tims Gesicht. Er schiebt den noch fast vollen Teller beiseite und streicht sich mit der Rechten die Haare zurück. Ein kurzer Blick in die Runde scheint nur der Bestätigung zu dienen.

"Laß uns einen Spaziergang machen."

Sofort schließt er an: "Nicht, daß Du mich falsch verstehst. Die Sache mit Mordfall klären wir später. Anscheinend ist hier gerade alles so mit sich selbst beschäftigt ..."

Er wirft erneut einen Blick in die Runde, erhebt sich von seinem Stuhl und blickt Morten auffordernd an.

Morten ist erstaunt: "Spaziergang?"

Anscheinend hält er einen Spaziergang grundsätzlich für eine Tätigkeit zur angenehmen Freizeitgestaltung - und derzeit für unpassend. "Spaziergang, ... ich glaube jetzt ist nicht die Zeit für Spaziergänge."

Gerade als Tim seine Stimme erheben will, um zu erklären, fährt Morten fort.

"Ich muß jetzt erstmal was anderes anziehen. Oben von meinem Turmzimmer aus kann ich jetzt im Abendlicht vielleicht noch was erkennen."

Morten läßt einen Blick an sich herunterwandern, und scheint selbst davon überzeugt zu sein, daß dieses weiße, um ihn herumgewickelte Etwas nicht die passende Bekleidung ist.

Tim schüttelt leicht den Kopf, aber Morten läßt sich nicht beirren.

"Mal sehen, ob ich an den Grafen rankomme, oder irgendwen sonst, der weiß, was hier los ist und mit wem genau, wie vielen usw. wir es zu tun haben. Zumindest habe ich hier nicht vor, tatenlos herumzuspazieren und zu warten."

Morten trägt einen ungewöhnlich entschlossenen Gesichtsausdruck zur Schau, während Tim sich zu fragen scheint, ob Morten doch nicht so schnell von Begriff ist, wie er eigentlich dachte.

"Und wohin willst Du nun?" fragt Morten, während er aufsteht und seine Kleidung zurecht zupft.

"Ich dachte, das kannst Du mir sagen?" und wieder legt sich ein Grinsen auf Tims Gesicht. "Turm? Haupthaus? Gästezimmer? "Und um das klarzustellen, von "herumspazieren" habe ich nie geredet. Es war mehr eine Umschreibung für 'diesen Ort unauffällig verlassen' um jemanden zu besuchen. Leider habe ich nicht soviel Zeit, da ich Fiarel noch über das Gespräch mit dem Grafen unterrichten muß. Die Lagerfeuer der Belagerer sieht man im Dunkeln übrigens besonders gut. Also? Wo gehen wir hin?"

"Wir gehen jetzt erst mal in mein Zimmer in dem Turm da oben." Morten deutet kurz mit dem Kopf nach oben rechts in Richtung des Gästeflügels der Burg. "Vielleicht finden wir auf dem furchtbar langen Weg dorthin auch heraus, wo Deine Prinzessin steckt. Ich verschwinde dann und zieh mir was anderes an."

Morten schaut Tim mit einem Blick an, der Zustimmung erwartet.

"Sie ist eine Prinzessin?" Ein leicht verspätetes Lächeln verrät, daß Tim es nicht ernst gemeint hat. "Gehen wir."

Tim erhebt sich und folgt Morten, der von der Empore heruntersteigt und sich seinen Weg durch die versammelten Soldaten bahnt. Tim schaut sich aufmerksam um, aber er kennt niemanden der Anwesenden. Levardos, der Graf und seine Berater sind sicherlich noch anderweitig beschäftigt - kein Wunder. Schließlich erreicht Morten die Seitentür, durch die er vorhin die Halle betreten hat und führt Tim in einen Gang, der wohl zum Gästeflügel geht. Während sie durch den momentan leeren Gang gehen, beschleunigt Tim seinen Schritt, um neben Morten zu kommen und ein paar Fragen zu stellen.

"Und jetzt mußt Du mir verraten, wer denn immer 'wir' sind. Als Du vorhin von Deinen Erlebnissen berichtet hast, da konnte ich verstehen, daß Du ab und an von uns beiden geredet hast, allerdings auch des öfteren von anderen."

"Mit "wir" meinte ich diejenigen, die vor ein paar Tagen mit auf den Jagdausflug gekommen sind. Diese Jagdgesellschaft bestand neben meiner Wenigkeit aus dem Grafen, seiner Nichte Arwen, dem Priester Camren, einer Abteilung von zwölf Gardisten unter der Führung von Hauptmann Brandon ap Riados, sowie einigen weiteren Gästen des Grafen mit den Namen Gwendon - einem Dichter -, Turras und Garthan. Die beiden Letzteren sind übrigens sehr gute Kämpfer und haben mir das Leben gerettet."

"Allem Anschein nach gibt es in dieser Stadt zur Zeit sehr viele Fremde. Sehr seltsam," wirft Tim ein.

"Bei dem Überfall im Forst wurde unter anderem auch der Hauptmann Brandon getötet. Er ist wohl ein sehr fähiger und guter Mann gewesen. Der Zorn des Grafen ist entsprechend groß," fügt Morten noch hinzu.

Tim ist die ganze Situation offensichtlich nicht ganz geheuer. "Und dann diese Geschichte um den König und sein Heer. Du weißt sicher mehr über diese Dinge, aber meines Wissens nach kann eine Grafschaft es nicht mit einem Königsheer aufnehmen. Und wenn der Graf anscheinend nichtmal weiß, welche Häfen wir für Nachschublieferungen ansteuern können, scheint es um Verbündete schlecht zu stehen."

"Das ist hier halt so typisches Provinzgeklüngel. Kennt Deine Kapitänin sich hier nicht besser aus?" meint Morten.

Tim schüttelt den Kopf. "Was die Politik angeht, wohl auch nicht besonders gut. Versteh mich nicht falsch. Ich bin kein Pessimist. Aber selbst Du solltest erkennen, daß auf militärischem Wege hier nichts gewonnen werden kann. Deswegen liegt mir momentan viel daran, Aiunn zu finden. Sagen wir mal, ich gebe der Stadt nicht viele Chancen. Oder hast Du gerade ein paar Kompanien Söldner zur Verfügung?"

"Ich nicht, aber vielleicht der Graf...er scheint da einige zur Zeit sehr günstige Beziehungen zu haben. Die Frage wäre dann allerdings, wie lange wir uns halten können, bevor Hilfe naht. Und da bin ich der Überzeugung, daß wir das eine ganze Weile schaffen können. Außerdem bin ich mir nicht so sicher, ob der König seine ganze Aufmerksamkeit Llannaid schenken kann. Es scheint in seinem Land einige unruhige Stellen zu geben, und ich habe das Gefühl, daß wir wirklich nicht völlig alleine dastehen werden, wenn es ernster wird. Aber nun laß uns Aiunn suchen..."

Am Ende des Ganges biegt Morten rechts ab, öffnet eine Tür und geht einen weiteren Korridor hinab. Vor vorne sind die Geräusche einer geschäftigen Küche zu hören, und als Morten die nächste Tür öffnet, steht ihr tatsächlich in der großen Burgküche. Bedienstete eilen scheinbar ziellos hin und her, tragen Geschirr und Vorräte von einem Ort zum anderen und brüllen sich über dem allgemeinen Lärm Anweisungen zu. Mehrere große Feuerstellen und Herde verbreiten eine fast infernalische Hitze.

Während Tim sich fragt, was Morten eigentlich hier in der Küche will, schaut dieser sich suchend nach einem bekannten Gesicht um. Aber weder der Haushofmeister noch sein Diener Corwin sind irgendwo zu entdecken. Statt dessen erregt Morten die Aufmerksamkeit einer Frau, die in der Mitte des Raumes hinter einem großen Pult thront und von dort die Heerscharen der Knechte und Mägde dirigiert. Gerade hat sie von einer Soße gekostet, die ihr ein Koch gereicht hat, als sie den Baumeister erblickt, und mit einer Handbewegung zu sich winkt.

Morten geht auf sie zu, vorsichtig den vorbeieilenden Bediensteten ausweichend, und Tim folgt ihm. Morten hat das Pult fast erreicht, als die Frau dahinter aufsteht - und plötzlich verschwunden ist. Verblüfft bleibt er einen Moment stehen, aber dann taucht sie hinter dem Pult wieder auf, und er realisiert, daß sie kleinwüchsig ist. Ihr Gesicht, langgezogen und mit ausgeprägtem Kinn, ist normal groß, aber der Rest ihres Körpers hat die Proportionen eines Kindes. Sie ist wohl nur wenig grö0er als einen Schritt.

Kritisch mustert sie Morten von oben bis unten. "Seid gegrüßt. Habt ihr euch verlaufen?"

"Guten Abend, gute Frau," erwidert Morten und deutet eine leichte Verbeugung an. "Mein Name ist Morten Essansor, darf ich euren erfahren?"

Mortens Höflichkeit läßt sein Gegenüber offensichtlich nicht unbeeindruckt, und ihr wird bewußt, daß ihre Begrüßung nicht besonders freundlich war. Sie streicht sich eine graue Strähne aus der Stirn. "Verzeiht, mein Name ist Fiona, und ich bin die Köchin."

"Angenehm," erwidert Morten. "Um auf Eure Frage zurück zu kommen: Nein, wir haben uns nicht verlaufen, aber eure Hilfe benötigen wir doch. Bekannte von uns sind kürzlich auf der Burg angekommen, und wir würden sie gerne sehen, aber wir wissen nicht, wo sie untergebracht sind. Es sind zwei Damen aus Narsaria namens Aiunn und Lionafara Yalini."

Frau Fiona überlegt einen Moment und nickt dann mit dem Kopf. "Ja, ich weiß, wen ihr meint. Sie sind gestern hier angekommen, nicht wahr?"

"Das kann wohl sein. Ich bin heute erst mit dem Grafen zurückgekehrt."

"Wartet einen Augenblick," sagt sie und schaut sich suchend in der Küche um. Schließlich erspäht sie eine Magd, nach der sie offensichtlich Ausschau gehalten hat. "RIANNA!" Ihre Stimme hat ein erstaunliches Volumen für den kleinen Körper und trägt leicht durch die ganze Küche. Sofort eilt die junge Frau, der der Ruf galt, herbei.

"Jawohl, Frau Fiona?"

"Zeige den Herrschaften hier die Räume der beiden neuen Gäste aus Narsaria. Du weißt schon, die beiden Damen."

"Jawohl, Frau Fiona." Sie macht einen Knicks vor Morten und Tim und senkt bescheiden die Augen. "Bitte folgt mir."

Mit diesen Worten wendet sie sich um und geht in Richtung eines Ausgangs im hinteren Teil der Küche. Tim und Morten folgen ihr.

...

Nach einigen Fluren und Treppen, erreichen Tim und Morten geführt von der Magd einen langen Korridor, der in den Gästeflügel hinein führt. Rianna deutet nach vorne, wo der Gang sich gabelt, und eine Tür zu erkennen ist. "Dort sind die Gemächer von Frau Yalini und Fräulein Aiunn. Ich weiß aber nicht, ob sie im Moment da sind."

"Wir werden nachsehen," meint Tim, und Morten fügt hinzu: "Danke Rianna, Du kannst dann gehen."

Sie knickst noch einmal und kehrt dann um in Richtung Küche.

Morten grinst Tim an. "So, da wären wir. Ich wünsch' Dir noch viel Glück. Ich werde erstmal ..."

Morten hält inne, als vom Ende des Ganges Stimmen und ein helles Lachen zu hören sind - Aiunns Lachen. Zwei Gestalten kommen um die Ecke und halten vor der besagten Tür an. Im Schein einer nahen Öllampe sind sie deutlich zu erkennen, während der dunkle Gang Morten und Tim wohl vor ihren Blicken verbirgt.

Die eine Gestalt ist Aiunn. Sie hat einen Mantel um ihre schlanke Gestalt geschlungen, aber die Kapuze ist zurückgeworfen und ihr langes, dunkles Haar fällt offen ihren Rücken hinunter. Tim und Morten können ihre Worte gut verstehen. "Danke sehr, ich hätte nicht gedacht, daß man sich in dieser Burg so leicht verlaufen kann." Dabei legt sie ihre Hand sanft auf den Unterarm ihres Begleiters - Levardos.

Seine Stimme ist ungewöhnlich freundlich, als er antwortet. "Keine Ursache. Es war mir ein Vergnügen, euch zu eurer Unterkunft zu führen. Es verschaffte mir das Vergnügen, Eure Gesellschaft zu genießen."

Aiunn lacht leise ob dieses Kompliments und öffnet die Tür.

Mit welchen Erlebnissen soll es weitergehen?

[Ajac] - [Garthan] - [Gwendon] - [Morten] - [Tim] - [Turras]